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analog rockt Brettspielrezensionen

Die Juli-Spiele 2023

Der Artikel wurde von Christoph and Horst geschrieben. 10 Minuten Lesezeit

Letzten Monat war die Berlin Con und das bedeutet spielen, spielen, spielen. Wie auch im letzten Jahr spielen wir dort viel mehr als dass wir darüber qualitativ hochwertig berichten können. Horst konnte ein weiteres Spiel von seiner 2023-Liste abarbeiten. Erstaunlicherweise wird die Liste dann gegen Ende des Jahres doch dünner als gedacht! Christoph wechselt für diesen Monat in die Formel-1-Branche … naja oder so ähnlich. Aus der Berlin Con ist auch ein kleiner Loot-Stapel mit nach Hause gekommen. Mal sehen, was sich in den Monats-Highlights dazu finden wird.

Horsts Spiel

Quelle Frosted Games

Wie schön erwähnt, habe ich noch immer meine Top-Liste der Spiele im Hinterkopf, die ich in diesem Jahr unbedingt spielen möchte und nutze große Brettspiel-Events gern zum “Abarbeiten”. Too Many Bones (TMB) wird dieses Jahr in der lokalisierten Fassung bei Frosted Games erscheinen. Für die Berlin Con hat das Team keine Kosten und Mühen gescheut und bereits ein paar wenige Exemplare einfliegen lassen. Tatsächlich sind die eigentlichen Spiele noch per Schiff unterwegs. Bei dem Brettspieltisch-Hersteller Kapplex hatten wir nicht nur die Chance den neuen ausziehbaren Tisch ALTAR XL Premium Flex in Augenschein nehmen zu können, sondern ihn auch gleich mit TMB zu bespielen.

Too Many Bones hat eine starke Tischpräsenz.

TMB ist ein Boss-Battler … so etwa im Stile von Aeon’s End. Es gibt eine kleine, nicht allzu immersive Geschichte, die die Held*innen erleben. Die Geschichte wird aus einem Zufallsdeck gezogen und ist somit immer etwas unterschiedlich. Im Gegensatz zu solchen Spielen wie Earthborne Rangers oder Robin Hood gibt es allerdings kein Kampagnenbuch, mit dem die Spielenden so richtig in die Geschichte abtauchen können. Protagonisten sind die Gearlocs – ein gnomenhaftes Volk – in dessen Rollen wir schlüpfen dürfen. Jeder Charakter hat asymmetrische Fähigkeiten, die er im Laufe des Spiels weiter ausbauen kann. Dies passiert interessanterweise durch den Erwerb von Würfeln für das eigene Charaktertableau. Im Original ist das Spiel von Chip Theory Games herausgebracht. Ein Verlag, der bekannt ist für seine überproduzierten gewaltigen Brettspiele. Daher gibt es pro Charakter bis zu 16 individuell gestalte Würfel, die eben für bestimmte Fähigkeiten stehen. Mein Charakter hieß Boomer und war Bombenspezialist. Meine Würfel hatten so klangvolle Namen wie Schockgranate oder Badda Boom.

Hauptbestandteil ist aber die Kampfarena, auf der wir in Tabletop-Manier die Gearlocs gegen die Fantasy-Gegner schicken. Ziel ist es innerhalb einer Kampagne (ca. ein bis drei Stunden Spielzeit) viele Storypunkte zu bekommen und sich auszurüsten. Sind genügend Storypunkte erreicht, kann man sich dem Endgegner stellen. Die Kämpfe (Endgegner wie auch die Kämpfe vorher) werden auf einer 4×4 Felder umfassenden Neoprenmappe ausgefochten. Dabei geht es auch um taktische Stellung, aber vielmehr um das kooperative miteinander und die geschickte Ausnutzung der Würfel, Fähigkeiten und Ausrüstungsgegenstände.

Boomers Fähigkeiten haben unter anderem Badda Boom!

