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analog rockt Brettspielrezensionen

Mit Doppeldenkspiele geplaudert

Der Artikel wurde von Horst geschrieben. 14 Minuten Lesezeit

Einleitung

In der Vorbereitung zu der SPIEL ´22 bin ich die Neuigkeiten durchgegangen als ich beim Cover von Plutocracy hängen geblieben bin. Einen Blick auf den Verlagsnamen warf weitere Fragezeichen auf. Doppeldenkspiele. Hatte ich bislang noch nichts von gehört. Klingt nach einem deutschen Verlag. Also kurz gegoogelt und dann bin ich auf deren Homepage gelandet. Wie es dann so ist, habe ich dann deren Homepage durchstöbert, das Regelheft zu ihrem neuen Spiel heruntergeladen und bin immer neugieriger geworden. Also wie immer meine erste Recherche verschriftlicht: was interessiert mich am Spiel, am Verlag, ein längeres Anschreiben mit Ideen für Interview-Fragen zusammengestellt und eine E-Mail losgetreten. Was soll ich sagen? Es hat alles geklappt. Mit Claudio und Simon konnte ich in alten Zeiten schwelgen, einen Blick hinter die Kulissen eines jungen Eigenverlages werfen, über Familie, Zeit und Nachhaltigkeit plaudern.

Interview

(analog-rockt/Horst) Interview geführt mit …

Simon und Claudio


Gehört ihr beide zum Verlag

Claudio: Offiziell gehöre ich noch nicht dazu. Inoffiziell ist es geplant. Wegen privater Themen war ich bei der erneuten Gründung noch nicht dabei.

Simon: Verlagsintern ist es eine reine Formalie. Beim ersten Spiel hatte Claudio den Verlag selbst angemeldet. Da hieß er noch Doppeldenk-Spiele. Jetzt haben wir ihn neu gegründet, damit er bestehen bleiben kann.

Bei Plutocracy war es aber tatsächlich von den Rollen her getrennt. Claudio hat das Spiel entwickelt und wir haben uns dem Autor und seinem Spiel angenommen. (beide lachen)


Welches Brettspiel habt ihr selbst als Letztes gespielt?

Claudio: Bei mir war es wahrscheinlich Lotti Karotti (lacht). Ansonsten The Crew oder Backgammon wahrscheinlich.

Simon: Bei mir war es noch eine Ebene tiefer mit Memory. Vielleicht auch Rush Hour, weil meine Tochter die Autos toll findet. Selbst spiele ich gerade gern Sycthe.


Was macht ihr eigentlich hauptberuflich?

Claudio: Ich bin Software-Entwickler.

Simon: Ich bin als Arzt im Krankenhaus tätig.


Irgendwann ist so viel Energie und Zeit in das erste Spiel hineingeflossen, dass wir es probieren wollten.

Spannend! Was hat euch bewogen, einen Verlag zu begründen?

Claudio: Ursprünglich kam die Idee von Nikolai, der auch Euro Crisis entwickelt hat. Mit dem Spiel hatten wir uns in Essen auf der SPIEL für einen Prototyp-Stand angemeldet. Wir haben sehr gutes Feedback bekommen und danach das Spiel über Crowdfounding finanziert. Momentan arbeitet Simon an einem neuen Spiel, ich war dann irgendwann mit Plutocracy so weit und wir haben beschlossen: Das machen wir noch mal. Wir hatten kurz überlegt, ob wir uns diesmal an einen Verlag wenden, haben uns aber entschieden, das über unseren Eigenverlag zu verwirklichen.

Auspacken von Plutocracy

Simon: Am Anfang hatten wir das nicht als strategischen Masterplan. Wenn man Vielspieler ist, denkt wahrscheinlich jeder Mal: Kann ich selbst ein Spiel herausbringen? Dann haben wir intensiver daran gearbeitet, ohne dass jemand wirklich gedacht hat, dass wir da ein – sagen wir mal – Dreiviertel professionelles Spiel herausbekommen. Irgendwann ist so viel Energie und Zeit in das erste Spiel hineingeflossen, dass wir es probieren wollten. Damals waren wir noch im Studium und es war klar, dass wir eine Crowdfounding-Finanzierung für das Stemmen der Produktion benötigen würden. Hat alles prima geklappt.

Der Verlag ist dann etwas eingeschlafen. Das Gefühl es einmal geschafft zu haben, schwang immer mit und wir hatten und haben immer wieder neue Ideen. Plutocracy haben wir sogar einem Verlag vorgestellt. Aber wie zuvor erwähnt, wir haben uns dann aber entschieden, dass wir es selbst machen.

Bei Euro Crisis waren wir uns sicher, dass wir es nur im Eigenverlag herausbringen können. Ein klassischer Verlag hätte wahrscheinlich zu viele Änderungen vorgenommen. Das Spiel ist sehr satirisch.

