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analog rockt Brettspielrezensionen

Der große Jahrmarkt

Der Artikel wurde von Horst geschrieben. 11 Minuten Lesezeit

Kirmes für den Küchentisch

Mit unserem kleinen Menschen waren wir jüngst im Urlaub in Dänemark. Natürlich stand dort ein Besuch vom Legoland an. Wer das Legoland nicht kennt: Die Vermarktung der Marke Lego steht selbstverständlich im Vordergrund. Aber ansonsten ist es ein Freizeitpark mit diversen Fahrgeschäften für Jung bis Alt respektive Klein bis Groß. Wir waren schon letztes Jahr einmal dort, aber da war er maximal überfordert von den Farben, Geräuschen und dem ganzen Lego. Dieses Jahr war es eine Überraschung, als wir auf einmal vor dem Eingang standen. Seine Augen leuchteten und es gab kein Halten mehr. Wir haben so einen geilen Tag dort verbracht. Unglaublich schön.

Mit der deutschen Lokalisierung von Skellig Games zu dem Titel Der große Jahrmarkt soll es nicht anders sein. Werfen wir einen Blick auf das bunte Treiben, jauchzende Menschen und Polka-Musik aus den Festzelten.

In der Rezension werfe ich einen Blick auf die Grundbox und die Erweiterung.
In der Rezension werfe ich einen Blick auf die Grundbox und die Erweiterung.

Steckbrief

NameThe Grand Carnival
Erscheinungsjahr2020
ComplexityMedium Light
BGG Rank7.52 (1974)
Player Count1-4
Designer(s)Rob Cramer
Artist(s)Ryan Goldsberry
Publisher(s)Uproarious Games, Maldito Games and Skellig Games
Boardgamegeek-Plugin von Meeple Like Us

Spielprinzip

Grundspiel

In sieben Runden versuchen vier Spielende den attraktivsten Jahrmarkt aufzubauen. Dafür hat jede Person ein leeres Tableau mit fünf aktiven Aktionsfiguren – also Workern – vor sich liegen. Das eigene Tableau wird im Spielverlauf zu dem individuellen Jahrmarkt ausgebaut. Außerdem sind am Rand fünf Aktionsfelder von ein bis fünf durchnummeriert abgebildet. Zentral für alle erreichbar befindet sich eine Auslage mit Fundament-Plättchen und eine mit Attraktionsplättchen.

Das eigene Spieltableau bereits in erster Ausbaustufe (für das Foto hat sich übrigens ein Fehler eingeschlichen).
Das eigene Spieltableau bereits in erster Ausbaustufe (für das Foto hat sich übrigens ein Fehler eingeschlichen).

Die Spielenden sind reihum mit einer Aktion dran, bis die fünf Figuren aufgebracht sind und dann startet eine neue Runde. In dem eigenen Zug muss sich die Person entscheiden, auf welchen Aktionswert (eins bis fünf) die Figur platziert wird. Die Zahl entscheidet bei den möglichen drei Aktionsarten über die Wertigkeit der Aktion. Damit ist eine gewisse Vorausplanung innerhalb der fünf Züge notwendig. Drei unterschiedliche Aktionsarten stehen im eigenen Zug zur Verfügung.

Aus der Zugablage lassen sich Fundamente erwerben.
Aus der Zugablage lassen sich Fundamente erwerben.

Alles beginnt mit dem Bau von Fundamenten. Der Jahrmarkt hat zu Beginn noch keine Fläche für Attraktionen oder Besuchende. Es liegen immer vier offene Fundament-Plättchen aus, und der umgedrehte Nachziehstapel zählt ebenfalls als eine Option. Der Aktionswert bestimmt, welches Plättchen genommen werden darf. Bei einer eins muss aus dem Nachziehstapel gezogen werden, wohingegen bei einer fünf das äußerste Plättchen genommen werden kann. Die Fundamente darf man anschließend frei auf dem eigenen Jahrmarkt platzieren. Dabei dürfen diese allerdings nicht gedreht werden, sondern müssen immer mit dem Hammerkopf des dort abgebildeten Hammer nach oben ausgerichtet sein. Die neuen Fundament-Plättchen bestehen aus vier Abschnitten, die entweder eine grüne Wiese (entspricht einem Weg) oder einen Bauplatz aka Hammer zeigen.

Auf den Fundamenten werden schließlich die Jahrmarkt-Attraktionen gebaut (nur auf die Bauplatz-Flächen mit Hammer-Symbol).
Auf den Fundamenten werden schließlich die Jahrmarkt-Attraktionen gebaut (nur auf die Bauplatz-Flächen mit Hammer-Symbol).

Damit kommen wir bereits zur zweiten Aktion: dem Bau von Attraktionen. Auf den Fundamenten müssen diese platziert werden. Die Attraktionen sind im Grundspiel ein bis fünf Felder groß und entsprechen damit ebenfalls den Zahlen auf den Aktionsleisten. Mit einem Arbeiter auf der Zahl fünf lässt sich so folgerichtig ein Plättchen mit fünf Feldern erwerben. Bei den Plättchen der Größen drei bis fünf gibt es dabei noch unterschiedliche Formen. Die Attraktionen müssen immer auf den Hammer-Feldern abgelegt werden. Dies ist sowohl bei dem Bau der Fundamente als auch bei der Auswahl an Attraktionen zu beachten. Im Gegensatz zu den Fundamenten dürfen die Attraktionen in jede Richtung gedreht werden.

