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analog rockt Brettspielrezensionen

Radlands

Der Artikel wurde von Horst geschrieben. 16 Minuten Lesezeit

In einer dystopischen Zukunft kämpft ihr bei Radlands um Leben und Tod. Beziehungsweise Wasser und Camps. In dem Zweipersonen Duellkartenspiel geht es direkt kompetitiv zur Sache. Euch erwartet ein schnelles, ein knallhartes und ein farbenprächtiges Endzeitszenario und zwar auf einem großartigen Ausstattungsniveau.

Müsste ich Fans von Filmen wie Mad Max oder Mortal Engines ein Spiel empfehlen, hätte ich jetzt eins. Der kanadische Spieleverlag Roxley Games hat mit Radlands ein neues Spiel publiziert. Der Verlag dürfte einigen sicherlich durch das großartige Brass: Birmingham bekannt sein. Brass: Birmingham vereint neben einer genialen Spielmechanik, hochwertige Artworks, haptisch aufwendige Spielsteine und insgesamt eine durch und durch tolle Produktqualität. Entsprechend hoch sind die Erwartungen an das neue Spiel. Diesmal verschlägt uns das Setting in die Zukunft. Zwei Spieler*innen müssen ihre letzten Camps verteidigen. Die Wasservorräte sind knapp. Daher will jeder Zug gut überlegt sein. Mal sehen, was es Spiele-technisch taugt. Also passenden Soundtrack ausgesucht und los geht es.

Steckbrief

Innenartwork aus dem Pappdeckel. Mal was anderes als grau.
Innenartwork aus dem Pappdeckel. Mal was anderes als grau.
  • Art: kompetitiv
  • Genre: Kennerspiel
  • Kern-Mechaniken: Kartenspiel, Duellkartenspiel
  • Spielname: Radlands
  • Verlag: Roxley Games
  • Autor: Daniel Piechnick
  • Illustration: Manny Trembley (Illustration), Damien Mammoliti (Illustration), Gavan Brown (Graphic Design)
  • Alter: 14+ (lt. Verlag)
  • Spieler*innen: 2
  • Dauer: 20 – 40 Minuten

Spielprinzip

Wasser, ich brauche Wasser

Ziel des Spieles ist es, drei Camps (in Form von Karten) des Gegenübers als Erstes zu vernichten. Dazu steht ein gemeinsam genutzter Nachziehstapel zur Verfügung. Es gibt im Prinzip drei Arten von Karten: Camps, Personen und Events. Die drei Camps werden zu Beginn aus sechs gezogenen Karten ausgewählt und sind das primäre und begehrte Angriffsziel. Die Anzahl der Handkarten zum Spielbeginn orientiert sich an einer kleinen aufgedruckten Zahl bei den Camps. Natürlich lassen sich die Camps mit Personen-Karten schützen. Dazu können die Spieler*innen in zwei Reihen vor einem Camp je eine Personenkarte ablegen. In der direkten Auslage können maximal bis zu neun Karten vor den Spieler*innen liegen.

So sehen geschützte Camps (unten) aus
So sehen geschützte Camps (unten) aus

Dann gibt es noch die Eventkarten, die oft aggressive Aktionen auslösen. Diese besitzen eine kleine aufgedruckte Zahl in einem Bombensymbol. Diese Zahl gibt an, in welchem zukünftigen Zug der aktiv spielenden Person das Event eintritt. Dazu werden die Events in einer Art Countdown-Slot neben die Campauslage platziert. Es können in der Regel dabei aber nie mehr als drei aktive Events ausgespielt werden. Die Spieler*innen können die drohenden Aktionen also bereits sehen und sind gut damit beraten sich auf dieses kommende Ereignis vorzubereiten. Eventkarten lassen den Puls rasch höher schlagen. Tolle Idee!

Events werden erst in den nächsten Zügen ausgeführt. Tolle Slot-Mechanik!

Damit ihr Personen oder Events ausspielen könnt, müsst ihr Wasser bezahlen. Ihr habt in jeder Runde nur drei Wasser zur Verfügung. Ja, drei Wasser. Es gibt Karten und andere Möglichkeiten an zusätzliches Wasser zu gelangen, aber im Schnitt wird es bei drei Wasserressourcen bleiben. Und das ist wirklich wenig. Schließlich kosten die coolen Karten allein zum Ausspielen bereits vier Wasser. Und dann habt ihr noch keine von den Fähigkeiten der ausliegenden Karten genutzt. Fähigkeiten?

