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analog rockt Brettspielrezensionen

Lex Arcana

Der Artikel wurde von Horst geschrieben. 10 Minuten Lesezeit

In perfekter Formation hat sich die römische Legion unter Lucius Delvario in Position gebracht. Die Legionäre klopfen bedrohlich mit ihren Speeren gegen die großen Turmschilde. Das laute Klappern dröhnt über die weite Steppe hinüber zum Waldrand. Dort, wo der Haufen barbarischer Kelten in ungeordneter Schlachtformation stehen. Die Sonne lacht in Lucius‘ Gesicht. Mars, der römische Kriegsgott, scheint ihnen heute wohl gesonnen zu sein. Vielleicht kann er zum prandium wieder im Castrum verweilen.

Seine Gedanken an ein wohlschmeckendes Mittagessen wird jäh durchbrochen. Die grauenvollen Klänge der keltischen Hörner – die Barbaren nennen es Carnyx – zerreißt das laute Scheppern der Römer. Tatsächlich wirkt es auf einmal zerbrechlich. Die dumpfen Töne der Kelten dringen durch Mark und Bein.

Auf einmal kommen die Geräusche aus dem gesamten Waldrand und mit stolz geschwellter Brust treten tausende Kelten aus dem Wald wie ein Mann. Nicht nur das. Zwischen ihren Reihen sind Riesen, bestimmt drei Mann hoch. Plötzliche Stille. Kein Geräusch ist zu hören. Genauso eindrucksvoll wie die tausende Kelten eben aus dem Wald getreten sind, scheinen sie nun geräuschlos in ihm zu verschwinden. Ein einzelner verhöhnender Ton dringt von den Kelten zu ihnen hinüber.

Also war es doch falsch, was seine Seherin ihm gesagt hat. Es sind deutlich mehr und sie scheinen organisiert zu sein. Lucius Blick wandert flüchtig nach Osten. Er meint dort noch eine kleine Gruppe von fünf Kämpferinnen und Kämpfern zu sehen, die soeben im Wald verschwinden. Die Custodes. Jetzt liegt es in der Hand dieser fünf Römer, den Ausgang der Schlacht entscheidend zu ändern. Lucius rafft sich. Seine Offiziere blicken verängstigt in seine Richtung.

„Legionäre! Für Rom. Für den Kaiser. Für uns. Blast zum Angriff.“


Worum geht es.

Im Uhrwerk Verlag wird das Pen-and-Paper-Rollenspiel Lex Arcana veröffentlicht. Über Crowdfounding wurde die deutsche Übersetzung realisiert und in diesem Jahr wird die Auslieferung erwartet. Zum Download gibt es bereits den offiziellen Schnellstarter inklusive eines Abenteuers. Ein Entwurf des Grundregelwerks und der Abenteuer ist an die Unterstützer digital versendet worden. Wie in meinem Artikel über kommende Auslieferungen beschrieben, bin ich ebenfalls Teil der Crowdfounding-Unterstützer. Lex Arcana bringt eine ganze Reihe erfrischender Spielelemente mit sich und eine, wie ich finde, inspirierende Welt. Kleine Vorwarnung: ich habe es selbst noch nicht gespielt. Das steht noch aus. Dann gibt es zu den Abenteuern auch eigene Rezensionen. Der vorliegende Bericht konzentriert sich also in erster Linie auf einen kurzen Einblick in die Besonderheiten der Welt und der Regeln.


Die Welt

Lex Arcana ist ein fantastisches Rollenspiel in einer alternativen Zeitdimension. Das römische Reich hat noch Bestand, die Grenzen sind gefestigt. Allerdings findet sich jenseits der Grenzen deutlich mehr als nur Barbaren. Es gibt mythologische Gestalten und schon fast lovecraftsche Wesen, die die (römische) Weltordnung bedrohen. Dazu gehören unter anderem Chimären und keltische Drachen.

In Lex Arcana schlüpfen bis zu sechs Held*innen in die Rolle von römischen Custodes. Eine Art Spezialeinheit mit magischen (seherischen) Fähigkeiten. Die gesamte Einheit besteht aus nur 600 Ausgewählten, die aus kleinen Trupps zu maximal sechs Legionären bestehen. Und dein Charakter ist einer davon.

Ein Teil der römischen Weltsicht.
Ein Teil der römischen Weltsicht.

Die Regeln

Ich möchte hier keine komplette Regelwiedergabe geben, sondern stelle ein paar subjektive Highlights heraus.

