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analog rockt Brettspielrezensionen

Plutocracy

Der Artikel wurde von Horst geschrieben. 14 Minuten Lesezeit

Pluto wurde 1930 entdeckt und war bis 2006 einer der neun Planeten unseres Sonnensystems. Pluto ist übrigens in Relation gesehen nur eine winzige Kugel aus Gestein und Eis. Bei der Entdeckung konnte man die Größe nicht genau abschätzen. Erst 2006 wurde klar, dass Pluto nur die Hälfte unseres Mondes umfasst und wurde daher degradiert. Auf YouTube gibt es dazu ein recht unterhaltsames und kurzweiliges Video. Der kleine Trabant braucht auf seiner elliptischen Umlaufbahn knapp 248 Jahre, um die Sonne zu umrunden.

Aliens auf dem Asteroiden … können gerettet und zu wissenschaftlichen “Zwecken” der Erde übergeben werden.

Claudio Bierig der Autor von dem bei Doppeldenkspiele erschienen Plutocracy verleiht Pluto beziehungsweise dem Plutokratischen Rat eine neue Macht zurück. Wobei Plutokratie nichts mit dem Pluto zu tun hat, sondern eine elitäre Klassengesellschaft beschreibt, deren Macht auf ihrem finanziellen Wohlstand basiert.

Zeitleisten, Fliegen, rotierende Planeten und Dinge hin und her transportieren. Aber wann mache ich was. Fliege ich jetzt schon zum Mars, um meine Ressourcen teuer zu verkaufen. Hm, die Erde ist gerade näher dran und ich könnte mir als erster die begehrten Sitze im Plutokratischen Rat schnappen. Oh, das Alien – gestrandet auf einem Asteroiden – stürzt bald in die Sonne. Das könnte ich noch schnell retten. Moment hatte ich eben nicht noch einen ganz anderen Plan?

Steckbrief

  • Art: kompetitiv
  • Genre: Kennerspiel
  • Kern-Mechaniken: Pick-up-and-Delivery, Ressourcen-management, Racing
  • Spielname: Plutocracy
  • Verlag: Doppeldenkspiele
  • Erstveröffentlichung: 2022
  • Autor: Claudio Bierig
  • Illustration: Shaahin Mohammadi
  • Alter: ab 12 Jahren
  • Spieler*innen: 2 – 4
  • Dauer: 60 – 90 Minuten

Über das Spiel

In dem parallel erschienen Interview mit Simon und Claudio von Doppeldenkspiele hätte es Simon nicht passender zusammenfassen können, worum es in Plutocracy geht: „Zeitleisten, Fliegen, rotierende Planeten und halt Sachen hin und her transportieren“. Diese einfache Beschreibung kann ganz schön die Köpfe zum Rauchen bringen.

Spielprinzip

Die wichtigsten Planeten bei Plutocracy.

Ziel des Spiels ist es die meisten Ratsmitglieder im Plutokratischen Rat zu platzieren. Dazu gibt es ein großes Spielfeld, dass unser Sonnensystem vereinfacht darstellt. Die relevantesten Planeten Mars, Saturn, Neptun, Uranus, Jupiter und die Erde sind als eigenständige Planeten-Steine auf dem Spielplan abgebildet. Für jeden genannten Planeten gibt es eine eigene Umlaufbahn. Nach einer festgelegten Zeiteinheit bewegen sich die Planeten um die Sonne herum und verändern dadurch ihre Position zueinander. Das ist wichtig, da der Hauptteil des Spieles die Reise zwischen den Planeten ausmacht. Bis auf der Erde sind auf den fünf genannten Planeten unterschiedliche Rohstoffe nachgefragt beziehungsweise im Überfluss vorhanden. Die Spielenden versuchen auf dem einen Planeten günstig Ressourcen zu kaufen und diese dann auf einem anderen Planeten teuer zu verkaufen.

Wasser-Mangel und Carbon-Überschuß auf dem Neptun.

Auf jedem Planeten kann man sich Sitze im jeweiligen Planetenrat erkaufen. Dabei steigen die Kosten je weiteren Ratsplatz recht schnell an. In regelmäßigen Abständen werden Wahlen abgehalten. Wer zu diesem Zeitpunkt die Ratshoheit je Planet besitzt, darf seine ersten Siegpunkte in dem Plutokratischen Rat ablegen. Bei gleicher Ratsanzahl auf dem Planet gewinnt übrigens immer der zu letzt dazugekommene Spielende. Auf der einen Seite will man also schnell einen Ratsplatz auf den Planeten ergattern, aber möglichst erst dann, wenn die anderen Spiellenden möglichst weit weg sind.

Die Erde und ihre vier zu ergatternden Punkte für den Plutokratischen Rat.