Claudio: Ja, das stimmt. Da haben wir gedacht, dass wir da mit der Eigenentwicklung besser dran sind, als uns Absagen von anderen Verlagen einzuholen.


Ich kenne den Vorgänger nicht. Worum geht es?

Claudio: Man spielt Banken während der Eurokrise und leiht den Staaten Geld und versucht an den Privatbesitz der Staaten heranzukommen.

Simon: Es basiert alles auf „open Information“, es gibt keine Glückselemente. Es ist unabhängig von Würfeln oder Kartendecks. Sondern du musst schauen, was machen die anderen, kann man deren Züge im Vorfeld einschätzen. Es gibt darüber hinaus gleichzeitige Aktionsphasen und man kann auch wieder massiv Punkte im Spiel verlieren.


Ich glaube, ich habe damals Mini-Metro auf dem Handy gespielt. Da bin ich etwas in das Pick-up-and-Delivery hineingerutscht. Vorher war ich davon gar kein Fan.

Wie ist die Idee zu Plutocracy entstanden? Ihr habt tolle Elemente dabei wie Pick-up-and-Deliver und vor allem die Abbildung des Sonnensystems inklusive der dazugehörigen Planten-Bewegung.

Claudio: Ich kann mich nicht mehr so richtig daran erinnern (lacht). Es gab zu Beginn bereits den Grundgedanken, man fliegt von Planet zu Planet, die Zeitleiste und die Planeten müssen sich drehen. Das war alles schon im Prototyp vorhanden. Ich glaube, ich habe damals Mini-Metro auf dem Handy gespielt. Da bin ich etwas in das Pick-up-and-Delivery hineingerutscht. Vorher war ich davon gar kein Fan.

Zu dem Zeitpunkt habe ich etwas mit einem Raketenstart gesehen und da ist mir zum ersten Mal klar geworden, wie viel dafür eigentlich zu planen ist. Als ich das erste Mal Jenseits von Theben gespielt hatte, war mir klar, dass die Zeitleiste ein klasse Mechanismus ist, der eigentlich in viel zu wenigen Spielen vorkommt. Dann ist das alles zusammen gekommen.


Was das Spiel trägt, ist nach wie vor Zeitleisten, Fliegen, rotierende Planeten und halt Sachen hin und her transportieren.

Simon, was war dein Eindruck als Claudio zum ersten Mal mit der Idee um die Ecke gekommen ist. Vielleicht auch aus Sicht des bösen Verlagsmenschen.

Das fertige Produkt.

Simon: Wir fanden es alle sehr, sehr gut bis genial. Uns war sofort klar, dass die Idee und die wesentlichen Spielelemente vorhanden waren. Es fehlt eigentlich an nichts. Zeit ist gleich Bewegung, da rotiert was auf dem Brett und man muss etwas aufheben und wo hinbringen. Es blieben natürlich fragen, wie viele Ressourcen braucht es, werden mehrere Ressourcen nachgefragt, gibt es Aktionsplättchen, wie wandelt man Geld in Punkte um. Wie zuvor erwähnt, es brauchte nicht mehr viel dazu. Man muss es eher weiter kondensieren. Das Setting war auch passend. Mit den rotierenden Planeten muss es was im Weltall sein. Wir haben uns gefragt, bekommen wir das Design-technisch abgebildet: Schwarzer Hintergrund, Sterne darauf, Planeten (lacht). Auch wenn wir das Artwork an einen Freund und Kollegen ausgelagert haben, konnten wir ihm sehr klar sagen, was wir benötigen. Das gesamte Spiel war schon zu Beginn annähernd fertig. Das war das besondere an dem Projekt. Der Kern des Spiels ist unverändert geblieben. Was das Spiel trägt, ist nach wie vor Zeitleisten, Fliegen, rotierende Planeten und halt Sachen hin und her transportieren.


Habt ihr noch eine Idee wie lange es von der Idee bis zum fertigen Kickstarter gebraucht hat

Claudio: Weißt du noch, wann das war?

Simon: Hm, vor drei Jahren?

(Längeres Geplänkel über Orte, Freunde und mögliche Ereignisse ;-))

Claudio: Den ersten Prototyp haben wir vor drei … oder vier Jahren gespielt.

Simon: Das ist für uns erstaunlich kurz. Zwischendurch passiert phasenweise auch mal nichts, weil jeder in sein eigenes Leben abtaucht. Wenn ich daran denke, wie lange ich schon an meinem Spiel sitze.


Hast du die Testrunden allein gestemmt oder mussten alle mitmachen?

