Als kleiner Junge habe ich Walt Disney’s Zeichentrickfilm Robin Hood geliebt. Freue mich auch schon sehr, wenn mein Kleiner den bald sehen kann. Noch sind die 80 Minuten zu lang. Wo wir aber gerade im Sherwood Forest sind, fällt mir noch diese tolle TV-Serie aus den 80er ein. Die Story ist heute weiterhin gut, aber der Serie sieht man leider ihr Alter schon deutlich an. Wohingegen Kevin Costner mit König der Diebe meiner Meinung nach ein immer noch gut sehbares Stück Filmgeschichte darstellt. Tatsächlich habe ich alles oben aufgeführte im Zuge unseres Streifzuges bei dem gleich vorgestellten Spiel wieder herausgeholt und angeschaut. Sagt schon etwas über die Atmosphäre im Spiel aus. Wo wir gerade bei Atomsphäre sind. Für die Ohren empfehle ich hierzu Erdensterns „Into the Green“ Album.
Steckbrief
- Art: kooperativ
- Genre: Familienspiel
- Kern-Mechaniken: Storytelling, Bag Builder, dynamische Reihenfolge
- Spielname: Die Abenteuer des Robin Hood
- Verlag: Kosmos
- Autor: Michael Menzel
- Illustration: Michael Menzel
- Alter: 10+ (lt. Verlag)
- Spieler: 2 – 4 (lt. Verlag)
- Dauer: 60 – 90 Minuten
Spielprinzip
Die Abenteuer des Robin Hood sind von Michael Menzel erdacht. Herr Menzel ist bereits der Kopf und Illustrator der Andor-Triologie. Aber bitte macht nicht denselben Fehler wie ich. Die beiden Spiele sind nicht zu vergleichen! Ein bis vier Spieler*innen erleben kooperativ die Geschichte von Robin Hood, Little John, Will Scarlet und Maid Marian. Im Kern handelt es sich um ein Storytelling-Spiel mit mehreren aufeinander aufbauenden Abenteuern. Diese Rezension ist selbstverständlich spoilerfrei.
Das Spielgeschehen findet auf einem großen zusammengesteckten Spielbrett statt. Hier gibt es gleich zwei Besonderheiten. Zum einen sind auf dem Brett über 90 doppelseitige eingestanzte Plättchen enthalten. Diese haben zwei unterschiedlich bedruckte Seiten und unter dem Plättchen ist ebenfalls noch eine Abbildung zu sehen. Ein Hauptelement des Spieles ist das Erkunden dieser Plättchen. In dem beiliegenden Abenteuer-Buch sind abhängig von dem gerade gespielten Abenteuer (und teilweise auch abhängig von den bei sich tragenden Gegenständen) andere Texte zu lesen. Meist wird das Plättchen nach dem Erkunden gedreht oder entfernt.
Die zweite Besonderheit ist die Art der Bewegung. Jede*r Spieler*in erlebt die Geschichte aus einer der oben genannten Charaktere. Der Spielplan hat keine Felder, sondern ist ein riesiges illustriertes Bild. Ähnlich wie man es vielleicht von Tabletop-Spielen kennt, wird die Bewegung mit Maßstäben geregelt. Dazu dienen zwei kleine und ein großer Stab. Kann der große Stab bei der Bewegung vermieden werden, bekommen die Charaktere in späteren Konfrontationen mehr Chancen zu gewinnen. Doch dazu später mehr. Bei der Bewegung müssen die aufgemalten Grenzen eingehalten werden. Es ist daher nicht möglich durch Wälder, Felsen, Mauern oder Ähnliches zu gehen.
Natürlich werden Robin und seine Weggefährten nicht ohne Konflikte durch den Sherwood Forest oder die Burg streifen können. Sie sind Geächtete und werden vom Sheriff von Nottingham und seinen Wächtern gesucht und festgenommen. Hier kommen weitere tolle Ideen zum Zuge. Der illustrierte Schatten gibt Schutz vor den Wächtern und lässt alle am Spieltisch kurz aufatmen. Aber Wachen wollen auch überwältigt werden. Sie helfen meist die knapp gemessene Zeit etwas zugunsten der Charaktere zu dehnen.
