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analog rockt Brettspielrezensionen

KI und wie sie unser Hobby verändert

Der Artikel wurde von Björn, Bill and Horst geschrieben. 23 Minuten Lesezeit

Künstliche Intelligenz? Die ist heutzutage überall. In den Nachrichten, in deiner Spotify-Playlist, im Staubsaugerroboter… und jetzt – halte dich fest – auch bei uns am Brettspieltisch.

Wo stehen wir also gerade?

Mitten im Umbruch!
Und zwar nicht in so einem sanften „Oh, wie spannend, Veränderung“-Umbruch, sondern eher in so einem „Warum brennt der Kickstarter-Kommentarbereich schon wieder?!“-Umbruch. KI wird immer öfter genutzt, um Inhalte für Brettspiele zu generieren – allen voran das große, glänzende Aushängeschild: die Artworks! Die Verpackung ist schließlich das Tinder-Profil eines Brettspiels – wenn das Cover nicht knallt, wird geswiped. Und genau da kommt die KI ins Spiel: schnell, billig und auf Knopfdruck.

Und mal ehrlich: Illustrationen sind teuer. Richtig teuer. Da fliegen schnell mal 50 bis 1000 Euro pro Bild aus dem Geldbeutel – und wer schon mal ein Spiel mit 300 Karten gesehen hat, kann sich denken: Das war nicht günstig. Nicht jeder kennt zufällig einen talentierten Illustrator, der Zeit hat, einen passenden Stil hat, unterbezahlt arbeiten will und dabei noch lächelt. Da liegt die KI natürlich nahe – schneller Output, keine Nachtschichten, keine Deadlines, keine Kaffeepausen. Einfach Prompt rein, Bild raus.

Und dann noch die klassischen Missverständnisse, wenn du versuchst dem Künstler deine Vision zu erklären. Zwischen „Ich hätte gerne ein Drachenbaby, das niedlich aber gleichzeitig gefährlich aussieht“ und „Hier ist dein sehr realistischer, blutverschmierter Dino mit rosa Mütze“. Steht deine enttäuschte Erwartungshaltung. KI hingegen sagt: „Kein Problem, Brudi, ich spuck dir vier neue Versionen aus, bevor du dein Müsli aufgegessen hast.“

Ist das ein Problem?

Nun ja – kommt drauf an, wen du fragst. Die Brettspiel-Bubble jedenfalls reagiert bei KI-Art wie ein mittelalterlicher Mob bei der Erwähnung von Hexerei. Spiele werden auf Plattformen wie BoardGameGeek gnadenlos abgestraft, sobald auch nur der Verdacht aufkommt: „Da war KI am Werk!“ Zack, Wertung: 1. Ungeachtet dessen, ob das Spiel an sich gut oder schlecht ist.

Ein Beispiel? Syncanite Foundation. Vom Autor Timon über Jahre liebevoll zusammengeklöppelt mit KI-Artworks angereichert und per Hand nachbearbeitet. Die Weltkarte wurde aus vielen einzelnen KI Bildern zusammengesetzt – wie ein Puzzle für Menschen mit Geduld und Photoshop. Ja, man erkennt den KI-Stil, durch die generische Bildkomposition auf den Karten – aber hey – es wirkt zumindest stimmig und sieht gut aus. Ich persönlich finde: Das Spiel funktioniert super. Und ohne KI wäre es vielleicht gar nicht erst erschienen. Ich hab sogar Werbung dafür gemacht – so gut fand ich’s! Die Reaktion „Das Spiel hat doch KI-Bilder. Sowas unterstützte ich nicht.“ Autsch.

BTW – Der Late Pledge sollte bald starten. Schau doch mal rein – Ein fabelhaftes Spiel. Werde ich demnächst auch mal was drüber schreiben.

Syncanite Foundation

Noch turbulenter wurde es bei Foxpaw, einer Hommage an Harry Potter. Vielleicht alles, aber zumindest vieles KI-generiert – was erstmal kein Weltuntergang wäre, wenn man es denn offen gesagt hätte. Stattdessen: Abstreiten, verschleiern, vertuschen. Die Brettspiel-Community? Kennt bei Unehrlichkeit keinen Spaß. Das Spiel? Jetzt bei einem traurigen 3.6er BGG Rating, trotz eigentlich solider Qualität und erfolgreicher Gamefound-Kampagne mit rund 380.000 Euro. Wer weiß, wo das ohne den KI-Shitstorm gelandet wäre?