Dies diem doce – ein Tag lehrt den anderen

Auch wenn es eigentlich nicht direkt zu den Regeln gehört, aber es zieht sich wie ein roter Faden durch alle bislang gesichteten Publikationen: Latein. Attribute und Besonderheiten haben lateinische Namen. Die Landkarte ist mit den römischen Namen versehen. Paris heißt also Lutetia. Die Heldengruppe nennt sich Custodes. Während meiner eigenen Schulzeit kam ich um die Sprache herum. Spätestens seit dem ersten Durchstöbern des Grundregelwerkes habe ich es bedauert. Aber keine Angst. Alle Begriffe sind mindestens in Klammern übersetzt und oftmals noch beschrieben. Was auf den ersten Blick vielleicht nervig erscheint, steigert die Immersion allerdings gewaltig. Heißt aber auch, dass es am Ende von den Spieler*innen und der Spielleitung etwas mehr Vokabular abverlangt, als allgemein nötig. Tatsächlich hätte ich mir ein kleines Vokabelheft mit den gängigsten Begriffen, Orts-, Fluss- und Gebirgsnamen gewünscht. Vielleicht liest es jemand vom Uhrwerk Verlag und kommt meiner Bitte nach.

Ora et labora – Bete und arbeite

Neue Regeln, neue Party, alte Kneipengeschichte. Okay, ich hoffe ihr seid über das klassische DSA-Einstiegsabenteuer „ihr sitzt zufällig in der Gaststätte Zum Schwarzen Keiler“ hinweg, aber trotzdem stellt sich am Anfang eines neuen Regelwerks (und einer neuen Gruppe) wie lernt man sich kennen. Bei den eher story-lastigen Systemen sind dafür ganz Abschnitte bei der Heldenerschaffung gewidmet. Bei Lex Arcana braucht es das nicht. Ihr seid alle Custodes. Ausgewählte und hart trainierte Elitesoldat*innen der römischen Legion. Ihr habt diverse Diplomata (Papiere), die euch allerlei Sonderrechte im römischen Reich einräumen. Reisen, neue Pferde, Unterkunft und sogar Nahrung und Waffen sollten keine Herausforderung für euch darstellen. Zumindest in den besagten Grenzen des Reiches. Aber auch außerhalb kann es römische Grenzposten geben, die euch unterstützen. Als Spielleiter*in kann ich mir kein einfacheres Setting vorstellen. „So, ihr seid allesamt zu einem Auftrag nach x beordert worden.“ Dass diese Truppe ausgewählter Elitesoldat*innen Spaß machen wird, daran hege ich keinen Zweifel.

Noch ein Wort zu den Klassen und Punkten. Die Custodes gehören zur Elite. Daher sind sie in allen Disziplinen (= Attributen) ausgebildet. Heißt jeder kann etwas Magie wirken, jede kann etwas kämpfen und jeder kennt sich etwas mit sozialer Interaktion aus. Die Klassen bieten dann wieder einen Haufen an Spezialisierungen und Schwerpunkten an. Sehr stimmig für die Hintergründe der Helden.

Alea iacta est – die Würfel sind gefallen

Von W2 bis W20 kann alles vorkommen. Inklusive so lustige Sachen wie W3, W5 und so weiter (halbe W4, W6 oder W10). Aber wir verfallen ich in wildes D&D gewürfelt. Nein, ihr dürft selbst wählen. Ein Attribut hat zum Beispiel einen Wert von 8. Ihr dürft diesen mit einem W8 würfeln oder in mehrere Würfel (W5 und W3, 2W4) aufteilen. Ihr streut damit das Risiko einen schlechten Wurf zu machen. Aber es nimmt auch die Chance auf einen explodierenden Würfel. Explodierende Würfel gibt es nur, wenn alle gewürfelten Würfel das höchste Ergebnis erzielen. Damit liegt es also stets an euch, ob ihr je nach Situation alles auf einen Würfel setzen wollt oder lieber grundsätzlich eine Probe mit mehreren Würfeln bestehen wollt. Ich finde diese Idee richtig klasse und gibt dem Würfeln endlich mal eine bessere Komponente.

Nomen est omen – der Name ist ein Zeichen

Die Magie weist ein interessantes Konzept vor. Ist aber kein Powergaming.
Die Magie weist ein interessantes Konzept vor. Ist aber kein Powergaming.

