Helden wollen Abenteuer
Und ihr? Es ist nun schon etwas länger her, dass Stefan aus der Männerspielrunde Lords of Waterdeep angeschleppt hat. Was braucht es aus meiner Sicht gar nicht: einen lahmen Versuch, ein Rollenspiel-System als Franchise-Marke auszubauen. Insbesondere nicht in die Brettspielwelt hinüberzuwerfen. Ich war schon etwas von Aventuria (Das Schwarze Auge) enttäuscht. Auch wenn das viele Fans hat. Ich wollte nicht zusätzlich meine liebgewonnenen Erinnerungen an unzählige Abenteuer im Dungeons & Dragons Universum mit einem faden Beigeschmack versehen. Und hey, man muss in Waterdeep nicht mal einen Drachen finden oder gar in dunkle Katakomben abtauchen. Was soll das dann?
Steckbrief
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Name | Lords of Waterdeep |
Erscheinungsjahr | 2012 |
Accessibility Report | Meeple Like Us |
Komplexität | Medium Light |
BGG Rank | 7.73 (101) |
Anzahl Spielende | 2-5 |
Autoren | Peter Lee and Rodney Thompson |
Illustratioren | Eric Belisle, Steven Belledin, Zoltan Boros, Noah Bradley, Eric Deschamps, Wayne England, Tony Foti, Todd Harris, Ralph Horsley, Tyler Jacobson, Ron Lemen, Howard Lyon, Warren Mahy, Patrick McEvoy, Jim Nelson, William O'Connor, Adam Paquette, Lucio Parrillo, Dave Rapoza, Richard Sardinha, Mike Schley, Andrew Silver, Anne Stokes, Gábor Szikszai, Matias Tapia, Kevin Walker, Tyler Walpole, Eva Widermann, Eric Williams (I), Matt Wilson (I), Sam Wood, Ben Wootten and James Zhang |
Hersteller | Wizards of the Coast |

Spielprinzip

Wir sind alle Lords in der Stadt Waterdeep und schicken unsere Agenten-Figuren los, um Heldentruppen zu rekrutieren. Diese müssen Aufgaben erledigen und damit den Ruhm eines der maskierten Machtinhaber der Stadt mehren. Klingt nach Dungeon-Crawler oder Tabletop-Geschnetzel wie Frosthaven? Ist es nicht! Wir haben ein Worker-Placement-Spiel in Reinkultur vor uns.
Vor den Spielenden breitet sich eine Karte von Waterdeep aus. Einige Häuser, genauer gesagt Einsatz-Felder, stehen parat und einige leere Flächen wollen später dazu „gebaut“ werden. Es wird über acht Runden gespielt. Eine Runde endet, nachdem alle reihum ihre Agenten-Figuren in die Stadt gebracht haben. Die Anzahl der Figuren ist abhängig von der Gesamtzahl Personen. Bei drei Personen haben wir genauso viele Figuren zur Verfügung. Bei mehr als vier Spielenden verbleiben nur noch zwei Agenten-Figuren. Jede Person erhält nach der fünften Runde eine weitere Figur.
Was machen wir mit den Figuren? Wir setzen sie auf den Häusern ein. Zum einen können wir in einigen Häusern Ressourcen … Entschuldigung … Heldenklassen anwerben. Diese werden durch Holzklötzchen in den Farben weiß (Priester), lila (Magier), orange (Kämpfer) und schwarz (Diebe) dargestellt und aufgrund ihrer Form einfach viel zu oft als Ressourcen angesehen.

Diese Helden müssen in der richtigen Mischung und Anzahl für die ausliegenden Quests gesammelt werden. Dafür ist es notwendig, sich erst diese mit einer Aktion (Einsatz-Feld des entsprechenden Hauses) zu sichern und in die eigene offene Quest-Ablage zu überführen. Jedes Abenteuer hat einen Titel, einen Typ und etwas Flavourtext. Meist passt der Typ mit den zu sammelnden Heldenklassen hervorragend überein und wird dank des Flavourtextes etwas überspitzt dargestellt. Für die „Beschaffung“ eines magischen Gegenstandes werden neben Magier auch Diebe benötigt.