Godot Games hat sich da keinen Gefallen getan. Sie behaupten, mit vielen Künstlern zusammengearbeitet zu haben, doch nach dem Chaos glaubt ihnen das kaum noch jemand. Threads gespammt, Hotness-Listen gekapert, den eigenen Künstler vor den Kopf gestoßen – das Vertrauen ist dahin. Und das ist das wirklich Bittere: Die ehrlichen Künstler, die vielleicht wirklich mitgewirkt haben, leiden dann auch mit drunter.

Ein weiteres Beispiel ist die Kampagne Rise of Myth: Cthulhu vom spanischen Studio Synergic Games. Die haben ganz brav gesagt: „Joa, da steckt KI drin.“ Natürlich mit ordentlich Zuckerguss drumrum. So in etwa: „Wir haben GANZ viel selbst gemacht! Da arbeiten GANZ viele Leute mit! Die KI war quasi nur zum Halten der Kaffeetassen da!“ – Man konnte fast hören, wie der Lovecraft-Gott selbst leise mit den Tentakeln klatscht.

Klar, ein paar Kommentare waren kritisch – das Internet wäre ja nicht das Internet, wenn nicht irgendwo jemand empört mit dem Finger wedelt – aber der Shitstorm blieb überraschend überschaubar. Ganz anders als bei Foxpaw, wo man schon Sandsäcke brauchte, um sich gegen in Rage geratene Kommentare zu verteidigen.

Was man jedenfalls sagen kann: KI-Art zieht Aufmerksamkeit, Meistens nicht die gemütlich-nette Sorte mit einem Stück Kuchen, sondern eher die, bei der jemand ein Megafon in die Hand nimmt und „Betrug!“ ruft, während er deine Meeple anzündet. Es scheint allerdings enorm zu helfen das Thema ehrlich zu kommunizieren.

Ehrlichkeit ist aber beim Thema KI auch kein Allheilmittel mit magischer Rüstung gegen Internetkritik.

Ein Blick hinter die Kulissen

Spieleentwicklung zwischen Traum und Budget

So, Freunde der gepflegten Brettspielunterhaltung – jetzt mal Schluss mit der Konsumentenperspektive und rein in die schwitzige Haut derjenigen, die sich diesen ganzen Spaß ausdenken. Lasst uns mal die Seite wechseln: Willkommen auf der anderen Seite des Spielbretts – bei den Entwicklern.

Die Realität: Die meisten Brettspiele entstehen nicht in riesigen Glaspalästen mit Designer-Lounges, sondern von Leuten wie uns – Solo-Entwickler oder Mini-Teams mit großen Ideen und sehr kleinen Kontoständen. Von Leuten, die nachts um drei aufschrecken und rufen: „Was, wenn die Spielmechanik auf Zeitreisen basiert UND ALLE SPIELER SIND PFLANZEN?!
Ja, so entstehen unsere Herzensprojekte.

Dann kam Kickstarter. Halleluja, was für ein Segen! Endlich konnte man seinen Traum finanzieren, ohne zuerst den Familienschmuck zu verpfänden oder sich von der Monopoly-Bank Geld zu leihen. Unzählige Spiele sind nur deshalb Wirklichkeit geworden, weil Menschen an die Idee geglaubt und Geld reingeworfen haben – freiwillig! (Die düsteren Seiten von Crowdfunding sind aber wieder ein anderes Kapitel.)

Doch dann kam Corona und der Wahnsinn begann.

Plötzlich explodierten Produktionspreise, Papier wurde kostbarer als Gold.

Und Versandkosten? Die lachen dich heute aus dem Raum. Ein Paket nach Übersee zu schicken, fühlt sich an wie ein kleiner Privatimport von Marsgestein. Ganz zu schweigen von den momentanen Zollproblemen – Da sind aktuell Entwickler in völliger Panik, weil ihre Spiele schon auf dem Weg über den Ozean sind – und plötzlich verlangt irgendwer Gebühren, die vorher kein Mensch (und keine KI) eingeplant hat.

Natürlich hängen daran auch Existenzen. Kleine Studios, für die ein schiefgelaufener Versand oder unvorhergesehene Gebühren eben nicht nur ein bisschen lästig ist, sondern potenziell das ganze Projekt in den Abgrund reißen kann. Und nein, es gibt keinen Notfallknopf mit der Aufschrift „Bitte günstiger machen“.

Also steht man da, mit seiner genialen Spielidee und der Frage: Wie zur Hölle bringe ich das auf den Markt, ohne dass das Endprodukt so teuer wird wie ein Kleinwagen?

Option A: Man reduziert das Material. Kleinere Spielpläne, weniger Karten, vielleicht nur ein Würfel statt zwölf. Geht – aber das kratzt oft an der eigenen Vision. Das Spiel fühlt sich plötzlich nicht mehr wie „mein Baby“ an, sondern wie „Das Baby vom Postboten“.