Der Erde hat eine Sonderstellung. Hier lassen sich keine Ressourcen kaufen oder verkaufen, aber hier werden die schnellsten Spielenden belohnt. In vier Disziplinen bekommt man bis zu drei Sitze im Plutokratischen Rat geschenkt. Zum Beispiel die Person mit mindestens drei unterschiedlichen Ressourcen an Bord oder wer bereits auf vier Planeten einen Ratsplatz ergattern konnte. Auf der Erde werden nur die beiden schnellsten Spielenden belohnt je Disziplin belohnt. Im Spiel zu Dritt oder Viert ein nicht zu vernachlässigender Faktor.

Das Spielfeld besteht aus Hexfeldern. Am Ende des eigenen Zuges muss das Raumschiff bewegt werden. Die Anzahl der bewegten Hexfelder (plus 2 stets für Start und Landung) geht man auf einer um das Spielfeld laufende Zeitleiste vor. Die Person am weitesten vorne ist so lange an der Reihe bis die vorletzte Person überholt wird und damit an der Reihe ist. Auf der Zeitleiste gibt es feste Punkte an denen sich die Planeten drehen, die Rohstoffpreise steigen respektive sinken oder die bereits angesprochene Wahlen stattfinden.

Die meisten Sitze im Plutokratischen Rat sichert den Sieg.

Frust oder Lust?

Keine Würfel, keine Karten, ablesbare für alle ersichtlichen Information und klare Positionen der Mitspielenden. Plutocracy kommt bis auf den Aufbau ohne Glückselemente aus. Daher kann also wild gerechnet, gezählt, taktiert und die Mitspielenden eingeschätzt werden. Je nach Grübel-Stimmung in der Gruppe können je Zug ein paar Minuten mehr verstreichen. Andererseits geht es meist um die optimale Route, den besten Handel oder einfach nur um als Erste*r irgendwo aufzuschlagen.

Ein Standardaufbau erleichtert insbesondere in der ersten Partie den Start. Von den jeweiligen Startpositionen aus können alle sofort einen anderen Planeten erreichen. Damit ist in der Regel der erste Handel möglich. Für einen höheren Wiederspielwert und mehr Dynamik sorgt der in der Anleitung genannte „zufällige Aufbau. Im bereits erwähnten Interview bekräftigen Claudio und Simon, dass es sich aus ihrer Sicht hierbei um den eigentlichen Spiel-Aufbau handelt.

Die Interaktion zwischen den Spielenden findet sowohl mittelbar als auch unmittelbar statt. Durch den Verkauf von Ressourcen, sind die Bedürfnisse gesättigt und der Preis fällt. Erreicht eine Person als zweites den Planeten mit vollem Frachtraum, kann man sich schon ärgern. Eine direkte Konfrontation bietet der Kauf eines Ratssitzes. In der Regel wird damit der andere Spielende sofort seiner Machtposition enthoben und für die kommende Wahl sind wieder neue und teurere Sitze notwendig.

Unboxing

Als ich bei meiner Recherche für die SPIEL ´22 auf Boardgamegeek die Preview-Liste durchgegangen bin, bin ich sofort beim Cover hängen geblieben. Es wirkte so geheimnisvoll und zog mich magisch in den Bann. Artwork und Design ist immer eine starke Geschmacksache. Bei kaum einem Spiel habe ich so unterschiedliche Meinung zu dem Spielbrett wahrgenommen. Es ist schlicht, lenkt nicht ab und lässt die Spielenden schnell in die Struktur hineinkommen. Es gibt durchaus Stimmen in den Testrunden, die es als zu bunt und zu wenig thematisch empfinden.

Die Regeln sind mit einer guten Prise Humor geschrieben und bieten ausreichend bebilderte Beispiele und darüber hinaus immer noch Platz für stimmungsvolle Flavour-Texte. Einzig bei den beiden Aufbau-Varianten hätte ich mir persönlich mehr Klarheit bezüglich „Einsteiger“ und „Fortgeschrittenem Aufbau“ gewünscht. Auf den ersten Blick wirkt der Standardaufbau, wie der präferierte Spielmodus.

Das blaue Unternehmen darf noch einen Zug machen bevor die Planeten sich weiter drehen.

Im Karton liegen zwei Regelhefte je eines in englischer und deutscher Sprache bei. Spielertableaus mit Aktionshilfe und Planeten liegen nur in englischer Sprache vor. Da genug Platz vorhanden ist, wäre hier eine bilinguale Lösung entsprechend schöner gewesen und wahrscheinlich mit kaum oder geringen Mehrkosten verbunden gewesen.