Erfüllte Quests geben in der Regel Siegpunkte und oft auch weitere Ressourcen zurück. Es gibt darüber hinaus aber auch Plot-Quests, die dauerhafte Boni vergeben. Da gibt es zum Beispiel eine Plot-Quest, die es erlaubt, eine Aktion auf einem bereits besetzten Haus-Feld durchzuführen oder immer wenn man eine magische Ressource akquiriert, erhält man eine Intrigenkarte. In jedem Fall kann die richtige Reihenfolge bei der Erfüllung der Abenteuer helfen. Erhält man in etwa bei einer Quest als Belohnung vier Diebe zurück und benötigt für eine andere Quest eine ähnliche Anzahl, lässt sich eine Engine aufbauen. Zumindest in Teilen, denn man darf pro eigenen Zug nur eine Quest lösen. Eine gewisse Vorausplanung ist also notwendig.
Besetzte Einsatz-Felder sind für die anderen blockiert (first come, first serve). Es gibt aber noch mehr Elemente zum Ärgern, wie in etwa die Intrigenkarten. Davon gibt es drei Arten. Die nette Art erlaubt es meist, ein paar Ressourcen zu bekommen. Manchmal sogar, dass auch die Mitspielenden etwas bekommen. Die Angriffs-Art (Attack) nimmt vornehmlich Ressourcen von den anderen Mitspielenden weg oder nervt in einer anderen Form. Die schlimmste Kartenart sind aber die verpflichteten Abenteuer. Diese spielt man immer zu einem der Mitspielenden aus. Der muss nun erst diese mit den richtigen Ressourcen lösen, bevor er seine eigenen Quests weiter verfolgen darf.

Durch die Abenteuer erhalten die Spielenden in der Regel Siegpunkte, die dauernd auf der umlaufenden Leiste abgebildet werden. In der Endabrechnung werden übrige Ressourcen und Geld noch in Punkte umgewandelt. Der eigentliche Clou ist aber die erledigten Quests. Die Spielenden suchen sich zu Beginn einen der erwähnten maskierten Machtinhaber aus (zwei Karten, eine behalten). Dieser gibt an, wofür am Ende weitere Siegpunkte purzeln. Überwiegend für alle gelösten Abenteuer des Typ x und y gibt es z-Punkte. Gerade in Runden mit mehreren Personen gibt es dabei vielfach Überschneidungen und alle lechzen nach den richtigen Quest-Karten. Hier kann sich am Ende noch einmal Sieg und Niederlage drehen.
Mehr Waterdeep
Für LoW ist noch die Erweiterung Scoundrels of Skullport erschienen. Eigentlich sind es sogar drei Erweiterungen auf einmal. Zum einen lässt sich das Spiel ab nun (auch in der Grundversion) zu sechst spielen. Dazu kommt natürlich more of the same in Form von Intrigen-, Questskarten und neuen Gebäuden. Mechanisch bringen die beiden Module Undermountain und Skullport etwas mehr. Wohingegen Undermountain primär neue Start-Gebäude bereitstellt, kommt mit Skullport etwas mehr Spannung auf. Es gibt ein eigenes Korruptionsbrett. Durch Quests oder Intrigenkarten wird man immer wieder verlockt, sich einen Korruptionsmarker zu nehmen. Die Leiste beginnt bei -1 Siegpunkt und endet bei -9 Siegpunkten. Am Spielende wird ausgewertet, wie viele Marker jede Person hat und enthält dann als Multiplikator die negativen Siegpunkte. Es gibt ferner Möglichkeiten, diese Marker wieder zurück, auf das Brett zu bringen oder sogar ganz aus dem Spiel zu entfernen. In der Spielpraxis ist das hauptsächlich eine Chance, gegen Ende noch die Mitspielenden mit Markern zu versorgen und sich möglichst leer zu spielen.
Kurzes Zwischenfazit: Die Erweiterungen bringen zwar weitere Elemente, aber wer nicht dauernd zu sechst spielt, braucht diese nicht unbedingt. Skullport klingt zwar zu Beginn vielversprechend, aber es ist gegen Ende einfach nur eine weitere unerwünschte Maßnahme, die alle abhält, eine weitere Quest zu erledigen. Habe mir fest vorgenommen, einmal eine Runde zu spielen, ohne die Erweiterung zu nutzen. Das klappt wahrscheinlich auch.
Digitale Welt
Es gibt für die Tablet-Fraktion eine hervorragend umgesetzte Version, mit der sich unter anderem Solo gegen unterschiedliche Anzahl an KI-Gegnern mit unterschiedlichen Schwierigkeitsleveln antreten lässt. Die Version ist so nah am Brettspiel, dass ein Spiel zwischen 30 und 45 Minuten gezockt werden kann. Ich bin sonst nicht so für Brettspiel-Simulationen auf dem Bildschirm zu haben, aber Lords of Waterdeep ist ein totaler Genuss. Ich habe mich aber entschieden eine extra Artikel zu digitalen Brettspiel-Umsetzungen zu schreiben. Wenn ihr aber jetzt hier und sofort eine Empfehlung braucht, könnt ihr direkt zu schlagen!
Unboxing
Erst einmal besticht Lords of Waterdeep durch das stimmige Dungeons & Dragons Artwork auf dem Cover (und selbstverständlich auch auf den Karten). Ungewöhnlich ist das Design der Schachtel. Es sieht fast so aus, als ob der Deckel nicht richtig schließt und man etwas von der unteren Schachtelseite herausschaut. So gewollt.

