In meinen Pen-and-Paper-Erlebnissen habe ich mit (oder gegen) Gleichgesinnten (oder als Spielleiter) unzählige Dungeons aufgesucht. Monatelang konnten wir in ihnen per Gedanken Gänge erkunden, plündern, brandschatzen, Rätsel lösen oder auch sterben. Tonnen an gefällten Bäumen habe ich mit Rätseln und Dungeon-Ideen voll gekritzelt. Ungespielte und fertig ausgearbeitete Abenteuer warten noch auf mutige Recken. Und ganz plötzlich legt meine Brettspiel-Gruppe 5-Minute Dungeon auf den Tisch. Wird das der Untergang der Pen-and-Paper-Szene werden oder werde ich gar wahnsinnig und mich in den Tiefen des Verlieses für immer verlieren?
Steckbrief
- Art: kooperativ
- Genre: Familienspiel, Partyspiel
- Kern-Mechaniken: Kartenspiel, Echtzeit
- Spielname: 5-Minute Dungeon
- Verlag: Franckh-Kosmos-Verlag
- Autor: Connor Reid
- Illustration: Alex Diochon
- Alter: 8+ (lt. Verlag)
- Spieler*innen: 2 – 5
- Dauer: 5 Minuten (je Level)
Spielprinzip
In 5 Minuten müssen bis zu fünf Spieler*innen einen Dungeon Boss bezwingen. Darum geht es in 5-Minute Dungeon und damit wäre alles gesagt. Na gut, fast alles. Tatsächlich hat der Boss einen Stapel an Hindernissen, Personen, Monstern, Ereignissen und Mini-Bosse in Form von Karten mitgebracht. Dieser Kartenstapel muss zunächst besiegt werden, bevor es zum Boss geht.
Es gibt 5 Charaktertableaus, unter denen die Spieler*innen auswählen können. Die Tableaus sind auf der Vor- und Rückseite mit jeweils einem anderen Charakter bedruck, so dass zwischen einem weiblichen und einem männlichen Helden gewählt werden kann. Zu jedem Tableau gibt es ein fertiges Kartendeck. Damit kommen wir zum Grundprinzip.
Die Decks der Spieler*innen bestehen neben ein paar individuellen Karten hauptsächlich aus Ressourcen-Karten. Es gibt insgesamt fünf Ressourcen: Schriftrolle, Sprung, Schwert, Schild und Pfeil. Auf den Boss-Karten sind ebenfalls einige oder alle dieser fünf Ressourcen in unterschiedlicher Anzahl aufgedruckt. Alle Spieler*innen versuchen gleichzeitig mittels der Ressourcen aus ihrer Hand die Boss-Karten-Symbole zu bedienen. Sobald alle geforderten Symbole auf dem Tisch liegen, wird der Stapel zur Seite gewischt und die nächste Boss-Karte gezogen. Die Spielenden können stets auf vier Handkarten nachziehen.
Falls die Zeit abgelaufen ist, kein Handkarten mehr übrig sind oder die ausliegende Boss-Karte nicht mehr besiegt werden kann, haben die Spieler*innen das Spiel verloren. Haben sie in 5 Minuten alle Karten und den Endboss besiegt, gilt dies als gewonnen.
Die größte Herausforderung bei dem Spiel ist, dass alle gleichzeitig an der Reihe sind. Die Spieler*innen können gleichzeitig die ausliegenden Symbole bedienen. Bei meinen Spielrunden entstand daraus stets ein hektisches und lautstarkes „wir benötigen noch ein Schwert“, „Schiiiiiilllllldddddd“, „nächste Karte“, „du darfst drei Karten ziehen“, „ich mach ihn“. Ach ja … und das alles gleichzeitig. Es lässt sich ja zum Glück mit fünf Gleichgesinnten spielen. Das Ganze wird dann noch gepaart mit Karten-geballere auf den Spieltisch oder dem unsanften Zurückschieben von Karten oder beiseite wischen der besiegten Monster. Es gibt einige Spieler*innen, denen Echtzeit- oder Reaktionsspiele gar nicht gefallen. Dazu zähle ich mich ebenfalls. Bei 5-Minute Dungeon ist es mir nicht negativ ausgefallen. Es gehört einfach zum Spiel dazu.
Die Würfel sind gefallen
Der kurze Dungeon-Crawler lebt von der Überraschung. Insbesondere von der Überraschung, was haben die Spieler*innen für Karten auf der Hand, welche Boss-Karte wurde gerade gezogen und wie sind die Symbole verteilt. Der Glücksfaktor ist entsprechend hoch. Selbst auf dem Karton hat Kosmos dem Spiel vier von fünf Glücksbewertungen gegeben. Persönlich ist mir nicht ganz klar, was ein Spiel mitbringen muss, um den fünften Punkt noch zu erhalten. Fairerweise sind die Karten so gut unter den Spieler*innen verteilt, dass ein Durchmarsch möglich ist. Trotzdem bleibt 5-Minute Dungeon ein Spiel mit hohem Glücksanteil.
Noch ne Runde?