Damit kommen wir zum Runden-Mechanismus und zum Kämpfen. Dazu dient ein Stoffbeutel. In dem Stoffbeutel befinden sich große runde Spielsteine, in der jeweiligen Farbe der Brettakteure (etwa grün für Robin Hood, lila für den Sheriff oder rot für alle Wächter beziehungsweise dem Spiel). Die Spielreihenfolge ergibt sich durch Blindes ziehen dynamisch. Eine richtige Runde gibt es in dem Sinn nicht. Wenn alle Runden Spielsteine gezogen wurden, kommen sie wieder in den Beutel. Bei den roten Spielsteinen passiert allerdings am meisten. Kutschen bewegen sich, die überwiegend knappe Zeit verringert sich weiter, Wachen verschwinden an einigen Stellen und treten an anderen Plätzen neu in Erscheinung.
Der Kampf – also das Betreten eines Wächterplättchens (oder später der Pfeilschuss aus der Entfernung) – mit Wächtern wird auch dank des Beutels entschieden. Zu diesem Zweck wird der Beutel abhängig von der Spielerzahl und dem gewählten Schwierigkeitsgrad mit sehr, sehr vielen lilafarbenen Würfeln und wenigen weißen Würfeln gefüllt. Bei einer Konfrontation dürfen in der Regel bis zu drei Würfel gezogen werden. In den meisten Fällen wollen die Charaktere mindestens einen weißen Würfel ziehen. Dann gilt der Kampf als gewonnen. Die Würfel kommen nicht wieder zurück in den Beutel. Im Laufe des Spieles gibt es unterschiedliche Möglichkeiten den Verlauf zugunsten von Robin und Co. zu verändern. Bewegt ihr euch nur mit den kleinen Maß-Stäbchen und lasst den großen außen vor, dürft ihr einen weißen Würfel in den Beutel legen. Ihr bekommt aber auch beim Erkunden der Karte immer mal wieder einen Bonus, wenn ihr insbesondere Passanten um Hilfe bittet oder den umliegenden Wald näher erkundet.
Das Spiel bleibt übrigens bei den Kämpfen ganz Familien-freundlich. Die Wächter sterben nicht, sondern verschwinden nur kurz vom Spielplan und können dann wieder auftauchen. Auch wenn ein Charakter sich einmal unvorsichtig durch die Sonne bewegen sollte und plötzlich ein Wächter auftaucht, wird der Charakter nur zu dem Wächter „gezogen“ und muss sich von dort mit dem oben genannten Kampf befreien.
Jedes Abenteuer bietet neue Startvoraussetzungen. Eine Auswahl an Plättchen – meist Wachen und Adlige – sind bereits im Vorfeld umzudrehen. Mit besiegten Wachen kann man sich mehr Zeit erkaufen. Mit besiegten Adligen geht das in der Regel auch, aber zusätzlich erhält man tolle Gegenstände (Schwerter, Nahrung, etc.). Die Gegenstände sind auf dem Spielplan in der rechten oberen Ecke aufgedruckt. Mit einem Würfel in der entsprechenden Charakterfarbe lässt sich erkennen, wer welchen Gegenstand bei sich hat.
Jedes Abenteuer ist anders. Bis auf die Adligen und die Wachen lohnt es sich, sofern es die Zeit zulässt, ein paar Plättchen zu erkunden. An den Plättchen ist stets eine kleine Zahl abgedruckt. In dem beiliegenden Buch findet sich unter der Zahl ein entsprechender Entscheidungsbaum. Wenn ihr in Abenteuer 1 seid, lest weiter im Abschnitt x und so weiter. Damit ist auch sichergestellt, dass sich die Orte oder Aussagen von Personen verändern. Es kann sogar sein, dass man erst mit Personen sprechen muss, daraufhin an einem anderen Ort ein anderes Plättchen umgedreht wird und dann dort die nächste Person auftaucht. Wirklich gut gelungener Mechanismus.
Insgesamt gibt es neun Abenteuer in dem beiliegenden Abenteuer-Buch zu erleben. Das erste Abenteuer erklärt Menzel-like die Grundregeln des Spieles. In den nachfolgenden drei Abenteuern kommen jeweils wenige neue Regeln hinzu. Allerdings dauern diese auch schon deutlich länger als die erste Runde, so dass sie also als vollwertige Erlebnisse daher kommen.