Jede Karte hat gewisse Fähigkeiten, die ebenfalls mit Wasser bezahlt werden müssen, um sie nutzen zu können. So gibt es unter anderem Fähigkeiten für zwei Wasser eine Karte zu heilen oder für ein Wasser einen Angriff auf Personen-Karten zu starten. Schon wieder zu wenig Wasser? Also doch lieber zwei Runden im Voraus planen und sich dann mit Wasser für einen finalen Engine Builder Effekt zu zudecken?

Fähigkeiten, Fähigkeiten und noch mehr Fähigkeiten

Noch ein paar Worte zum Angriff. Jede Attacke oder jeder Angriff macht in der Regel nur einen Schadenspunkt (Sondereffekte oder Fähigkeiten hier mal außen vor gelassen). Das heißt ihr müsst eine Person oder ein Camp mindestens zweimal attackieren und hoffen, dass der andere Spieler dies in der Zwischenzeit nicht wieder heilen kann. Heilen ist zum Glück eher selten.

Zug um Zug

Der/Die Startspieler*in wird einfach per Zufallsflip eines Wassersteins ausgelost und darf in der ersten Runde nur über ein statt drei Wasser verfügen.

Jeder Zug beginnt gleich. Erst werden eventuelle Events hochgeschoben (ihr erinnert Euch? Es gibt diese drei Slots). Wird das oberste Event aus den Slots heraus geschoben, tritt es in Kraft. Ein vielfach verwendetes Event macht direkt einen Schaden auf einem Camp – egal, ob es geschützt ist oder nicht. Dafür darf der/die Betroffene sich das Camp aussuchen.

Im zweiten Schritt dürft ihr eine neue Karte von dem gemeinsamen Nachziehstapel ziehen und alle Wassersteine (=3) werden wieder zur Verfügung gestellt.

Im dritten Schritt kommt die eigentliche Aktionsphase. Hier könnt ihr Karten von der Hand bezahlen, wenn ihr genügend Wasser dafür bezahlen könnt. Auf allen Karten befindet sich oben links ein kleines Symbol. Das Junk-Symbol. Statt die Karte für ihren eigentlichen Zweck auszuspielen, könnt ihr sie von der Hand abwerfen und dafür die Belohnung aus der oberen linken Ecke benutzen. Das kann direkter Schaden sein, das kann ein zusätzliches Wasser sein, heiß begehrtes Karte heilen oder ähnliche Aktionen sein. Ausgespielte Karten sind – außer ihr habt bestimmte Sonderfertigkeiten – in dieser Runde noch inaktiv. Dies wird unter anderem dadurch gekennzeichnet, dass das ausgegebene Wasser auf der Karte liegen bleibt bis ihr wieder bei Schritt zwei angekommen seid.

Statt Karten abzuwerfen oder auszuspielen, könnt ihr auch die Fähigkeiten der aktiven Karten und Camps spielen. Auch dies kostet in der Regel Wasser und auch das wird auf die Karte gelegt. Damit ist auch eine Karte meist nur einmal je Runde nutzbar. Dafür habt ihr hier die Dinge, die das Spiel so richtig voranbringen. Solche Effekte könnten sein„zerstöre alle Personen in der Reihe“, „zerstöre eine Karte“ und ähnlich aggressive Aktionen.

Nach 20 Minuten steht oft der*die Sieger*in fest und der*die Verlierer*in schaut etwas bedröppelt auf die drei zerstörten Camps hinab.

Frust oder Lust?

Wie spielt es sich nun aber gegeneinander? Wie hoch ist die Interaktion? Mein Puls steigt rasend im Spielverlauf. Da spielt die andere Seite ein Event aus: eins meiner Camps wird dadurch in zwei Zügen zerstört. Also Camp schützen oder schaffe ich es die Karte zu neutralisieren. Habe ich ausreichend Wasser für beide Aktionen? Moment, kann ich nicht selbst Schaden zufügen? Und wie bekomme ich diese teure Karte ausgespielt? Moment, die eine Karte hat diesen tollen Sondereffekt. Schon wieder kein Wasser?

Die Downtime fällt sehr gering aus. So viele Aktionen und Grübeleien stehen aufgrund des knappen Wasservorrates in der eigenen Runde nicht zur Verfügung. Das verstärkt das Gefühl weiter gehetzt zu werden. Mit etwas Taktik und Glück lassen sich mit mehreren Karten tolle Combos durchziehen. Eins steht fest: eine lauernde Taktik führt bei diesem Spiel nur zu einer Verzögerung. Wer nicht nach vorne prescht und Angriffe plant, wird sehr wahrscheinlich eine Revanche haben wollen. Mit anderen Worten: Die Interaktion untereinander ist extrem hoch.

