Wenn Wünsche nicht mehr reichen
Blaue Nebelschwaden umhüllen die alte Öllampe, deren staubige Schicht gerade erst abgebröckelt sind. Mit donnerndem Bariton wird die Stille der alten Höhle zerrissen. Die Stimme klingt einschmeichelnd und doch schwingen Töne von Disharmonie und fahlem Betrug mit: „Du hast drei Wünsche frei“. Ich kann nur für mich sprechen, aber die Geschichten von tausendundeiner Nacht ziehen mich magisch in ihren Bann. Ich liebe den Comicband Asterix im Morgenland, habe als Kind Sindbads Abenteuer geschaut, Belaad hat eine gute Rezension abkassiert und neulich habe ich den etwas trashigen John Carter abgefeiert. Fliegende Teppiche, Bling Bling, Krummsäbel und eine Welt, die zwischen Verzauberung und Magie liegt. Wahnsinn. Als ich die Chance hatte, das Spiel Djinn für die Teilzeithelden zu rezensieren, musste ich einfach meinen Finger oben haben und unruhig auf meinem Fakirteppich hin- und her zappeln. Aua!

Steckbrief

- Art: kompetitiv
- Genre: Kennerspiel
- Kern-Mechaniken: Set Collection, Area Control, Worker Placement, Kettenzüge, Tableauausbau
- Spielname: Djinn
- Verlag: Pegasus Spiele (Hall Games)
- Erstveröffentlichung: 2023
- Autor: Benjamin Schwer
- Illustration: Dennis Lohausen
- Alter: ab 12 Jahren
- Spieler*innen: 1 – 4
- Dauer: 60 – 90 Minuten
Spielprinzip
Das Spiel Djinn von Pegasus Spiele hat zwei wesentliche Spielkomponenten. Das zentral ausliegende Spielbrett auf dem Aktionen ausgewählt und Djinns gefangen (gebannt) werden. Und als zweite Komponente das eigene vor den Spielenden ausliegende Tableau. Ist Tableauausbau eigentlich eine „gültige“ Spielmechanik? Es gibt Brettspiele, bei denen diese Mechanik spielbestimmend ist wie in etwa bei Mombasa (respektive Skymines) oder Revive. Für mich ist das definitiv eine Mechanik.

Worum geht es aber? Djinn ist ein kompetitives Kennerspiel im Eurogame-Stil, bei dem die Person mit den meisten Siegpunkten bei der Endabrechnung gewinnt. Eine Siegpunktleiste ist im Übrigen nicht dabei, sondern es werden am Ende die einzelnen Punkte addiert, was einen kleinen Wertungsblock unabdingbar macht. Im Großen und Ganzen erlangen die Spielenden ihre Punkte durch das Bannen von den Geistern. Werfen wir dafür einen Blick auf den Spielaufbau.
Auf dem großen Spielbrett wird eine orientalisch anmutende Stadt dargestellt. An den sich kreuzenden Straßen gibt es kleine Plätze. Jeder dieser Orte stellt eine Aktionsmöglichkeit dar. Die Orte sind durch Plättchen dargestellt und können auch für einen variablen Spielaufbau zufällig platziert werden. Die empfohlene Startaufstellung ergibt in Summe das ausgeglichenste Spiel, da jede Aktion in zwei Runden erreicht werden kann. Bei einem variablen Aufbau kann es zu sehr langen Wegen kommen, die keinen taktischen Vor- oder Nachteil bieten, sondern auf Dauer leider nur nervend sind. Die Aktionen sind immer in zwei Arten in der Stadt vorhanden: einmal als normale Aktion und als verstärkte Aktion, bei der man in der Regel von etwas mehr bekommt. Außerdem sind auf den verstärkten Aktionen abhängig von der Personenanzahl mehrere Djinns und ein Meisterdjinn platziert. Durch den Aufbau des Straßennetzes werden die Spielenden gezwungen (fast) in jedem zweiten Zug auf einem Djinn-Platz zu landen. Dort muss man – natürlich neben der Aktion – auch versuchen mindestens einen Djinn zu bannen, sonst verliert die Person Magiepunkte.

Magiepunkte werden auf dem eigenen Spieltableau abgetragen. Zu Beginn können die Spielenden nur maximal vier dieser Punkte ansammeln. Im Verlauf des Spiels lässt sich das Spieltableau durch Aktionen in der Stadt ausbauen und bietet Platz für bis zu acht Magiepunkte. Einen Djinn zu bannen, ist erdenklich einfach. Ein normaler Djinn ist mit vier Punkten zu bannen. Heißt, die Person benötigt genau vier Magiepunkte auf dem eigenen Tableau. Ein Meisterdjinn hat ebenfalls eine Stärke von vier Punkten allerdings zuzüglich je zwei Punkte pro noch vorhandenem normalen Djinn.

Damit aber bisher nicht genug. Ist ein Geist gebannt, wird er zwar vom Spielplan genommen, aber er muss in der eigenen Auslage platziert werden können. Dies kann zum einen auf den Bannkreisen auf dem Spieltableau erfolgen. Außer das Tableau vollzustopfen, bringen sie dort aber kaum Vorteile. Erwirbt man durch Aktionen auf dem Spielbrett erst Geld, mit dem sich dann Flaschen und Korken erwerben lassen, lassen sich die Djinns in diesen praktischen Gehäusen aus tausendundeiner Nacht verfrachten. Was ich bislang unerwähnt gelassen habe: Die Djinns und die Flaschen gibt es in vier Farben. Und ihr ahnt schon die nun kommende Set-Collection-Mechanik: der richtige Djinn, muss in die richtige Flasche. Meisterdjinns sind Joker und können in allen Flaschen platziert werden. Sind drei gleichfarbige Flaschen gefüllt, sind diese durch Sofortboni (und Siegpunkte) einlösbar. Dann ist aber alles weg: Djinn, Flasche, Korken und so gesehen auch das Geld mit dem man den ganzen Kram erworben hat. Dann geht die Kette wieder von vorn los.