Option B: Man spart bei der Qualität. Keine Holzmarker, kein Leinenfinish, keine dicken Boxen. Aber dann sieht das Spiel schnell aus wie ein Werbegeschenk aus der Grabbelkiste – und optische Wertigkeit ist im heutigen Brettspielmarkt eben keine Kleinigkeit.

Und dann kommt Option C: Illustrationen per KI generieren. Illustrationen sind teuer. RICHTIG teuer. Und nicht: „Ich gönn mir mal was“-teuer, sondern: „Ich verkaufe mein Auto und frage meine Oma nach ihrem ersparten“-teuer. Wenn du ein Spiel mit 200 Karten hast und jedes Bild kostet im Schnitt 200 €, dann kannst du dir ausrechnen, warum Indie-Entwickler oft wie Zombies aussehen. Und das Schlimmste: Diese Kosten hast du VOR dem Crowdfunding. Also VOR dem Moment, an dem du überhaupt weißt, ob das Ding jemand will. Wenn’s floppt, hast du vielleicht 15.000 € in Artworks gebuttert – für nichts.

Da ist KI natürlich verlockend. Prompt rein, Bild raus, nächste Karte, weiter geht’s. Kein ewiges Briefing, kein Warten auf Feedback, keine nervösen Nächte, ob der Illustrator nicht doch lieber auf Bali auswandert, bevor er deine Druidin fertig zeichnet. (Ich warte heute noch.)

Natürlich gibt’s die Idee: „Ich nehm KI nur für den Prototyp, später ersetz ich alles durch echte Kunst!“
Klingt super… außer für die Menschen, die deine Kickstarter-Seite anschauen und denken:
„Aha. Also hier seh ich KI-Bilder, aber am Ende soll’s was anderes werden? Und ich soll jetzt dafür zahlen? Klingt solide… nicht.“

Das ist das Problem: Transparenz ist gut. Aber Ungewissheit verkauft sich schlecht.
Niemand will ein Spiel unterstützen, bei dem man am Ende nicht weiß, wie es aussehen wird.

So sieht’s aus hinter den Kulissen. Zwischen genialen Ideen, Logistikpreise die schneller Steigen als der Bitcoin Kurs und schweißtreibender Existenzangst sucht man als Spieleentwickler nach der magischen Mischung aus Traumverwirklichung, Wirtschaftlichkeit – und einem Spiel, das nicht aussieht wie aus dem Tintenstrahldrucker von 1999.

„KI ist doch keine Arbeit!“

Ach, das ist schon fast ein Klassiker. Du sagst, deine Spielgrafiken sind KI-generiert – und zack, kommt garantiert jemand um die Ecke mit dem Satz: „Das ist doch keine richtige Arbeit. Du hast da einfach nur was eingegeben!

Klar. Und Pizza backt sich auch von selbst, wenn man einmal „Ofen auf 200 Grad“ sagt.

Wer schon mal versucht hat, mit KI ein brauchbares Bild zu erstellen – also nicht irgendein Wesen mit gebrochenem Arm und dem Gesichtsausdruck eines überfahrenen Waschbären – weiß: Einfach Prompt reinhauen und los geht’s, is nicht.

Sobald man mehr will als ein hübsches Zufallsbild fürs Handy-Wallpaper, wird’s kompliziert.
Denn: Wer ein Brettspiel macht, braucht Stil. Konsistenz und Charaktere, die auch im zweiten Bild noch dieselbe Augenfarbe haben. Denn Konsistenz ist für viele KIs ungefähr so zugänglich wie ein Zaubertrank-Rezept in Reimen. Du kannst nicht auf Karte 1 einen heroischen Krieger haben und auf Karte 2 dieselbe Figur, aber plötzlich mit sechs Armen, Ziegenbeinen und einem Schwert, das aussieht wie eine Brezel. (Außer… das ist der Stil. Dann, Respekt.)

Aber meistens will man doch etwas, das zusammenpasst. Und das bedeutet: Feintuning. Testbilder. Nochmal promten. Und nochmal. Und nochmal. Dann fällt dir auf: „Oh, das sieht eigentlich ganz gut aus… bis auf das dritte Ohr.“ Also rein ins Grafikprogramm. Wegretuschieren. Farben anpassen. Schatten korrigieren. Zack, sind drei Stunden weg. Für EIN Bild.