Jeder Charaktere bekommt mit dem Start des vierten Abenteuers noch eine individuelle Note dazu. An dieser Stelle möchte ich nicht spoilern, aber es sind eher Dinge um die Spielmechanik besser ausnutzen zu können. Ansonsten kann die Wahl des Charakters ganz nach eigenen Vorlieben ausfallen.
Regeln?
In Andor hat es der Autor bereits vorgemacht. Ein richtiges Regelheft benötigt es nicht. Tatsächlich führt das erste Spiel spielerisch durch die Regeln. Im Laufe der nächsten drei Abenteuer kommen dann weitere Elemente dazu und es gibt ein Beiblatt für offene Fragen. Unglaublich aber wieder mal wahr. So einfach kann das Erlernen des Spieles sein. Auch im weiteren Verlauf haben wir in meiner Spielgruppe kaum offene Fragen gehabt. Und selbst da hat das Beiblatt direkt helfen können.
Story und Spaß
Wir haben schon Gloomhaven, T.I.M.E Stories, Tainted Grail, Detectives und auch diverse Exit-Spiele gespielt. Eigentlich lässt sich immer ein Ruckeln im Vorlesefluss finden oder eine ungewollte Schleife. Bei Robin Hood ist dem nicht so. Texte lassen sich einwandfrei und flüssig lesen. Es gibt mehrere Lesezeichenbändchen im Buch inklusive „Regieanweisung“ wie „Lege hier nun das goldene Lesezeichen hinein, damit du …“. Hervorragend durchdachtes Spieledesign. Das erspart langes und aufwendiges Blättern in dicken Büchern.
Die gesamte Story als auch die Schwierigkeit und Komplexität des Spieles sind auf ein tolles Familienspiel ausgerichtet. In meiner Experten-Spielgruppe fühlte sich das Spiel entsprechend leichtgewichtig an. Aber ähnlich wie bei einer guten Serie hat es uns doch von Abenteuer zu Abenteuer getrieben. Die Aufträge sind kreativ, so dass man meist viel zu viel auf dem Spielplan erkunden möchte. „Kann uns der Bettler helfen? Nein, einer geht besser zu x und irgendwer muss noch einen Weg in die Burg finden.“ Im Spiel zu viert ist es aufgrund der geringen Zeit ohnehin so, dass alle vier Charaktere in unterschiedliche Richtungen davon streben oder sich hier und da mal wieder treffen wollen/müssen.
Wie sieht es mit dem Glücksfaktor aus? Natürlich ist Steinchen aus dem Beutel ziehen per se eher vom Glück abhängig. Es kann auch vorkommen, dass der Sheriff zweimal hintereinander am Zug ist und damit einen Spieler für den Rest des Abenteuers ganz schön in Bedrängnis bringt. Die Kämpfe sind vorwiegend zugunsten der Wächter ausbalanciert. Nutzen die Spieler*innen nicht konsequent die kleinen Bewegungsstäbchen wird es noch knapper. In meiner wohl taktisch agierenden Runde war das aber alles nur der letzte Nervenkitzel zur Story passend. Glück ja, aber so richtig schlimm war es nicht. Liegt eventuell auch daran, dass selbst der hohe Schwierigkeitsgrad noch gut zu meistern war.
Eine Glückssache gibt es allerdings noch. Immer wenn ein rotes rundes Plättchen gezogen wird, wird eine Art Medaille aus dem Beutel gezogen. Diese Medaille gibt an, welche neuen Wächter und Adlige dazu kommen. Das kann schon so den einen oder anderen Plan kurzfristig verkomplizieren oder eventuell wird auch mal ein Charakter gefangen genommen.
Noch ‘ne Runde?
Ein Abenteuer geht je nach Grübelei, Abstimmung, Glück und Pech circa zwischen 60 und 90 Minuten. Noch ‘ne Runde also gerne. Wie sieht es aber mit dem Wiederspielanreiz aus? Robin Hood ist kein Legacy-Spiel. Zumindest werden die Plättchen oder anderes nicht dauerhaft zerstört. Aber eine erlebte Geschichte ist eine erlebte Geschichte … und die erlebt sich nur einmal. Es sind neun Abenteuer plus drei weitere Original-Online-Abenteuer auf der Verlagsseite dabei. Eine Erweiterung „Bruder Tak“ ist für 2022 angekündigt. Das Spiel lässt sich also weiter spielen … persönlich würde ich es aber nicht ein zweites Mal spielen. Naja … außer für Brettspiel-Neueinsteiger, die ein kooperatives Spiel kennenlernen möchten.