Claudio: Ich war tatsächlich weniger am Testen als die drei in Freiburg. Ich hatte am Anfang alles allein getestet. Weil ich so wenig Zeit hatte, habe ich uns eine Internetseite gebaut. Nach den ersten drei Regeländerungen, war ziemlich schnell klar, dass die Internetseite keine tragbare Lösung war. Die meiste Testentwicklung ist schließlich in Freiburg passiert. Schließlich hatten wir es irgendwann im Tabletop-Simulator.


Bei dem Studium des Regelheftes ist mir aufgefallen, dass ihr eine klare Startreihenfolge und Positionierung der Spieler*innen vorgesehen habt. Ist da eine Logik hinter?

Simon: Das betrifft nur den Standard-Aufbau. Der dient eher für die ersten Partien. Damit wird eine klare Richtung vorgegeben, wo man zuerst hinfliegen kann. Für die erste Berührung mit dem Spiel eine gute Herangehensweise.

Dazu gibt es noch eine lustige Anekdote. Ursprünglich hatten wir mal andere Farben vorgesehen. Weil wir zu viele Farbvarianten im Spiel hatten, kamen dann bei einer ersten Bestellung andere Farben an, als wir erwartet hatten. Wir wollten die dann aber aus nachhaltigen Gründen nicht einfach wegwerfen und sind daher dabei geblieben. Daher die etwas ungewöhnlichen Spieler*innen-Farben: schwarz, weiß, rosa und blau.

Claudio: Beim Testen gab es keine Präferenz für eine besondere Startposition. Bei einem zufälligen Spielaufbau hingegen kann es zu Beginn so wirken, dass eine Person benachteiligt wird. Das gleicht sich erst später aus, weil ja jeder die langen Wege irgendwann einmal hat. Bei dem Startaufbau ist erst einmal für jeden etwas zu tun und es fühlt sich niemand benachteiligt.


Was war für euch in der Entwicklung die größte Herausforderung in dem Spiel? Gab es einen Punkt, wo ihr am liebsten die Flinte ins Korn geworfen hättet?

Claudio: Ich würde sagen, dass ich nicht so richtig mit dabei sein konnte. Für mich war es in dem Zeitraum während der Geburt meines Sohnes. Ich war da sehr limitiert. Aber es gab nie einen Punkt, an dem ich dachte, ich komme mit dem Spiel nicht weiter.

Simon: Wir hatten auch beim Testen nie das Gefühl, dass wir in einer Sackgasse landen. Wir hatten oftmals unterschiedliche Meinung: braucht es noch mehr oder können wir weiter reduzieren. Beispielsweise hatten wir über asynchrone Unternehmen nachgedacht. Sich immer wieder zu fokussieren, war daher immer eine Herausforderung. Trotzdem wollten wir auch etwas Witziges aufnehmen wie das Alien.


Habt ihr Lust etwas zur Produktion zu erzählen. Wo lasst ihr produzieren? Könnt und wollt ihr als kleiner Verlag auf Nachhaltigkeit achten. Wie sehen die Lieferwege aus. Was sind eure Themen in der Produktion gewesen?

Simon: Das ist tatsächlich etwas, was wir diskutiert hatten. Und was uns auch wichtig ist zu bedenken. Unser erstes Spiel hatten wir bereits bei Ludo Fact in Deutschland produziert. Da haben wir eine Menge Erfahrung sammeln dürfen, vor allem weil wir noch sehr unstrukturiert und unerfahren waren. In ihren deutschen Standorten wird klimaneutraler Strom produziert. Von den Arbeitsbedingungen und Standards her wollten wir gern in Europa bleiben. Damit waren und sind die Transportwege auch kürzer. Plutocracy kam jetzt zwar später an als geplant, aber kein Vergleich zu unserem ersten Spiel.

Claudio: Da haben wir die Spiele am Donnerstagmorgen auf die Messe geliefert bekommen. Da war etwas mehr Druck hinter. Teilweise mussten wir die Kartons auch noch umpacken. (Beide lachen und stöhnen)

Simon: Wir haben natürlich ein paar Komponenten vom Verlag übernommen. Die Terraforming Mars-Steine bekommt Ludo Fact von einem chinesischen Zulieferer. Insgesamt war es aber nie eine Frage, eine Deluxe-Version mit Plastik-Miniaturen zu erstellen. Wir wollten nur so viel wie nötig, für ein gutes Spielerlebnis.


Ihr habt euren beiden Spiele über Crowdfounding finanziert. Seid ihr grundsätzlich zu frieden damit?

Simon: Damals hatten wir eine große Aufmerksamkeit durch die Presse erreicht. Im Handelsblatt und im Spiegel wurde über uns berichtet „Vier Studenten machen die Krise spielbar“. Aber tatsächlich hatten wir wenig Aufmerksam in den Brettspielkreisen, dafür lief die Kampagne erstaunlich gut.