Und ja, die Einstiegshürden sind gefallen. Man braucht keinen überteuerten PC mehr und Menschenopfer sind auch nicht zwingend notwendig, aber der kreative Aufwand? Der steigt.
Denn je mehr Möglichkeiten du hast, desto mehr musst du auch wissen, was du eigentlich willst. Und wie du dahin kommst. Einfach auf „Generate“ drücken ist wie ein Affe mit einem Klavier: Vielleicht kommt was dabei raus – aber ein Saalfüllendes Konzert wird das wohl nicht.

Und dann gibt’s da noch das große Moralargument, das man in jedem Forum mindestens zehn Mal liest, vorzugsweise in ALL CAPS: „Aber die KI basiert doch auf menschlicher Kunst!!!“ (Ich habe hier aufgrund künstlerischer Freiheit auf All Caps verzichtet, aber stell es dir einfach so vor). Jupp, korrekt. Die KI hat sich ihre Inspiration nicht beim Spazierengehen geholt, sondern aus Millionen von Bildern – Fotos, Zeichnungen, Gemälden. Also aus dem, was Menschen mit echten Händen, echten Ideen und meistens echten Augen gemacht haben.

Aber: Die KI klaut nicht einfach. Sie lernt. (Also… auf eine creepy Statistik-Art.) Sie kopiert nicht das Bild vom Künstler XY, sondern versteht, dass Menschen zum Beispiel Augen meistens mit zwei Pupillen ausstatten. Und nicht mit drei auf der Stirn und einem auf dem Ellbogen. Das ist ein bisschen wie bei uns Menschen auch: Wir sehen etwas, merken uns, wie’s funktioniert, und dann kommt irgendwann was Eigenes dabei raus. Also im Bestfall.

Die KI imitiert, rekombiniert, basiert auf dem, was andere geschaffen haben – wie ein riesiger Remix. Aber sie versteht’s nicht. Sie fühlt nicht. Sie hat keinen inneren Kritiker, der sagt: „Hm, der Schatten sitzt nicht ganz, aber das hat dafür diesen emotionalen Unterton von tragischer Einsamkeit.“ Nee. Die KI sagt: „Dieses Pixel kommt dahin – Weil Statistik.

Und wehe, du willst etwas Spezielles. Gewalt? Nope. Nacktheit? Haha, vergiss es. Du brauchst eine Amazone mit barer Brust, die einem Tiger einen Speer in die Brust rammt? Tja, willkommen im Land der zensierten Träume. Da sagt die KI: „Sorry, ich kann dir stattdessen ein trauriges Einhorn vorm Sonnenuntergang malen. Deal?“ Die KI ist lieber übervorsichtig, als sich Ärger mit der Content-Polizei einzuhandeln. Und was würde die ganze Erotik-Industrie den tun, wenn jeder seine eigenen Wunschbilder und Filmchen machen würde?

Und wenn dann noch jemand kommt und sagt: „Ach, das ist doch gar keine richtige Kunst. Sieht ja eh alles gleich aus.“ Dann kannst du freundlich nicken – und ihm zehn Stunden deiner letzten Bildbearbeitung aufdrücken. Mal sehen, ob er dann noch so motiviert über „einfach nur einen Prompt eingeben“ spricht.

Und ja: Wer einfach nur schnell ein Bild braucht und es nicht so genau nimmt – der kann sicher auch mit dem ersten Treffer leben. Aber wer ein Projekt ernst meint – ein Spiel, ein Buch, eine Kampagne, irgendwas mit Anspruch – der merkt schnell: KI ist nicht die Abkürzung zur Faulheit, sondern ein neuer Weg voller Umleitungen, Sackgassen und Baustellen.

„Sie klauen unsere Jobs!“

Ja, ja. Der Lieblingsspruch jedes modernen Empörten, direkt aus der Abteilung Technik macht alles kaputt.

Und weißt du was? Ganz Unrecht haben sie nicht. Gerade wenn man Illustrator ist und sich nicht zufällig Beth Sobel nennt (die einfach mal alles gezeichnet hat, was man gerne im Wald, Wiese oder Wasser sammeln möchte) oder Andrew Bosley, dessen Werke so aussehen, als würde Disney direkt aus seinem Skizzenbuch klauen. Für viele andere? Tja… es ist hart.

Der Markt war schon vor der KI kein Ponyhof. Wenn du kein Star der Szene bist oder nicht zufällig bei Magic: The Gathering unter Vertrag stehst, dann hängst du halt im ewigen Freelancer-Karussell.

Da fragt man sich:
„Will jemand mein Talent, meine Zeit, meine Kunst?“
Und das Internet antwortet:
„Nö, danke. Ich hab ChatGPT und Midjourney.“

Na super.