Die Ausstattung und das Material ist überwältigend. Neopren-Mappen, farbige Würfel, tolle Skizzen und lustige Texte. Wir haben in der Demo-Kampagne ungefähr zwei Stunden gespielt und schließlich ganz knapp den Endmop ausgeschaltet. Leider ist das Spiel nicht ganz preiswert und für mich persönlich kommt es damit in Preisregionen, die ich nicht bereit bin auszugeben. TMB benötigt schon viel Aufmerksamkeit und dafür spiele ich zu gern zu viele verschiedene Spiele. Es ist dann aus meiner Sicht auch nur ein Boss Battler und es passiert mir zu wenig drum herum. Wer bereit ist das Geld auszugeben und die Zeit zu investieren, bekommt ein Tabletop-liken Boss Battler mit humoristischen Mini-Texten und interessante Möglichkeiten die Charaktere über Würfelerwerb aufzurüsten.

Da viele von euch auch direkt auf BGG schauen, nehmen wir die aus unserer Sicht wichtigsten Faktoren für dieses Spiel direkt auf (Stand Juli/2023).

RankingWeight
8.43.85

Chris’ Spiel

Quelle Thalia

Für den Juli ist mein Spiel des Monats eines der rasantesten Brettspiele des Jahres – Heat: Pedal to the Metal. Dieses Rennspiel hat mich mit seiner dynamischen Umsetzung des Genres beeindruckt und liefert ein tolles Spielerlebnis, das die Energie eines echten Rennens auf den Spieltisch bringt. Wie auch bei Horst hat die Geschichte zu Heat dabei seinen Ursprung in einer Spiele-Liste. Bei mir ist es die „Diese-Art-Spiel-würde-ich -gerne-im-Regal-haben-Liste“ und da steht „gutes Rennspiel“ ganz weit oben… Letztes Jahr auf der SPIEL in Essen machte ich dann große Augen, denn an vielen Tischen wurde Heat gespielt und es sah echt nach ner Menge Spaß aus! Das erste Mal mitfahren durfte ich nun im letzten Monat auf der BerlinCon.

Mit dem eigenen Spieltableau und Karten werden die Gänge in der Rennmaschine durchgejagt.


Basierend auf einfachem und intuitivem Handmanagement versetzt Heat: Pedal to the Metal die Spieler:innen in den Fahrersitz intensiver Autorennen. Es geht darum, die Ziellinie als erster zu überqueren, während du die Geschwindigkeit deines Wagens kontrollierst, um nicht zu überhitzen. Konkret läuft ein Spielzug wie folgt:

  1. Schalten. Durch den Gang wird die Anzahl der Handkarten bestimmt, die man ausspielen kann/muss.
  2. Karten ausspielen. Alle Spieler legen verdeckt Karten vor sich ab.
  3. Fahren. Nacheinander bewegt man sich, entsprechend der Geschwindigkeit auf den ausgelegten Karten, voran. Eine Besonderheit bilden hierbei die Stress-Karten. Jeder Spieler hat zu Beginn der Partie drei Stresskarten in seinem Rennstapel und irgendwann zieht jeder sie auf die Hand. Stresskarten stellen Augenblicke dar, in denen du als Fahrer kurz die Konzentration verlierst. Zwar muss man die Karten nicht spielen, aber dann verstopfen sie irgendwann das Deck. Wenn man eine Stresskarte spielt, so bewegt man sich anschließend zufällig 1-4 Felder weiter nach vorne. Unter Umständen mehr als geplant…
  4. Adrenalin. Als letzter Spieler greift hier ein Comeback-Mechanismus.
  5. Reagieren. Hier kann man anhand der Handkarten auf die aktuelle Situation reagieren, zum Beispiel Kühlung oder Boost.
  6. Kurve durchfahren. Wurde in Schritt 3 eine Kurve durchfahren, gilt es zu prüfen, ob die Geschwindigkeitsbegrenzung der Kurve eingehalten wurde. Auf dem Spielbrett ist dazu für jede Kurve eine Zahl angegeben, beispielsweise „4“ für eine lange, seichte Kurve. Ist die Geschwindigkeit aus Schritt 3 höchstens so hoch wie die Geschwindigkeitsbegrenzung der Kurve, passiert nichts. Ist sie höher, so entsteht Hitze gemäß der Differenz zwischen der Geschwindigkeit und der Geschwindigkeitsbegrenzung. Man muss entsprechend Hitzekarten in den Nachziehstapel legen.
  7. Abwerfen. Man kann optional Handkarten abwerfen. (Natürlich keine Hitze-Karten!)
  8. Nachziehen. Auf sieben Handkarten aufziehen.