Aller Anfang … die Regeln

Das kleine, dünne und farbige Regelheftchen liegt in einem eher ungewöhnlichen Format bei. Auch wenn die Anleitung schnell durchgelesen ist, wird sie noch einige Male bei den ersten Partien zurate gezogen werden müssen. So sind Begriffe wie „people“, „punks“ und „enemies“ sowohl im Regelheft als auch auf den Karten zu Beginn nicht klar abgegrenzt. Im klein gedruckten Text steht an zwei unterschiedlichen Stellen etwas versteckt, dass people = punks und people = enemies sind. Etwas verwirrend zum Beginn. Wie bei vielen Vertretern des Spielegenres üblich folgt in der Anleitung noch eine kurze Übersicht spezieller Sonderregeln ausgewählter Karten.

Trotz aufgeführter Kritik ist die Einstiegshürde und die Lernkurve extrem schnell. Das Spiel ist einfach erklärt und die meisten Besonderheiten ergeben sich spätestens nach wenigen kurzen Runden. Für die erste Runde werden vorausgewählte Camps je Seite vorgeschlagen. Damit startet sich das Spiel noch schneller und führt zum Start auf gut ausbalancierte Seiten.

Am Ende bleibt Radlands allein schon wegen des offensichtlich kampflustigen Themas und den verspielten aber deutlichen Aufmachungen der Karten ein Kennerspiel. Im Laufe der Partien werden die Spieler*innen immer wieder mit neuen Strategien und Gemeinheiten konfrontiert, Gegencombos wollen gestartet werden und oh … kein Wasser mehr übrig.

Beim Regelheftchen gilt klein, aber … okay. Auf jeden Fall ist es hübsch.

Die Würfel sind gefallen

Radlands ist ein Kartenspiel oder genauer ein Duellkartenspiel. Eine gewisse Portion Glück gehört beim Nachziehen natürlich zu. Bereits bei der Campauswahl (behalte drei von sechs gezogenen Karten), aber auch beim regelmäßigen Kartenziehen aus dem gemeinsamen Nachziehstapel, können die Spieler*innen auch mal Pech (oder eben Glück) haben. In den gespielten Runden mit unterschiedlichen Spieler*innen kam uns das Spiel aber nie wirklich glückslastig vor. Letztlich war viel öfter die getroffene Campauswahl oder ein „Verzocken“ in der Ausspielstrategie der Grund für drei zerstörte Camps auf der eigenen Seite.

noch ne Runde?

Eine Partie dauert laut Beschreibung 20 bis 40 Minuten. In der Realität (außer in den ersten Runden) liegt die Dauer eher bei 20 Minuten. „Eine Runde geht noch?“ ist wahrscheinlich der meist gesprochene Satz nach einer Partie. Das liegt vielleicht an dem Quäntchen Glücksfaktor, der die Balance wieder herstellt. Es liegt aber sicherlich auch daran, dass eine kleine Revanche immer drin ist und es verführend wirkt noch mal eine andere Taktik auszuprobieren. Keiner meiner Spielegruppen konnte sich dem Suchtfaktor entziehen und schon wurde wieder eine Runde auf den Tisch gebracht. Spricht eindeutig für das Spiel.

Unboxing

Bei einer möglichen Bestellung fällt erst einmal die ungewöhnliche Benennung der Versionen auf. Es gibt eine Deluxe-Version und eine Super-Deluxe-Version. Ob eine Standard-Version erscheinen wird, konnte ich auch durch Nachfrage beim Verlag nicht herausfinden.

Das Auge will auch mitspielen! Und wie! Die Super-Deluxe-Box glänzt mit einem grandiosen Artwork auf der Schachtel. Im Stile von Borderlands. Selbst im Inneren schauen wir auf eine grandiose thematische Zeichnung statt auf tristes Papp-grau.

Schachtel in der Schachtel: Im Inneren befindet sich eine kleine Box, die ebenfalls zu überzeugen weiß. Passen in das kompakte Format sowohl das Regelheftchen, alle Karten und die Wasserressourcen. Die kleine Box ist mit einem magnetischen Verschluss ausgestattet. Dieser wird sicherlich keinen Herzschrittmacher aus dem Takt bringen, aber gelungen ist es dennoch. Die kleine Box entspricht der „normalen“ Deluxe-Version.

Die Deluxe-Version in der Super-Deluxe-Version. Artwork innen und außen der Super-Deluxe-Box lässt sich sehen, aber auch die kleine Box überzeugt.