Die großen Studios wie Awaken Realms leisten sich natürlich ein ganzes Team von Illustratoren, Art Directors und vermutlich auch ein paar Zauberern im Keller. Aber der Selbstverlag um die Ecke, der gerade zum dritten Mal seine Kickstarter-Ziele um fünf Euro verpasst hat? Der hat nicht das Budget für große Namen. Der hat das Budget für: „Ich kenne da einen Cousin, der hat mal was gezeichnet… oder wir probieren halt KI.“

Und das funktioniert. Schnell, günstig, gut genug – für viele Projekte eben verlockend. Und ja, das hat Folgen. Ich kenne selbst ein paar Künstlerinnen und Künstler, die mir sagen: „Die Anfragen werden weniger.“ Und das sind auch keine Anfänger in dem Bereich. Jetzt heißt es: Prompt ist schneller als Pinsel.

Aber… jetzt mal ehrlich: Warum ist ausgerechnet im Brettspielbereich plötzlich so viel Alarm?

Ich mein, schauen wir uns mal um: Brettspielläden (Und andere Läden auch) sterben, weil Onlineshops schneller liefert und kein Ladenschluss kennt. (Ich selbst hab mal in so einem Laden gearbeitet – bis er schließen musste. Tja, danke Jeff.)

Das Papier für unsere Spiele wird auch nicht mehr von einer alten Dame im Schwarzwald von Hand geschöpft – da steht eine Maschine, die in der Minute mehr Papier ausspuckt als ich in der Woche Worte.

Und keiner rennt mehr mit einer Fackel durch die Straßen, um die Laternen anzumachen – auch wenn ich diesen Job sofort nehmen würde, ehrlich gesagt. Fortschritt ist überall. Und immer hat er Menschen ersetzt – und gleichzeitig neue Jobs geschaffen. Prompt engineer anyone?

Und mal ehrlich: Diese Entwicklung kam nicht über Nacht. Photoshop, Procreate, Krita – digitale Tools haben schon seit Jahren den Zeichenprozess verändert. Die wenigsten Künstler sitzen noch mit Pinsel und Leinwand im Atelier und malen 10 Stunden an einer Karte.
Stattdessen: Ebenen, Stempel, Smudge-Tool, Texturen.
Willst du Blätter im Baum? Stamp.
Willst du einen Busch im Hintergrund? Copy, Paste, danke Wald-Paket Nr. 27.

Also wenn wir jetzt sagen: „KI ist verwerflich, weil sie nicht alles mit der Hand macht“, müssten wir eigentlich auch sagen: „Sorry, Photoshop ist auch böse. Wieder her mit Tusche und Schmierpapier!

Aber so läuft’s halt nicht. Wir leben in einer Zeit, in der Technik ständig weiterzieht – manchmal zieht sie einen mit, manchmal überrollt sie einen wie die Regeln von Europa Universalis. Ja, der Wandel tut weh. Vor allem, wenn man davon betroffen ist. Aber ihn aufzuhalten? Funktioniert ungefähr so gut wie zu versuchen, wie den Shinkansen mit einer Dampflok zu überholen.

„Stirbt die Kreativität nicht durch diese Seelenlose Kunst?“

Und ganz ehrlich – irgendwo zwischen Stirnrunzeln und Doppelklick auf „Generate“ stellt sich diese Frage auch jeder von uns mal.

Aber bevor wir hier in tiefphilosophische Gewässer eintauchen und uns mit Platon, Kant und irgendwelchen TikTok-Gurus um Begriffe wie „Seele“ und „Schöpfungskraft“ prügeln: Ich mach’s kurz.
KI hat keine Seele. Kein Bauchgefühl. Kein kreatives Ego, das nachts schweißgebadet aufwacht. Eine KI macht einfach nur… was man ihr sagt. Wie ein sehr strebsamer Azubi ohne Persönlichkeit, aber mit unendlicher Arbeitsmoral und verdammt schnellem Zeichentempo.

Aber: vor dem Bildschirm sitzt immer noch ein Mensch. Ein echter, lebender, möglicherweise sogar gutaussehender Mensch mit Ideen, Visionen und dem dringenden Wunsch, dass der „Pinguinpaladin mit Parmesanreibe im Pestowald“ bitte endlich mal richtig aussieht.

Aus Spaß an der Freud ist hier das Ergebnis:

Und dieser Mensch – der ist immer noch der kreative Kopf. Die KI ist nur das verlängerte Grafiktablett mit Turboantrieb.

Was fällt also weg?
Der Part des Künstlers, der das Ganze interpretiert, mit Emotion, Stil, künstlerischem Feingefühl – und der Fähigkeit, aus „mach mal bedrohlich, aber süß“ tatsächlich etwas zu zaubern, das nach beidem gleichzeitig aussieht.