Innen begrüßt uns für das Erscheinungsjahr 2012 überraschend eine sehr funktionale und gute Sortierhilfe. Wir kommen später noch zu den Druckmöglichkeiten, aber ein Inlay braucht es wirklich nicht unbedingt. Es ist selbst daran gedacht, dass man die Karten gut mit einem Fingerdruck anheben kann, um sie herauszuholen. Da wünsche ich mir doch, dass so mancher Hersteller von Wizards of the Coast lernen würde.
Eigentlich ist auch der Rest des Materials einwandfrei. Die Karten enthalten neben passiger Motivgestaltung auch witzige Flavourtexte. Die Goldmünzen sind zwar aus Pappe, haben aber die charakteristische Figur von Halbmonden. Agenten-Figuren und Ressourcen sind aus Holz. Einzig die Ressourcen … also die Helden … sind vielleicht etwas zu einfach.

Als einen Höhepunkt sollte noch das Spielbrett hervorgehoben werden. Es bildet nicht nur simple Platzhalter für die möglichen Häuser und Karten dar, sondern in der Mitte wird der Stadtplan mit angedeuteten Straßen und Häusern detailliert dargestellt. Es lässt sich auch direkt mit der Rollenspieltruppe verwenden, wenn es an Waterdeep Material fehlen sollte.
Bling Bling
Wer sich bei Etsy oder auf 3D Druck-Seiten herumtreibt, wird noch einige spannende Aufwertungen finden. Timo hat mir beispielsweise noch die Ressourcen als ausgedruckte Figuren geschenkt. Da haben Diebe, Magier, Krieger und Priester alle eigene farbige Mini-Meeple bekommen.

Von Bill habe ich in etwa eine „Tischdecke“ bekommen, die das Spielbrett ersetzt. Die ist auch gleich mit allen Elementen für die Erweiterungen ausgestattet und macht die zusätzlichen Spielbretter überflüssig.
Auch die Münzen lassen sich natürlich durch passende Metallmünzen ersetzen. Da gibt es haufenweise Angebote für Waterdeep. Allerdings braucht es schon einige davon, sodass ihr euch bereits ein paar neue Spiele als Gegenwert kaufen könntet.
Lokalisierung
Das Spiel ist ausschließlich in englischer Sprache verfügbar und ja, die Sprache sollte man schon lesen können. Wer Harry Potter im Original verschlungen hat oder einfach beruflich mal einen englischen Text liest, wird sich auf vertrautem Terrain befinden. Wenn ihr aber ohne Übersetzungs-KI nicht mal euer Bier bestellen wollt, macht lieber einen Bogen um das Spiel. Es gibt bei Boardgamegeek natürlich auch einiges an übersetzten Material, aber macht es noch Spaß, jede Intrigen- und Quest-Karte zu übersetzen? Ich befürchte nicht.
Bewertung
Lords of Waterdeep ist eines meiner absoluten Lieblingsspiele. Warum? Es ist einfach erklärt, hat viel Spieltiefe und bedarf einer gewissen Vorausplanung. Auch manche Kombinationen an zu lösender Quest sind interessant. Bekommt man als Belohnung in einer Quest vier schwarze Diebe und benötigt in einer anderen Quest vielleicht drei Diebe, ist die Reihenfolge entscheidend. Dabei ist Lords of Waterdeep kein Gehirnzwirbler, sondern allein durch die reduzierte Spielmechanik eher ein solides Kennerspiel. Dafür gibt es kaum Downtime und meist können gerade in der mittleren Spielzeit die Züge in kurzem Intervall hintereinander abgefeuert werden.