Lasst uns einen Blick in das Innere der kleinen Box werfen. Was purzelt uns da in die Hände? Handschmeichelnde Backgammon-Steine mit einem eingeprägtem Wassertropfen. Sollten dies … oh ja, es sind tatsächlich die Wasserressourcen. Jetzt wollt ihr noch mehr Wasser haben. Versprochen.

Eine Runde Backgammon äh … Radlands spielen?

Auf der Verlagsseite lässt sich lesen, dass es sich bei den Karten um „nahezu unzerstörbare Karten“ handelt. Das stimmt. Sie sind aus einer Art Plastik gefertigt, die deutlich stabiler wirken als das gros der Konkurrenz. Ich sleeve eigentlich ganz gerne. Bei Radlands wollte ich die wunderschöne Haptik nicht missen. Habe bei dem Verlag übrigens eine Anfrage zu dem Kartenmaterial erstellt und folgende Original-Rückmeldung erhalten: „The cards in deluxe and super deluxe versions of Radlands are printed on Synth™ card stock. Synth™ is a custom manufactured PVC based stock which can be bent end to end. It is also water and spill proof, eliminating the need for sleeves!“

In der Super-Deluxe-Box sind zwei unterschiedliche Spielermatten dabei. Meist empfinde ich Spielermatten als rausgeworfenes Geld. Bei Radlands bieten sie eine gut gelungene Organisation des Tisches genauer gesagt beim Auslegen der Karten. Ich würde sogar soweit gehen, dass die Spielermatten ein must-have sind. Sie erleichtern den Einstieg in das Spiel, machen den Aufbau und Spielverlauf deutlich flüssiger und übersichtlicher. Zum Beispiel werden die Slots für die Eventkarten dadurch besser verständlich. Schade nur, dass die Spielermatten nicht zur Grundausstattung gehören.

Wer hätte gedacht, dass Spielermatten sinnvoll sind.

Unabhängig von der Version … am Ende bleibt immer die kleine Kartenbox mit Anleitung und Wassersteinen übrig. Die passt zum Glück in jedes Hand- und Reisegepäck.

Hier noch einmal alle Teile der „normalen“ Deluxe-Version im Handtaschenformat.

Fazit

Dieses postapokalyptische Spiel ist thematisch toll umgesetzt. Die Visualisierungen, das Design und die Materialien sind erstklassig und haptisch echte Handschmeichler. Alle meine Testspieler*innen konnten und wollten die Karten und Ressourcensteine gar nicht mehr loslassen.

Das Spiel ist hochgradig auf den gegenseitigen Konflikt ausgelegt. Das macht es zu einem schnellen und unerbittlichen Spiel. Die ineinandergreifenden Mechaniken und möglichen Aktionsketten runden das Spielprinzip ab. Die Glückselemente gleichen sich bei diesem Kennerspiel einigermaßen aus und wirken wenig störend.

Das Studium der Anleitung offenbart deutliche Schwächen und bedarf des mehrmaligen Lesens (oder der Foren-Recherche). In der „normalen“ Deluxe-Version hätte für mich bereits die Spielermatte dabei sein müssen. Der Mehrpreis für die Super-Deluxe-Version bringt also keinen Spiel-Mehrwert, ist aber für den Spielablauf deutlich zu empfehlen.


Bewertung

  • Thema: 4 von 5
  • Mechanik: 3 von 5
  • Wiederspielwert: 3 von 5
  • Strategie: 3 von 5
  • Qualität: 5 von 5

Gesamtwertung 3,8 von 5

Rating 4 von 5 Meeple
Rating 4 von 5 Meeple

Einzelsession oder Wiederholungstäter? Wiederholungstäter

Das Spiel habe ich privat erstanden. Diese Rezension ist unentgeltlich durchgeführt worden.

Stärken und Schwächen

StärkenSchwächen
Spielmechanik: schnell und fiesAnleitung
Wunderschönes Artwork und HaptikAusstattung in der Deluxe-Version; Teure (aber „notwendige“) Super-Deluxe-Box
Hoher Suchtfaktor Nichts für reine Koop-Spieler Kuschelspieler

Autoren Posts

Thematische, narrative und verzahnte Spiele ... hier geht mein Herz auf. Dazu eine stimmige Vinyl-Schallplatte (oder Playlist) und los geht das Abtauchen in die Spielwelt. Als Spielleiter und Spieler kann ich mich auch vortrefflich in Pen-und-Paper-Welten tummeln. Bei Videospielen bin ich raus. Ist mir meist zu schwer (einzige Ausnahme: Super Mario Kart).

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