Wer schon mal mit einem echten Illustrator zusammengearbeitet hat, weiß: Es ist ein Kunststück für sich, die Bilder im eigenen Kopf in Worte zu fassen. Und wer Künstler ist wird sich bei jeder Beschreibung sicher immer denken „Aha… Ich hab drei Jahre Kunsthochschule gemacht, und der kommt mit diesem Scheiß?!

Dann kommen erste Entwürfe. Und du merkst:
Nee, das ist’s nicht. Also irgendwie schon. Aber auch irgendwie… nicht.
Also Feedback und nochmal.
Bis einer von beiden kurz davor ist, nur noch in Kritzeleien zu kommunizieren.

Bei der KI läuft’s anders:
Du gibst deinen Prompt ein. Es kommt was raus.
Du denkst: „Hm. Fast.“
Also promptest du nochmal. Und nochmal.
Und irgendwann… ist es da. Das perfekte Bild. Das, was du dir vorgestellt hast – oder sogar besser. Also vielleicht.

Und das, werte Leserschaft, ist auch ein kreativer Prozess.
Nicht mit Pinsel, sondern mit Ideen, Geduld, Ausdauer – und ja, manchmal auch einer ganzen Menge Fluchen. Aber du führst die Regie. Du entscheidest, was bleibt, was verworfen wird, was bearbeitet werden muss. Du formst aus Pixeln eine Vision.

Also nein, die Kreativität stirbt nicht. Sie zieht nur von der WG in ein Einzelzimmer.

KI abseits der Kunst

Oder: Wenn dein Spielleiter plötzlich ein Algorithmus ist

Also wer denkt, KI kann nur hübsche malen, der hat wohl noch nie ein digital unterstütztes Brettspiel gespielt. Einige Brettspiele nutzen Apps oder Technik und hier sitzt eben auch eine KI… leise in deinem Tablet. Und verwaltet dein ganzes Spiel.

Ein aktuelles Beispiel ist: Teburu. Nicht zu verwechseln mit „Tabbouleh“, das ist ein Salat. (Ja beim googlen und vertippen lernt man ab und an auch noch was fürs Leben). Teburu ist ein analog-digitales Hybrid-Brettspiel-System, bei dem KI und App deinen gesamten Spielkram managen – also quasi der Butler fürs Spielerlebnis. „Oh, der Luchador hat drei Schaden genommen? Kein Problem, Sir, ich hab’s bereits vermerkt. Möchten Sie noch eine Hintergrundmusik dazu? Ach ne, die geht grad nicht.

Und das ist eigentlich gar nicht so neu. Schon Descent: Legenden der Finsternis oder Destinies haben uns gezeigt, dass man eine epische Story erleben kann, ohne dass einer aus der Gruppe geopfert werden muss, um Buchhalter zu spielen.

Und ganz ehrlich – Das ist manchmal echt Gold wert. Keine Diskussionen mehr darüber, ob jemand seine Aktionspunkte korrekt gezählt hat oder ob die Monster in Runde 4 jetzt einen Bonus kriegen, weil der Mond günstig steht und jemand auf ein violettes Feld getreten ist.

Du baust also ganz klassisch dein Spiel auf: Miniaturen, Token, Spielplan – alles wie früher.
Aber statt dass du zwischendurch die Spielanleitung durchblätterst sagt dir eine App was so geht.
Mach das. Jetzt das. Oh, und ein wütender Foren-Troll greift dich an. Viel Spaß!

KI wird hier also nicht zum Picasso, sondern zum unsichtbaren Spielleiter mit Fotogedächtnis und hoffentlich langer Akku-Dauer. Sie merkt sich alles, meckert nicht, isst keine Snacks weg und sabotiert auch nicht heimlich die Runde, weil sie in der vorherigen Partie Letzter war (du hast bestimmt auch so einen in deiner Runde und weißt wer gemeint ist).

Natürlich hat das auch seine Schattenseiten.
Manche vermissen das händische, rustikale Spielgefühl – das gute alte „Werte merken, mit Bleistift durchstreichen, Regel X auf Seite 17 nachlesen und vergessen, wo man war“.
Aber andere sagen: „Endlich kann ich mich aufs Spielen konzentrieren.

Bis die unterstützende Technik allerdings reibungslos funktioniert wird es wohl noch ein Weilchen dauern.


Fazit von Björn

Also, wo stehen wir jetzt, nach dieser kleinen KI-Odyssee durch die Welt der Brettspiele?