In der schließlich letzten Aktion dürfen Besucher über den Festplatz bewegt werden. Dafür müssen Wege oder Freiflächen an grünen Feldern (aus den Fundamenten) vorhanden sein. Bleibt eine Besucherfigur an ein oder mehr Attraktionen stehen, bekommt jede Attraktion ein Ticket (ebenfalls ein Plättchen) auf die Attraktion gelegt. Dabei dürfen nie mehr Tickets auf einer Attraktion liegen als die Gesamtgröße erlaubt – also zum Beispiel vier Tickets auf einem vierer Plättchen. Die Tickets sind für die Endauswertung wichtig. Eine Attraktion ohne Ticket ist nichts wert.

Nach der siebten Runde endet das Spiel. Es gibt unterschiedliche Punkte für Sets aus gleichen Attraktionsgrößen, aber auch einen dicken Batzen, wenn alle fünf Größen vertreten sind. Auch für die Besucherfiguren gibt es Belohnungen, wenn sie über den ganzen Jahrmarkt im Zirkuszelt angekommen sind. Für jedes nicht bebaute Hammer-Feld wird am Ende noch je ein Punkt abgezogen.

Das Highlight ist der Bau der unterschiedlichen Attraktionen.
Das Highlight ist der Bau der unterschiedlichen Attraktionen.

Bislang unerwähnt habe ich Tricks der Zunft-Karten, von denen zu Spielbeginn drei zufällig ausgelegt werden. Hierbei handelt es sich um kleine Regelbrecher oder dauerhafte Boni. Wer die Bedienung dafür erfüllt, steckt einen der eigenen Arbeiterfiguren aus dem Vorrat darauf, um zu signalisieren, dass die Karte nun genutzt werden darf. In derselben Runde haben die Mitspielenden jetzt noch die Chance, dies ebenfalls zu erfüllen. Mit den Trick-Karten lassen sich unter anderem die Züge der Besucherfiguren aufteilen oder Plättchen günstiger erwerben.

Erweiterung

Unter dem Titel Der große Jahrmarkt – Unterwegs wird die Erweiterung vermarktet. Die Schachtel beinhaltet mehrere Module, die das Grundspiel erreichen. Ist das noch recht simple Prinzip der Basisversion eher ein Familienspiel, ist Unterwegs eine konsequente und gute Komplexitätssteigerung. Es beginnt mit einem kleinen asymmetrischen Modul für den Startaufbau. Statt einer leeren Baufläche bekommt jede Person ein doppeltes Startplättchen, die alle unterschiedlich aufgebaut sind. Dies ist wieder frei zu platzieren. Damit lässt sich direkt vergrößern oder sogar schon die erste Attraktion platzieren.

Die neuen Sechs-Feld-Attraktionen aus der Erweiterung.
Die neuen Sechs-Feld-Attraktionen aus der Erweiterung.

Bei den Attraktionen tut sich auch noch einiges. So gibt es bei Überbezahlung eines Plättchens die Möglichkeit, einen Clown zu platzieren. In der Endwertung wird es belohnt, wenn der Clown neben Besucherfiguren steht. Damit müssen die zu letztgenannten nicht immer hoch zum Zirkuszelt bewegt werden. Zudem gibt es nun Attraktionen mit einer Feldgröße von sechs. Um die zu erwerben, benötigt man einen Joker (Erdnuss) zu dem platzierten Worker auf dem fünften Aktionsfeld. Erdnüsse gibt es immer, wenn eine Besucherfigur neben einem Attraktionsplättchen der Größe eins stehen bleibt. Dieser Vorrat ist allerdings begrenzt. Ach so … bei der Endwertung müssen alle Attraktionen von eins bis sechs platziert sein, um die richtig großen Siegpunkte abzustauben.

Und das war es noch lange nicht. Kein Wunder, dass sich dies in der Bewertung auf Boardgamegeek ebenfalls niederschlägt. Die Grundversion hat eine 7.5 während die Erweiterung eine 8.1 auf der Skala erreicht hat.


Unboxing

Tolles Material und tolle Sortierhilfe.

Manage frei. Bereits das Titelbild auf dem Karton schafft die richtige Stimmung. Klasse, dass auch im Inneren alles an dem angedachten Platz bleiben kann. Es ist eine sehr hochwertige Sortierhilfe dabei, die teilweise sogar mit Deckeln ausgestattet ist. Das Grundspiel und die Erweiterung lassen sich gemeinsam mithilfe der beigefügten Sortierhilfen in der Schachtel der Basisversion unterbringen. Damit wird der Platz im Regal optimiert, auch wenn ich das Bild auf der Erweiterung sogar fast schöner finde.

