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analog rockt Brettspielrezensionen

Die beiden April-Spiele 2023

Der Artikel wurde von Christoph and Horst geschrieben. 6 Minuten Lesezeit
Es wird gruselig.

Einmal im Monat stellen wir euch zwei Titel vor, die uns beschäftigt haben. Das müssen nicht die neusten Brettspielen, die besten oder schlechtsten oder die am meisten gespielten Spiele sein. Einfach die, mit denen wir auf irgendeiner Art und Weise Zeit verbracht haben. Diesen Monat hat Chris endlich ein Spiel zu seiner Sammlung hinzufügen können und Horst ist abgrundtief gefallen.

Horsts Spiel

Für April fällt es mir schwer DAS Spiel heraus zu suchen. Im Januar habe ich noch voller Euphorie von Spirit Island berichtet. Mittlerweile ist es in meinem Regal gelandet und wurde bereits im April fünfmal gespielt. Damit brauch ich es nicht schon wieder erwähnen und es gibt lieber eine Rezension als Solist und im Team dazu. Mittlweile ist auch Distilled bei mir angekommen und ich habe ebenfalls in einigen Solorunden mein Glück bei der Schnapsbrennerei versucht. Dann habe ich das unglaubliche Belaad gespielt und spiele es immer noch. Hier wird sich ebenfalls ein tieferer Blick in den Karton ergeben.

Am besten bliebe ich doch bei meinen Top-10-Spielen, die ich dieses Jahr spielen wollte. Ich gebe zu, dass ich etwas hinter dem Zeitplan hänge – gut war auch zu erwarten und ein zusätzlicher Sportunfall hat mich deutlich zurück geworfen. Aber zwei Spiele haben es von den Top-10 geschafft. Darunter hatte meine Frau Mitleid und hat uns Brass Birmingham gekauft. Mit Chris konnte ich aber im Spielbrett Hildesheim bei einem der tollen Abendveranstaltungen endlich Abgrundtief spielen.

Abgrundtief ist ein Social Deduction Spiel wie Feed the Kraken. Die Spielenden nehmen unterschiedliche, geheime Rollen (hier: Mensch, Kultist, Hybrid) an und versuchen die Ziele dieser Rolle zu erfüllen. Bei Feed the Kraken steht eher der Spielspaß im Vordergrund und nicht so sehr die Spielmechaniken. Es gibt auch Social Deduction Spiele, die so komplex sind, dass ich so manches Spiel noch gar nicht in eine Spielrunde integrieren konnte. Wir haben uns dem Lovecraftschen Thema zu sechs genähert – also volle Besatzung – und waren allesamt Ersttäter.

Opulentes Spielbrett … hier kommt Stimmung auf.

Das Regelheft war zwar dick und es gab ein extra Referenzheft für Sonderregeln und -begriffe, aber nach knapp 45 Minuten des gemeinsamen Lesens und Aufbauen ging es dann doch los. Dabei haben sich die vielfältigen Aktionen als erstaunlich eingängig herausgestellt. Die gruseligen Miniaturen und das Setting kamen stimmungsvoll gut rüber. Trotzdem fühlten sich die Spielzüge am Ende doch viel nach “Schema-F” an. Dazu kam, das die Helden (= Menschen) recht heftige Waffe besaßen, die es beiden Kultisten äußert schwer gemacht haben zu Punkten. Und ich muss es wissen, da ich einer der Verräter war.

Mein Charakter ist den okkulten Mythen etwas zu sehr verfallen und zum Kultisten mutiert.

Was bleibt übrig: ich bin froh ein weiteres Spiel meiner oben genannten Top-10-Liste abgearbeitet zu haben. Die Erstrunde hat Spaß gemacht und ich würde auch jederzeit wieder mitspielen. Im eigenen Regal wird es aber wohl nicht landen. Ich warte auf die Chance Nemesis anzuspielen oder doch endlich mal Freiwillige für Human Punishment: The Beginning. Jetzt bin ich schon sehr gespannt, was Chris sich für den April herausgenommen hat.