Wie der Titel schon vermuten lässt, dreht sich dabei alles um die Hitze-Karten und Hand-Management. Dabei schafft es das Spiel, dass sich in den Kurven alle immer wieder hautnah zusammenfinden, genau wie bei einem echten Formel-1-Rennen. Heat fängt diese Intensität ein und sorgt für ein packendes Spielerlebnis. Dazu kommen die, in meinen Augen gelungenen, Comeback-Mechanismen Windschatten und Adrenalin, die die Gruppe beisammenhalten.

Ein kleiner Wermutstropfen: Heat entfaltet seine volle Pracht erst ab vier Spieler:innen. Während wir auf der BerlinCon in den vollen Genuss von sechs Rennfahrer:innen kamen, sind wir in unserer Hauptrunde mit rennspielunwilligen Ehefrauen gestraft. Die Männer und ihre Autos eben – eine Faszination, die fast so alt ist, wie die Zeit selbst…

Kurven zu durchfahren ist eine Mischung aus Taktik, Mut und Glück.

Wir hatten bisher nur eine Gelegenheit Heat zu spielen. Im ersten Rennen macht man sich am besten mit den grundlegenden Mechaniken vertraut und spielt auf der einfachsten Strecke. Auch wenn wir daher noch nicht alle Inhalte kennengelernt haben, bin ich zuversichtlich, dass das Spiel in den kommenden Runden mit neuen Mechaniken aufwarten wird, die das Spielgeschehen komplexer gestalten. Im Grundspiel sind zum Beispiel vier Strecken enthalten. Die Auswahl der richtigen Upgrades für das Auto hilft dabei, die Kurven enger zu nehmen und den Motor kühl genug zu halten. Fahrer können entweder in einem einzelnen Rennen antreten, oder das Meisterschaftssystem nutzen, um eine ganze Saison zu spielen und man muss auf Wetter, Straßenverhältnisse und Ereignisse achten.

Man(n) kann schon ins Grübeln kommen.

Lasst uns außerdem auch noch kurz über das (unkonventionelle) Vertriebsmodell von Heat sprechen. Aktuell ist das Spiel in Deutschland exklusiv über den Buchhändler Thalia erhältlich. Vorab muss ich sagen, hier bei mir in der Region bietet Thalia für einen Buchhändler eine vergleichsweise vielfältige und gutgewählte Auswahl an Brettspielen. Dennoch lässt sich ein Unternehmen mit über 1 Mrd. Euro Jahresumsatz nicht wirklich mit dem örtlichen Brettspielgeschäft, der dortigen Atmosphäre und Beratung vergleichen. Die exklusive Verfügbarkeit des Spiels stieß also nicht bei allen Fans auf Zustimmung, vor allem nicht bei jenen, die keine Thalia-Filiale in ihrer Nähe haben. Im Online-Shop der Buchhandelskette war Heat schnell vergriffen und ist es bis heute. Asmodee hat mittlerweile auf Nachfrage bestätigt, dass ab dem dritten Quartal 2023 der Vertrieb über Blackfire erfolgen wird. Dabei handelt es sich dann um die internationale Ausgabe von Heat inklusive der Regeln in deutscher Sprache. Das Spiel wird dann auch in den Flagship-Stores von Asmodee erhältlich sein. Eine geplante Erweiterung (voraussichtlich ab Frühjahr 2024) wird dann wieder „über alle Kanäle“ vertrieben, wie Asmodee mitteilte.

Auch aus diesem Grund werde ich erstmal nicht zuschlagen, auch wenn Heat meiner Meinung nach aktuell eines der besten Rennspiele auf dem Markt ist.

Da viele von euch auch direkt auf BGG schauen, nehmen wir die aus unserer Sicht wichtigsten Faktoren für dieses Spiel direkt auf (Stand Juli/2023).

Ranking Weight
8.2 2.18

Grafik, Artikelfotos: analog rockt

Hintergrundbild: Pixabay

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Thematische, narrative und verzahnte Spiele ... hier geht mein Herz auf. Dazu eine stimmige Vinyl-Schallplatte (oder Playlist) und los geht das Abtauchen in die Spielwelt. Als Spielleiter und Spieler kann ich mich auch vortrefflich in Pen-und-Paper-Welten tummeln. Bei Videospielen bin ich raus. Ist mir meist zu schwer (einzige Ausnahme: Super Mario Kart).

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