Die Regelhefte (Grundbox, Erweiterung) sind schön illustriert und führen strukturiert und großartig bebildert durch die Regeln. Es bleibt am Ende keine Regelfrage offen. Laut Einleitung spielt sich Der große Jahrmarkt 1937 ab. Der Illustrator Ryan Goldsberry setzt den Flair dieser Zeit erstklassig in Szene. Mich haben die Zeichnungen an Popeye (1929) erinnert. Die Attraktionsplättchen weisen einen schönen Detailgrad auf, der zum Entdecken und Schmunzeln einlädt. Persönlich kann ich mich nicht so richtig mit dem Spieltableau anfreunden. Mir ist das zu trist und zu langweilig. Aber zum Glück wird genau das dank der Attraktionen überdeckt.

Die Arbeiter sind aus Holz gefertigt. Für jede Farbe gibt es eine andere Zirkusfigur wie den Kraftmenschen oder einen Seehund auf einem Ball. Der Startspielmarker ist ein Karussell-Pferd. Das Spiel besticht durch hochwertige Komponenten.


Bewertung

Der große Jahrmarkt lässt sich nicht mit einer einzigen Bewertung einstufen. Das Grundspiel und die Erweiterung sind hinsichtlich ihrer Komplexität so erheblich andere Spiele, dass ich sie getrennt voneinander betrachten möchte.

Da kommt doch direkt Jahrmarkt-Stimmung auf.

Bei mir beginnt alles mit Artwork und Thema. Die Zeichnungen finde ich extrem stimmig und gelungen, das Spieltableau mit den übergroßen Hämmern empfinde ich als erschreckend eintönig. Das Thema ist sicherlich austauschbar bei den Mechaniken, aber ich empfand schon Freude daran, die coolen Attraktionen zu platzieren, Personen durch meinen Jahrmarkt zu lenken und mich selbst mit Tickets dafür zu belohnen.

An dieser Stelle sei bereits erwähnt: Für mich persönlich kommt Der große Jahrmarkt ausschließlich mit Erweiterung auf den Tisch. Die Gründe erfahrt ihr in den nächsten beiden Abschnitten.

Ohne Erweiterung

Das Grundspiel ist ein nettes Familienspiel mit etwas Puzzlearbeit. Nach der ersten Partie fand ich es zwar okay, aber mehr auch nicht. Bei mir kam keine richtige Stimmung auf. Die Mechanik ist schnell durchschaut, die Züge sind sehr repetitiv und es ist primär ein Wettlauf, wer welches Plättchen am schnellsten bekommt. Zum Regeln lernen eine sinnvolle Variante.

Der Grundpreis von ungefähr 45 EUR ist für ein Familienspiel eher in der gehobenen Klasse. Dafür bietet sich meiner Meinung nach zu wenig Abwechslung im Spiel. Gäbe es nur das Grundspiel, würde das eher zwei Besucher*innen auf den Jahrmarkt locken.

Mit der Erweiterung

Um so viele Ebenen besser empfinde ich die vielen Module der Erweiterung. Sie sind gut aufeinander aufgebaut, balanciert und bringen das Spiel von einer kleinen Kirmes zum großen Jahrmarkt. Beim Spielen erscheint es so, als ob es nun erst vollständig ist. Oder umgekehrt fühlt sich die Grundbox zu stark reduziert an.

Der Preis ist für die Erweiterung von 25 EUR komplett im Rahmen. Für 70 EUR in Summe bekommt man ein einwandfreies Kennerspiel, das schon etwas an der Expertenecke kratzt. Da die Erweiterung auch nahtlos in den Karton integrierbar ist, zeigt sich einmal mehr, dass Der große Jahrmarkt erst mit der Erweiterung komplett ist – wenn man überhaupt noch von einer Erweiterung sprechen will. Diese ist so essenziell wie Präludium für Terraforming Mars. Der übergroße Jahrmarkt ist in Summe eine hervorragende Kombination, erhält drei spaßige Clowns in der Endwertung.


(c) Copyright Skellig Games

Bannerbild von Elle Dee auf Pixabay. Schon auf dem Titelbild des Brettspiels verbergen sich hinter dem Vorhang Riesenrad, Pferdekarussell und Achterbahn im Schatten der Nacht. Für das Bannerbild habe ich daher gezielt nach einem Hintergrund gesucht, der das Motiv Jahrmarkt wieder aufgreift. Das rasende Karussell fand ich dafür mehr als passend. Genau wie auch die Erweiterung bringt es genügend Power auf die Straße.

Icons von Icons8

Grafik(en) und Bild(er) von Horst Brückner

Das Spiel habe ich privat erstanden. Diese Rezension ist unentgeltlich durchgeführt worden und spiegelt meine persönliche Meinung wider.


Autoren Posts

Thematische, narrative und verzahnte Spiele ... hier geht mein Herz auf. Dazu eine stimmige Vinyl-Schallplatte (oder Playlist) und los geht das Abtauchen in die Spielwelt. Als Spielleiter und Spieler kann ich mich auch vortrefflich in Pen-und-Paper-Welten tummeln. Bei Videospielen bin ich raus. Ist mir meist zu schwer (einzige Ausnahme: Super Mario Kart).

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