In der Grundbox sind 5 Endgegner*innen (tatsächlich ist „Zola, die Gorgone“ weiblich) enthalten. In knapp 30 bis 45 Minuten sind diese mit etwas Glück alle besiegt. Abhängig von der Anzahl Spieler*innen und der gewählten Schwierigkeitsstufe lässt sich das Spiel leicht variieren. Wobei die Abwechslung stets durch mehr gegnerische Karten entsteht. Die kurze Spielzeit macht 5-Minute Dungeon aber zu einem perfekten Einstiegs- oder Abschluss-Spiel eines bereits gelungenen Abends.
In der Erweiterung kommen noch neue Kartenarten hinzu, die für dauerhafte Effekte sorgen (zuzüglich weiterer Helden und Bosse).
Unboxing
Die Box ist gemessen an dem Inhalt verhältnismäßig groß und entspricht dem quadratischen Kalax-Brettspiel-Standard. Das Innenleben besteht zwar aus Plastik, bietet dafür aber ein Ordnungssystem für die Karten und die Tableaus. Platz für die bereits erwähnte Erweiterung ist ebenfalls genug vorhanden.
Die Regeln sind optimal erläutert und stehen auf der Kosmos-Webseite zum Schnuppern bereit. Das Heft ist gut aufbereitet, mit zahlreichen Abbildungen, Anmerkungsboxen, Zusammenfassungen, Erst-Spiel-Hilfe und weiterem versehen. Für die geringe Spielkomplexität wirkt es fast schon zu viel. Aber dafür bleiben wirklich keine Fragen offen. Die acht Seiten sind dank des lockeren und guten Sprechstils leicht verdaulich.
Das gesamte Artwork ist im bunten, farbenfrohen Comic-Style gehalten. Unweigerlich musste ich dabei an die Cover der deutschen Terry Pratchett Scheibenwelt Romane oder die Serien Star Trek: Lower Decks oder Disenchantment denken. Dabei wird nicht an Wortspielen und lustigen Elementen gespart. Ein Endboss heißt zum Beispiel „Der Flecken-Schrecken“. Er stellt eine Mischung aus „Gevatter Tod“ und einem Hausmeister dar. In seiner linken Hand hält er eine Sprühflasche mit einem schwimmenden Totenkopf in der Hand. Das gesamte Spiel lädt zum Entdecken und Schmunzeln ein. Zumindest wenn genug Zeit wäre, um die Karten in Ruhe zu studieren.
Nicht Teil der Box, aber doch Teil des Ganzen, ist eine begleitende App. Diese ist kein „Must-Have“, nur eine weitere witzige Ergänzung. Die Hauptfunktion ist der 5-Minuten Timer, der per Countdown eingezählt wird. Analog einem Navigationssystem kann zwischen unterschiedlichen Sprecher*innen gewählt werden. Die befeuern die Spieler*innen vor, während und nach dem Stoppen mit witzigen Sprüchen in bayrisch oder koboldisch. Atmosphärisch ebenfalls überzogen, aber passt zu dem Partyspiel-Charakter. Apropos App: in den Regeln ist der falsche Link hinterlegt, aber in den üblichen App-Stores ist diese ohne Probleme zu finden (oder über den Link hier in der Rezension).
Fazit
5-Minute Dungeon ist ein super Start- oder ein Abschluss-Spiel für einen Spieleabend. Selbst Brettspiel-Neulinge kommen dank der einfachen Regeln und der kurzen Spielzeit schnell auf ihre Kosten. Schnelligkeit ist dabei natürlich das Zauberwort. Die vielen kleinen Details der Monsternamen und Artworks wird man dabei leider nur beim Ein- und Auspacken genug Aufmerksamkeit widmen können. Die Grundmechanik ist zu wenig abwechslungsreich und der Glücksfaktor zu hoch, als dass es eine Gruppe permanent in ihren Bann ziehen wird. Unter dem Strich wird es wohl nur sporadisch auf dem Tisch landen. Dann allerdings wahrscheinlich unter großem Gejohle und mit hohem Spaßfaktor.
Bewertung
- Thema: 3 von 5
- Mechanik: 2 von 5
- Wiederspielwert: 2 von 5
- Strategie: 2 von 5
- Qualität: 3 von 5
Gesamtwertung 2,6 von 5
Einzelsession oder Wiederholungstäter? Wiederholungstäter
Einsteiger-Freundlichkeit? Eindeutig
Das Spiel habe ich von Freunden ausgeliehen bekommen. Diese Rezension ist unentgeltlich durchgeführt worden.
Stärken und Schwächen
Stärken | Schwächen |
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Wild und turbulentes Partyspiel | Nichts für maulfaule Menschen |
Gute Regelaufbereitung | Glücksspiel |
Witziges Artwork und viel Humor | Artwork wiederfährt wenig Aufmerksamkeit durch die Spielenden |
Thematische, narrative und verzahnte Spiele ... hier geht mein Herz auf. Dazu eine stimmige Vinyl-Schallplatte (oder Playlist) und los geht das Abtauchen in die Spielwelt. Als Spielleiter und Spieler kann ich mich auch vortrefflich in Pen-und-Paper-Welten tummeln. Bei Videospielen bin ich raus. Ist mir meist zu schwer (einzige Ausnahme: Super Mario Kart).