Unboxing
Spätestens beim Auspacken lässt sich erkennen, dass Michael Menzel in seinem „echten“ Leben Illustrator ist. Der Protagonist Robin Hood blickt den Betrachter mitten in seiner eigenen Bewegung über die Schulter hinweg an. Es entsteht von Anfang an eine gute Atmosphäre und zieht alle am Tisch in den Bann. Dieser Eindruck zieht sich beim Öffnen des Deckels weiter durch.
Das Hauptwerk ist die aus acht Teilen bestehende Karte in double-layer (also doppelt dick mit zwei Ebenen) Manier. Die herausnehmbaren 90 Teile sind fest im Board verankert. Bei häufig gedrehten Plättchen kann es schon mal sein, dass eine Ecke etwas ausfranst. Dabei ist jedes Plättchen mit einem kleinen Finger-Einschub versehen. Das sollte also zum Glück eher selten vorkommen. Der Druck auf dem dicken Pappboard ist in top Qualität und es lassen sich allein schon durch das Erkunden per Auge viele kleine Details auf der Karte erkennen. Es gibt also viel zu erkunden und zu entdecken.
Die gesamten Figuren sind aus Holz gefertigt. Dabei hat jeder Charakter (und natürlich auch der Sheriff) sein persönliches Konterfei. Auch wenn die Charaktere selbst im Spiel keine besonderen Eigenschaften haben (beziehungsweise erst ab dem vierten Abenteuer), ist es ein Genuss die Charaktere visuell unterscheiden zu können.
Das beiliegende Buch ist ein hardcover und hat wirklich die komplette Qualität eines Romans. Geprägte Außenseiten mit farbigem Druck. Die Innenseiten bestehen aus dickem gut greifbaren Papier. Im Buchinneren sind die Illustrationen allesamt schwarz-weiß. Dies verstärkt tatsächlich den Roman-Charakter. Die beiden Lesebändchen in goldener und roter Farbe dienen im Rahmen der Abenteuer als Sprunghilfe zum Auftrag oder an welcher Position sich die Spieler*innen aktuell befinden.
Es gibt übrigens einen sehr tollen Bericht zum Entstehungsprozesses des Spieles auf Boardgamegeek (in Englisch) direkt vom Autor. Absolut lesenswert und beinahe wäre es gar kein Robin Hood Spiel geworden.
Fazit
Das Spiel sieht klasse aus und schaffe es mich in die Abenteuer des Robin Hood hineinzuziehen. Das Spielmaterial hat eine tolle Qualität und Individualität, die ich mir bei anderen Spielen wünschen würde. Michael Menzel hat es geschafft viele innovative Ideen zu vereinen und die Spieler*innen zu jeder Zeit gut an die Hand zu nehmen. In Summe bleibt es aber ein leichtes Spiel, dass einen gewissen Glücksanteil nicht abstreiten kann. Trotzdem bin ich sehr froh, dass ich die Abenteuer erlebt habe. In die kommenden Erweiterungen werde ich wohl hin und wieder in diese Erlebniswelt eintauchen. Preis-Leistung empfinde ich als komplett angemessen.
- Thema: 5 von 5
- Mechanik: 3 von 5
- Wiederspielwert: 1 von 5
- Strategie: 2 von 5
- Qualität: 5 von 5
Gesamtwertung 3,2 von 5
Einzelsession oder Wiederholungstäter? Wiederholungstäter
Das Spiel habe ich privat erstanden. Diese Rezension ist unentgeltlich durchgeführt worden.
Stärken und Schwächen
Stärken | Schwächen |
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Tolle Illustration | Mit neun mitgelieferten Abenteuern recht kurz |
Hervorragende Story | Auch in schwer leicht zu meistern |
Absolut Familientauglich | Glückslastig |
Thematische, narrative und verzahnte Spiele ... hier geht mein Herz auf. Dazu eine stimmige Vinyl-Schallplatte (oder Playlist) und los geht das Abtauchen in die Spielwelt. Als Spielleiter und Spieler kann ich mich auch vortrefflich in Pen-und-Paper-Welten tummeln. Bei Videospielen bin ich raus. Ist mir meist zu schwer (einzige Ausnahme: Super Mario Kart).