Die Materialien lassen ein gemischtes Bild zurück. Holzmarker und Pappschilder (unter anderem für Zeitleisten-Ereignisse) sind stabil und sehr wertig. Die Geld- und Ressourcen-Steine kennt man bereits aus Terraforming Mars mit den bekannten Schwächen, dass sich die Ecken mit der Zeit abnutzen. Die Tableaus der Spielenden bestehen nur aus etwas dickerem Papier. Die Steine können recht schnell darauf verrutschen. Gerade bei komplexeren Aktionen wie „ich verkaufe hiervon drei für neun Spaceeuros, davon kaufe ich vier und bezahle dafür 12 Spaceeuros … äh … warte mal, hab ich die richtige Ressource erschwischt…“ wird es unübersichtlich. Doublelayer-Boards wären ganz schön gewesen. In meinen Spielrunden nutzen wir die Terraforming Mars Würfel nur noch als Ressource und für das Geld nutzen wir Pokerchips. Macht ja auch gleich viel mehr Spaß und es gibt weniger Verwirrung bei komplexen Tauschoperationen.

Die Ressourcen-Steine kennt man aus Terraforming Mars. Das Tableau könnte besser verarbeitet sein.

Zu der Farbauswahl gibt es übrigens eine nette Anekdote. Die Spielfarben sind schwarz, weiß, blau und rosa. Etwas ungewöhnlich – vor allem, weil in meiner Spielgruppe ein „Grün“-Spieler dabei ist. Tatsächlich hatten die Doppeldenkspieler mehrere Farbkonzepte zum Ausprobieren. Bei der Bestellung ist ein kleiner Fehler unterlaufen und die nun bekannten vier Farben kamen zurück.


Bewertung

Die sich bewegenden Planeten passen natürlich perfekt in das Setting. Trotzdem wird das Thema nicht durchgängig vom Spiel getragen. Das ist für mich nicht sonderlich dramatisch, aber ich kann jeden Spielenden verstehen, der sich von dem Thema des Spieles mit dem plutokratischen Rat nicht gänzlich abgeholt fühlt.

Die Mechaniken passen dafür um so besser dazu. Handelsbeziehungen sind durch Pick-up-and-Deliver plastisch umgesetzt. Die Bewegungslänge auf dem Spielplan hat eine direkt Auswirkung, wer als nächstes an der Reihe ist. Der Druck überall als schnellste*r und erste*r anzukommen, wächst von Runde zu Runde.

First come … lose. Blau hat als letztes einen Sitz im Jupiter erhalten und somit die Mehrheit auf dem Planeten.

Durch den Spielaufbau kann man einen variablen Ablauf erzielen. Das ersetzt keine komplett dynamisches Spielfeld. Jeder Runde wird dadurch trotzdem einzigartig und offenbart neue taktische Überlegungen bezüglich Route oder Vorgehen.

Die fehlenden Glückselemente bieten für ein Kennerspiel genügend strategische Tiefe und werden den ein oder anderen Kopf rauchen lassen. Irgendwie muss alles bespielt werden und die Kraftverhältnisse können sich am Ende überraschend drehen.

Ausstattung und Artwork sind auf jeden Fall solide. Persönlich finde ich es schön, dass vorzugsweise auf Holz-Komponente wert gelegt wird. Double-Layer-Board für die Tableaus der Spielenden wäre definitiv schöner gewesen. In der Qualität ist noch Luft nach oben, nicht so sehr in der Wertigkeit der Komponenten, sondern in Bezug auf das Spielgefühl.

In Wirtschaftsspielen führe ich die Siegesleiste oftmals von hinten an. Nichts desto trotz habe ich kaum ein Spiel in kürzer Zeit so oft durch gesuchtet, wie bei Plutocracy. Mein Siegeszug in den Plutokratischen Rat ist noch lange nicht abgeschlossen und ich werde gerade nicht müde es immer wieder als Vorschlag auf den Tisch zu bringen.

Die Regeln sind einfach erlernt und somit kommen auch Einsteiger schnell in den Genuss. Allerdings spiele ich es lieber mit Grüblern und Taktikern. Von daher würde ich für Einsteiger eher ein anderes Spiel aus dem Regal ziehen.


Punkte

Zur klaren Positionierung gibt es genau vier Punkte in meiner Skala.

  • Thema: 2
  • Mechanik: 4
  • Wiederspielwert: 3
  • Strategie: 4
  • Qualität: 2
  • Spielspaß: 4

Gesamtwertung 3 (3,17)

Einsteiger-Freundlichkeit? bedingt


(c) Copyright Doppeldenkspiele

Grafik(en) und Bild(er) von Horst Brückner

Es handelt sich um Rezensionsexemplar. Diese Rezension ist unentgeltlich durchgeführt worden und spiegelt meine persönliche Meinung wieder.


Autoren Posts

Thematische, narrative und verzahnte Spiele ... hier geht mein Herz auf. Dazu eine stimmige Vinyl-Schallplatte (oder Playlist) und los geht das Abtauchen in die Spielwelt. Als Spielleiter und Spieler kann ich mich auch vortrefflich in Pen-und-Paper-Welten tummeln. Bei Videospielen bin ich raus. Ist mir meist zu schwer (einzige Ausnahme: Super Mario Kart).

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