In Summe dauert das Spiel grob 90 Minuten und je nach grübelnden Mitspielenden auch etwas länger. Interessant ist es auch, dass gegen Spielende jede Person noch eine weitere Figur zum Einsetzen erhalten. Das steigert die Dynamik gegen Ende enorm.
Es ist und bleibt ein hervorragendes Spiel, das durch die elegante Schlichtheit erst in den magischen Bann zieht. Das Dungeons & Dragons Thema tritt für Kenner dezent in Erscheinung. Für Nicht-Rollenspielende ist es einfach ein grandioser Worker-Placer in einem Fantasy-Setting.
Die Verfügbarkeit ist für mich übrigens eine etwas schleierhafte Geschichte. Es gibt einige Shops, die es gelegentlich führen. Allen voran Fantasy Welt hat es immer wieder für einen sehr fairen Preis im Angebot. Auf dem Sekundärmarkt muss man schon Glück haben, weil es manchmal nur zu Mondpreisen angeboten wird. Ich bin mir also nicht mehr sicher, ob es wirklich noch regelmäßig (nach)produziert wird, aber es ist mit etwas Suche zu erwerben.
Für mich gibt es sowohl Magier, Diebe, Priester und Kämpfer in der Bewertung. Also alle vier Heldenklassen und damit

Björns Meinung
Lords of Waterdeep war für mich so etwas wie das Tor in eine neue Brettspielwelt. Ich wusste damals noch nicht mal, dass man das, was es tut, „Worker Placement“ genannt wird – ich wusste nur: Es macht verdammt viel Spaß. Dieses Gefühl, wenn man dringend einen bestimmten Ort braucht und zittert, ob ihn einem jemand vor der Nase wegschnappt… pure Nervenspannung, ganz ohne Würfel.
Was mir bis heute daran gefällt ist die angenehme Zugänglichkeit, die aber nie banal ist. Man steigt schnell ein, kann direkt mitspielen, aber unter der Oberfläche schlummert genug Strategie, um auch nach vielen Partien noch zu motivieren. Es ist einfach elegant konstruiert.
Die Erweiterungen? Nette Zugaben. Skullport bringt ein bisschen mehr Reiz durch die Korruptionsmechanik, die durchaus Entscheidungen mit Konsequenzen verlangt – aber das Grundspiel funktioniert auch wunderbar für sich.
Lords of Waterdeep ist eines dieser Spiele, bei denen ich immer wieder denke: „Ach, das geht doch immer.“
Bills Meinung
Ich weiß nicht, ob es hier mal irgendwo Erwähnung fand, aber da meine Frau aus Mexiko stammt bin ich in unserer silbernahen Ehe schon ein paar Mal in diesem wunderschönen, wie auch chaotischen Land gewesen.
Doch weshalb schreibe ich hier darüber? Mein Schwager und sein guter Kindheitsfreund sind DnD Fans und beide habe ich mit Bohnanza von Uwe Rosenberg zu Brettspielern gemacht. Ich weiß, es ist gar kein Brettspiel, aber wir spielten es rauf und runter und die beiden fragten bald, ob es da noch mehr gäbe.
Nun aber von hinten durch die Brust ins Auge zum eigentlichen Thema: die beiden brachten bei einem meiner Besuche dort Lords of Waterdeep auf den Tisch. Wow, war das eine tolle Erfahrung! Wie Björn kannte ich so einschlägige Hobbyistenwörter wie „Workerplacement“ zu dem Zeitpunkt (vor etwa 10 Jahren) noch nicht wirklich, mein Englisch war gerade gut genug für den Job (spanisch war besser, aber das Spiel gibt es weder auf Spanisch noch auf Deutsch) und trotzdem war es eine ganz tolle Erfahrung.
Als es jetzt, so viele Jahre danach, mit Horst und Björn auf den Tisch kam war ich voller Vorfreude, aber auch Sorge, dass es vielleicht nostalgisch einen Wert bei mir hätte, aber ansonsten vielleicht nicht gut gealtert sei. Das Gegenteil war zum Glück der Fall! Es spielt sich nach wie vor fluffig und schafft es mich in den Fantasy-Bann zu ziehen. Obwohl das Thema sicher beliebig getauscht werden könnte führen Abenteuerkarten und Illustrationen in diese wunderbare und von vielen geliebte Fantasywelt.
(c) Copyright Wizards of The Coast
Bannerbild von Josch13 from Pixabay was passt besser als Bannerbild als ein Drache?!
Icons von Icons8
Grafik(en) und Bild(er) von Horst Brückner
Das Spiel habe ich privat erstanden. Diese Rezension ist unentgeltlich durchgeführt worden und spiegelt meine persönliche Meinung wider.