Über die Magie möchte ich noch gar nicht so viele Worte verlieren. Die Götter sind gegenwärtig und sie erlauben es grundsätzlich jedem Charakter auch so etwas wie Magie zu wirken. Viele Zauber sind eher in der Vorsehung oder Weissagung angesiedelt. Damit können die Helden von der Spielleitung bewusst in Richtung des Plots „gelenkt“ werden – und das muss ja nicht immer gleich railroading bedeuten. Echte direkte Kampfzauber wie Feuerball und so weiter werdet ihr vergeblich suchen. Es gibt einen Blitz aus heiterem Himmel, aber der ist nur für eine Gottheit vorgesehen. Beim Lesen des Schnellstarters war ich erst enttäuscht. Gibt es doch sogar eine eigene Klasse Seherin. Als ich dann aber die Vielfalt im Grundregelwerk gesehen habe, hat es mich doch überrascht. Viele Zauber dienen der Unterstützung der Kameraden. Damit kommen wir bereits zu dem nächsten Höhepunkt.

Faber est suae quisque fortunae – jeder ist seines Glückes Schmied

Die Custodes.
Die Custodes.

Am Ende sollten wir noch einen Blick auf den Charakterbogen und die unterschiedlichen Klassen werfen. Es gibt eine ganze Reihe von Attributen, die entweder sogenannte Tugenden (Virtutes) wie zum Beispiel Lebenskraft, Intellekt und Vernunft oder Kenntnisse (Peritiae) im Kampf, in Magie oder im Sozialen darstellen.

In der Regel wird auf die Kenntnisse gewürfelt. Durch eine interessante Abhängigkeitsmatrix befeuern sich die unterschiedlichen Punkte bei der Charaktererstellung zwischen den Tugenden und den Kenntnissen von selbst. Das lasse ich an dieser Stelle mal so stehen.

Der Charakter kann die Klasse eines*einer Diplomat*in, Gelehrt*in, Kämpfer*in, Kundschafter*in oder Seher*in annehmen. Es gibt auch noch eine Sonderklasse den*die Assasine*n. Die Klasse ist so geheim, dass dies gegenüber den Kameraden geheim gehalten wird und eine andere Klasse vorgegeben wird. Wenn das nicht zu Spannungen innerhalb der Kameraden führen kann.


Carpe diem – Nutze den Tag

Sowohl im Schnellstarter als auch im Grundregelwerk sind insgesamt drei Abenteuer enthalten. Diese lassen sich hervorragend in einer kurzen Kampagne miteinander verbinden. Das Finale ist leider noch nicht publiziert und wie es aussieht auch noch kein Bestandteil des ersten Abenteuersammelbandes für Lex Arcana DIE MYSTERIEN DES IMPERIUMS I.

Die drei Abenteuer sind erstaunlich unterschiedlich. Im ersten Abenteuer aus dem Grundregelwerk ist am wenigsten Handlung und Ideen der Custodes gefordert. Es wirkt auch aufgrund der strikt vorgegebenen Handlung als ideales Abenteuer zum Einstieg, um die Regeln zu lernen.

Sowohl das Abenteuer aus dem Schnellstarter als auch das zweite Abenteuer aus dem Grundregelwerk wirken fast schon erstaunlich kreativ. Es gibt viel zu erforschen, mächtige Gegner, Legenden aus vergessenen Zeiten und auch interessante Plots. Jedes Abenteuer ist in sich abgeschlossen. Das zweite Abenteuer aus dem Grundregelwerk sollte das letzte Abenteuer sein, weil bereits bekanntere Charaktere aus den anderen Erlebnissen wieder auftauchen. Es gibt also genug Einstiegsmaterial direkt für den Anfang.

Sobald meine Gruppe die Abenteuer überlebt habe, werde ich dedizierte Rezensionen dazu veröffentlichen. Die Abenteuer-Sammelbänder habe ich ebenfalls über Kickstarter erworben und werde die zu einem späteren Zeitpunkt kurz vorstellen.


Kurzfazit

Lex Arcana hat für mich ein tolles Setting. Das römische Reich mit wütenden Göttern, unheilvollen Monstern und wilden Barbaren. Es ist zwar manchmal sehr speziell, dass man als Teil der römischen Eroberer unterwegs ist. Aber wir werden das in meiner Rollenspiel-Gruppe auf jeden Fall ausprobieren. Auch die ersten Abenteuer machen beim Lesen einen guten Eindruck. Ich freue mich darauf.


Die Bilder sind dem Grundregelwerk entnommen. Das Copyright gehört dem Uhrwerk Verlag respektive Quality Games S.r.l. – Italy.

Die Screenshots sind von Horst Brückner erstellt worden.


Autoren Posts

Thematische, narrative und verzahnte Spiele ... hier geht mein Herz auf. Dazu eine stimmige Vinyl-Schallplatte (oder Playlist) und los geht das Abtauchen in die Spielwelt. Als Spielleiter und Spieler kann ich mich auch vortrefflich in Pen-und-Paper-Welten tummeln. Bei Videospielen bin ich raus. Ist mir meist zu schwer (einzige Ausnahme: Super Mario Kart).

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