Claudio: Wir wurden in einigen Presseartikeln zur SPIEL neben vier, fünf anderen Spielen direkt mit erwähnt. Das war absurd. Wir wurden dann von Kaufhäusern aus Niedersachsen angerufen. Wir hatten ja nicht mal einen Vertriebskanal.

Simon: Ich glaube, die wussten nicht einmal, was wir machen oder worum es in unserem Spiel geht.

Claudio: Diesmal sind wir auf jeden Fall besser vorbereitet.


Habt ihr ein Ziel, das ihr als Verlag erreichen wollt? Ist es Weltherrschaft oder ist es Hobby und ihr nutzt es für eure eigenen Ideen?

Claudio: Ich würde mal sagen, dass wir das allesamt eher nicht hauptberuflich machen wollen würden.

Simon: Ich glaube, wir würden uns alle deutlich mehr mit Spielen beschäftigen wollen. Wir müssen uns da auch noch besprechen. Die Homepage sollte jetzt bestehen bleiben, wir sollten den Verlag nicht mehr abmelden und wir sollten auch sicherlich nächstes Jahr in Essen wieder Präsenz zeigen. Auch wenn wir da noch kein neues Spiel mitbringen werden. Aber in zwei Jahren sollten wir ein neues Spiel dabei haben. Das ist für uns sicherlich ambitioniert. Es kostet viel Zeit, wenn man alles selbst macht. Eventuell sind wir auch eher ein Autorenkollektiv und wir geben mehr Schritte ab. Mir war nicht mal klar, dass wir überhaupt noch ein zweites Spiel machen. Es war nun weniger aufregend als beim ersten Mal und wir haben es neben der realen Arbeit und Familie wieder geschafft. Also wird es auch noch einmal funktionieren. Nicht jedes Jahr, aber nach einer kurzen Pause …


Habt ihr schon die nächsten Ideen in der Tasche?

Simon: Es gibt zwei Spiele, von denen wir die Prototypen bereits häufiger gespielt haben. Eins spielt eher im Start-up-Sektor mit Aktienkursen. Ich hätte noch ein Weltraum-Taktik-Spiel, was auch schon länger da ist. Das ist schon recht stabil. Da ist noch nicht ganz klar, was darüber hinauszutun ist.


Hättet ihr auch Interesse an jungen, neuen Autoren?

Claudio: Wir hatten tatsächlich jemanden, der uns während der Kickstarter-Kampagne angefragt hatte. Wir haben ihn erst einmal abgesagt. Wir hatten alle nur begrenzt Zeit und wollten natürlich erst einmal unsere eigene Sache zum Laufen bringen.

Simon: Es ist ein wenig im Fluss. Ich würde für mich lieber redaktionell arbeiten, statt als Autor. Auf der anderen Seite wäre es auch toll, wenn redaktionell nicht bedeuten würde, dass man alles von A bis Z verantwortet. Alle, die uns angeschrieben haben, treffen wir nun in Essen und schauen uns deren Spiele an. Es wird keine kategorische ja-nein-Entscheidung werden.


Ehrlicherweise gehe ich davon aus, dass es auch einige Manager gekauft haben, die es nie gespielt haben.

Dürft und wollt ihr die Auflagenzahl nennen?

Claudio: Wir haben 1.000 Spiele produziert.

Simon: Als wir damals geschaut hatten, war es die kleinste Menge, die man professionell produzieren konnte.

Claudio: Wir hatten noch mal jemanden gefunden, der nur 500 Stück produziert hätte. Das war aber deutlich teurer. Für Plutocracy haben wir uns gar nicht mehr umgeschaut.

Simon: Ich bin gespannt. Euro Crisis war kurz nach der Messe komplett ausverkauft. Ehrlicherweise gehe ich davon aus, dass es auch einige Manager gekauft haben, die es nie gespielt haben. Bei Plutocracy haben wir deutlich geringe Presseaufmerksamkeit. Mal sehen, wie es läuft.


Ich wünsche euch viel Erfolg mit dem Spiel, dem Verlag und zukünftigen Publikationen. Vielen lieben Dank für das schöne Interview mit euch.

Links

Zu dem Verlag

Sonstiges

  • Produktion der Doppeldenkspiele findet bei Ludo Fact statt

Erwähnte Spiele


Autoren Posts

Thematische, narrative und verzahnte Spiele ... hier geht mein Herz auf. Dazu eine stimmige Vinyl-Schallplatte (oder Playlist) und los geht das Abtauchen in die Spielwelt. Als Spielleiter und Spieler kann ich mich auch vortrefflich in Pen-und-Paper-Welten tummeln. Bei Videospielen bin ich raus. Ist mir meist zu schwer (einzige Ausnahme: Super Mario Kart).

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