Nun, erstmal: KI ist da.
Nicht im Sinne von „Oh Gott, sie kommt!“ – nein, sie steht schon längst mitten im Raum, hält deinen Regelentwurf in der Hand, isst deine Chips und sagt:
Cooles Projekt. Soll ich dir die Illustrationen machen oder gleich auch die Regeln mit verwalten?

Ob man das jetzt liebt, hasst oder mit skeptisch hochgezogener Augenbraue betrachtet, ändert nichts daran: Die Spiele verändert sich. Oder besser gesagt: die Spielentwicklung.

Denn ja – Illustrationen kosten Geld. Viel Geld.
Und KI ist da plötzlich wie dieser dubiose Typ auf dem Flohmarkt, der sagt:
Ey, ich mach’s dir für ’nen Zehner. Schneller als jeder Künstler. Und ohne, dass du mir erklären musst, was ein Steinschleuderakrobatenrucksack mit grüner Hanussenschleife überhaupt ist.“
Wenn sich wer fragt wie sich die KI eine grüne Hanussenschleife vorstellt – Hier:

KI ist schnell.
Sie ist günstig.
Und sie hat sehr seltsame Vorstellungen davon, wie viele Finger ein Mensch haben sollte.

Aber sie ist eben nicht „die große kreative Vernichtungsmaschine“, als die sie oft verteufelt wird.
Sie ersetzt nicht die Leidenschaft, die Kunst, das Stilgefühl – sie verändert nur, wie wir kreativ arbeiten.
Die Seele der Spiele kommt immer noch von Menschen. Von denen, die sich nachts fragen:
Was, wenn alle Spieler doch keine Pflanzen, SONDERN STEINE MIT JETPACKS SIND!?
Und dann daraus eine Kickstarter-Kampagne basteln.
Ob das Bild dazu nun von Pinsel oder Prompt kommt – am Ende ist es immer der Mensch, der die Vision hat.

Klar, es ist nicht alles rosig. Illustratoren kämpfen. Künstler verlieren Jobs. Aber sind das neue Probleme? Nicht wirklich. Technik war schon immer ein zweischneidiges Schwert – sie nimmt, sie gibt, und sie nervt zwischendurch auch einfach mal. So wie dieser eine Typ, der nicht mitspielen will, aber trotzdem alles kommentiert.

Und hey – selbst wenn wir später sagen „KI hat die Brettspielwelt verändert“ – dann wird das wahrscheinlich immer noch mit Würfeln, Kreativität, Snacks und einer ordentlichen Portion Herz geschehen. Und das, liebe Leute, ist doch genau das, was unser Hobby ausmacht.

Vielleicht halt nur zusätzlich mit einer App, die das Licht dimmt, wenn wir den Dungeon betreten.

P.S. Eines ist sicher: Crowdfunding bleibt gleich. Man weiß nie genau, ob man ein Meisterwerk oder einen glorifizierten Pappdeckel bekommt – mit oder ohne KI.


Fazit von Bill

Inhaltlich trifft Björn innerhalb meines persönlichen Erlebnishorizonts ziemlich genau meine Meinung zu diesem Thema. Gerade was Apps im Brettspiel (wenn gut gemacht) und die Möglichkeit der Verwaltung und der Narrativen angeht, bin ich leicht zu begeistern.

Und ebenso halte ich KI-Art, gerade für die kleineren Spieleverlage für ein adäquates Werkzeug, wenn es mit Liebe zum Detail gemacht wird und nicht nur irgendein generischer Müll erstellt worden ist. Verwerflich finde ich große Verlage, die im großen Stil darauf zurück greifen und es nichtmal für nötig halten das mit ihren Kunden zu kommunizieren.

Ich bin mir jedoch genau wie Björn ziemlich sicher, dass die Technik nicht aufzuhalten sein wird und ich glaube, dass in ein paar Jahren immer weniger darüber gesprochen wird, da es mittlerweile eine Normalität geworden ist, die wir zu schätzen gelernt haben – Egal ob als App im Spiel oder der Kunst auf Karten, im Regelwerk, Der inkludierten App (!) oder dem Spielecover.


Fazit von Horst

Habt ihr auch schon über die Ausführungen oben gelacht und noch Luft zum Weiterlesen? Ich arbeite beruflich viel mit KI und ja, sie wird die Arbeitswelt verändern. Nicht alles wird gut sein und nicht alles wird schlecht sein. Schon heute müssen wir uns mit KI-Ethik auseinandersetzen. Das selbstfahrende Auto will angelernt werden. Und im Krisenfall: wenn soll es umfahren? Die alte Dame oder das Kind?