Chris’ Spiel

Wie Horst’s Spiel des Monats hat auch mein Spiel etwas mit dem Spielbrett Hildesheim zu tun. Ich konnte dort ein echtes Schnäppchen machen und endlich Kyoto zu meiner Sammlung hinzufügen.

Das Spiel thematisiert eines der größten Probleme unserer Zeit, den Klimawandel. Nicht jedoch mit erhobenem Finger, sondern indem die Spieler*innen in die Rolle der Entscheidungsträger auf der Kyoto-Konferenz von 1997 schlüpfen.

Damals wurden in Japan erstmals verbindliche Zielwerte für den Ausstoß von Treibhausgasen festgelegt und wir sind nun die Delegierten aus verschiedenen Ländern. Es stehen mehrere Verhandlungsrunden auf dem Programm in denen die Spielenden in Echtzeit gemeinsam versuchen Reduktionsziele zu erreichen und die benötigte Finanzierung bereitzustellen, um eine Studie mit negativen Auswirkungen abzuwenden. Jedes Land verfolgt aber geheim auch eigene Ziele und man möchte am Ende des Spiels noch möglichst viel Geld über und nicht alles in den gemeinsamen Umweltfond investiert haben.

Wenn alle Studien abgehandelt sind, oder der Schaden an der Erde zu schwerwiegend ist, weil einer der drei Faktoren Biodiversität, Luftqualität und Temperatur einen kritischen Wert erreicht hat, endet die Konferenz und die Endwertung beginnt. Endet das Spiel aufgrund eines kritischen Faktors verfrüht, wird der bis hier führende Spieler übrigens aus der Wertung gestrichen. Das finde ich sehr clever gelöst! Dieser Mechanismus sorgt dafür, dass unkooperative Spieler so einfach keine Chance haben. Kyoto ist eine Gratwanderung auf der einen Seite gerade das Nötigste zu tun, damit der Planet Erde nicht vor die Wand gefahren wird und auf der anderen Seite sein eigenes Land bestmöglichst dastehen zu lassen. Wie im echten Leben eben…

Neben dem Thema hat mir besonders die Verhandlungsphase gefallen. In gerade mal 90 Sekunden geht es zur Sache, Verhandlung und Bestechung sind kaum Grenzen gesetzt. Die Spielenden müssen mit den eigenen, limitierten Handkarten CO2-Ziele erreichen und Geld in den Umweltfonds beisteuern und bis auf “Was liegt, das liegt” gibt es keine Regeln. In der ersten Partie haben wir noch brav Runde für Runde zusammengearbeitet, aber ab der zweiten Partie verfolgte jeder Person vorrangig die eigenen Ziele.

Negativ aufgefallen sind hingegen die Studien-Karten. Bereits nach wenigen Runden (teilweise noch im selben Spiel) wiederholen sich diese. Hier wäre ein bisschen mehr Abwechslung angebracht gewesen.

Insgesamt bekommt man ein kleines, aber feines Bestechungs- und Verhandlungsspiel, was ganz wunderbar deutlich macht, wieso der Kampf gegen die Klimakrise so abläuft wie er abläuft. Ich freue mich immer wieder, wenn Spiele ein Thema so gekonnt aufgreifen!


Fotos: analog rockt, Pegasus Spiele

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Thematische, narrative und verzahnte Spiele ... hier geht mein Herz auf. Dazu eine stimmige Vinyl-Schallplatte (oder Playlist) und los geht das Abtauchen in die Spielwelt. Als Spielleiter und Spieler kann ich mich auch vortrefflich in Pen-und-Paper-Welten tummeln. Bei Videospielen bin ich raus. Ist mir meist zu schwer (einzige Ausnahme: Super Mario Kart).

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