Und wir reden gerade über nutzen wir den – wie Björn sehr gut ausgeführt hat – den guten Prompter oder die Illustratoren? Ihr findet das der Vergleich hinkt? Ja vielleicht. Aber der Chirurg soll nicht vom Roboter unterstützt werden? Oder ihr möchtet nicht, dass der vor Ort ansässige Facharzt bei eurem kranken Kind nicht auch ChatGPT zu rate zieht und vielleicht eine andere Handlungsalternative angeboten bekommt? Ihr habt eure Fotos in der Bildergalerie noch nie nach einem Stichwort befragt? Ihr nutzt kein OCR für eingescannte Dokumente? Kein Zwang.

Ich haue es mal raus: Ich finde KI gut! Die Regelhefte lade ich nach Notebook ML und frage die KI, wie der Startaufbau funktioniert oder wenn am Tisch die Sonderfrage x zu Aktion y auftaucht. Geil! Ich freue mich über jedes neue Spiel, dass heraus kommen kann und ich freue mich wenn das ethische Dilemma mit der Oma und dem Kind gelöst wird. Mir tun die Illustratoren auch Leid. Keine Frage. Aber verteufel ich dafür Spiele mit KI? Wer weiß, ob nicht auch die Spielbalance (hoffentlich) mit KI getestet wurde, so dass ich in den Genuss eines noch besseren Spiels komme. Ich kann es meiner Meinung nach nicht auf der einen Seite verfluchen und auf der anderen Seite abfeiern. Also kann man natürlich machen, aber was bringt es. Klar, wenn ich Spiele-Designer wäre, würde ich es auch auf den Karton schreiben. Wahrscheinlich aufgrund der vielen negativen Kritiken eher klein und vielleicht in hellgrau auf weiß mit langer Erklärung warum und wieso.

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Am liebsten verliere ich mich in Kampagnenspielen mit Story, Drama und am besten noch moralischen Entscheidungen, die mich nachts wachhalten. Weil was ist schon Entspannung, wenn man auch Existenzkrisen simulieren kann?

Abseits von Kampagnen mag ich´s knackig: Leichte Spiele sind okay, aber mein Herz schlägt für Kenner- und Expertenspiele bei denen das Gehirn nicht einfach nur mitmacht, sondern sich zwischendurch abmeldet und Urlaub beantragt.

Aber: Ich bin auch nur ein Mensch. Wenn das Thema stimmt und die Optik knallt, bin ich sofort verzaubert. Mein Motto? "Theme is King!" – Und ich bin sein loyaler Untertan.

Narrativ und Kampagne sind schonmal zwei Dinge die mich in Brettspielen sehr frohlocken lassen. Aber mich macht eigentlich fast alles froh, wenn es thematisch gut gemacht ist und am besten noch mit tollen Illustrationen lockt. Ich Liebe dabei die schöne Gesellschaft am Spieltisch, der Sieg ist eher zweitrangig für mich. Zudem mag ich auch mal das eine- oder andere Videospiel und hierbei am liebsten gut gemachte Videospieladaptionen der mir geliebten Brettspiele.

Thematische, narrative und verzahnte Spiele ... hier geht mein Herz auf. Dazu eine stimmige Vinyl-Schallplatte (oder Playlist) und los geht das Abtauchen in die Spielwelt. Als Spielleiter und Spieler kann ich mich auch vortrefflich in Pen-und-Paper-Welten tummeln. Bei Videospielen bin ich raus. Ist mir meist zu schwer (einzige Ausnahme: Super Mario Kart).

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3 replies on “KI und wie sie unser Hobby verändert”

  1. Share

    Florian says:

    Danke für diesen Text.
    Es ist gerade für kleine Projekte echt schwer. Da bastelt man Prototypen, testet, ändert, bastelt neu… Jahrelang.
    Auch in die Grafik fließt viel Geheimschmalz und Zeit, an einzelnen Bildern sitzt man trotz KI stundenlang.
    Aber all das ist vielen egal, weil KI = böse.
    Ich bin über jede Rezension meines Spiels MordsStory sehr dankbar, aber auch immer erstaunt wie viele Türen mir wegen der KI vor der Nase zugeschlagen wurden.
    Also danke für euren Text!

    1. Share

      Horst says:

      Hallo Florian,
      das klingt wirklich frustrierend. Ich wünsche dir viel Erfolg für dein Projekt und lass dich nicht unterkriegen!
      Beste Grüße
      Horst

      1. Share

        Florian says:

        Danke. Das Spiel ist ja immerhin veröffentlicht. Was ein riesen Erfolg für mich ist. Aber Auslandslizenzen sind schwer und viele Rezensentinnen tun sich auch sehr schwer oder sind direkt ablehnend.
        Tja nächstes Spiel dann mit menschlicher Grafik, was die Hürde aber höher legt.

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