Und hier passiert etwas äußert merkwürdiges im Spielgeschehen. In den ersten Runden ist das Spieltableau kaum ausgebaut und alles ist knapp, insbesondere die so wichtigen Magiepunkte. Daher ist es gerade in den ersten Runden wirklich entscheidend und spannend, welche Aktionen ausgelöst werden. In den späteren Runden besitzen die jungen Geisterjäger*innen in der Regel von allem genug. Und gerade ab dem Punkt wird es richtig lästig die Aktionen abzufahren: mit Geld Flaschen und Korken erwerben, Geist bannen, das dreimal und dann eintauschen. Selbst, wem die Sets egal sind und nicht mehr versucht drei gleichfarbige Geister einzusammeln und das Spiel nur noch hinter sich bringen muss, muss trotzdem den Mehrklang aus Geld-Flasche-Korken-Magiepunkte-Geist exerzieren. In späteren Runden wünscht sich dort zu mancher lieber Geister auszutreiben als zu bannen. Der Exorzist lässt grüßen. Bei einem Crowdfunding-Projekt würden zu Recht Vorwürfe in schlechtem Spieltest laut werden.
Das gilt natürlich nur für verwöhnte Eurogamer und ist kein allgemein gültiges Urteil. Die Kettenzüge sind, wie zuvor erwähnt, anfangs interessant, nutzen sich mit der Spielzeit aber arg ab. Das Spiel endet übrigens, wenn die sechs Meisterdjinns genannt wurden.
Unboxing
Das Artwork auf dem Cover erinnert mich stark an Will Smiths als Aladdin. Mit dem schönen Glanzlook und der etwas mystischen Optik durch das im Nebel verborgene Djinn-Gesicht kommt schöne Stimmung auf. Ernüchternd fällt leider das Artwork im Inneren aus. Die erdfarbenen Töne erinnern an alte Klassiker wie Auf den Spuren des Marco Polo oder Mombasa. Erst genanntes ist übrigens ebenfalls von Dennis Lohausen 🙂 Es lassen sich kaum moderne Anleihen oder ansprechende Farben wahrnehmen. Für ein Abenteuer respektive Spiel aus tausendundeiner Nacht fehlen mir die schillernden Farben und das Bling Bling.

An der Materialqualität gibt es hingegen nur Positives zu berichten. Die Geister-Meeple habe ich bislang noch nie in meinen spielenden Fingern gehabt. Die Flaschen bestehen aus sehr dicken Pappmaterial und Dinge wie Korken sind aus Holz gefertigt. Etwas enttäuschend ist die Tütchensammlung im Inneren. Das Spiel benötigt schon einiges an Aufbauzeit. Hier wäre eine grobe Sortierhilfe angenehm gewesen. Sonst muss der 3d-Drucker wieder mal entstaubt werden.
Bewertung

Djinn ist kein totaler Reinfall. Die verzahnte Mechaniken und das Angebot an Aktionen sind grundsätzlich interessant. Hier noch ein Set-Collection, dort noch eine weitere Ressource mehr. Der Autor hat versucht, viel herauszuholen. Allerdings sind viele Schritte sehr sequenziell und es kommt keine richtige Engine zum Laufen. Würde ein Lacerda ein Spiel über/mit Djinns machen, könnte man sich sicher sein, dass im Laufe der Spielzeit ein ganzes Feuerwerk an Belohnungen ausgeschüttet werden würde, sodass man sich wirklich wie bei Aladdin und der Wunderlampe über die Wünsche freuen könnte.

Neben der fehlenden Engine, ist es aber bei mir die Spieldynamik, die mich am meisten abgeschreckt hat. Normalerweise wird entweder das Tempo gegen Ende deutlich höher oder die Züge werden komplexer, was sich zwar in einer höheren Downtime niederschlägt, aber größtenteils belohnend anfüllt. Bei dem Spiel vom Pegasus Spiele zieht es sich am Ende durch das dauernde und bekannte Sammeln von Flaschen, Korken und so weiter. Dabei gibt das Spiel noch weitere Aktionsmöglichkeiten an die Hand, die aber im späteren Spiel nicht mehr die Relevanz, wie zum Start des Spiels haben.
Punkte

In Summe kann ich Djinn daher nicht mehr als zwei rockende Djinns geben. Nur einer Meeple wäre zu hart, da das Spiel als solches solide ist und sich Mühe gibt zu gefallen. Es bleibt aber bei der großen Konkurrenz an vielen tollen Spielen im unscheinbaren Mittelfeld stecken und wird nicht durch einen fliegenden Teppich auf das Siegertreppchen gehoben.
Boardgamegeek
Da viele von euch auch direkt auf BGG schauen, nehmen wir die aus unserer Sicht wichtigsten Faktoren für dieses Spiel direkt auf (Stand 07/2024).
Ranking | Weight |
---|---|
7.3 | 2.80 |
Der Komplexitätseinwertung kann ich folgen. Es ist eher eine drei statt zwei.
(c) Copyright Pegasus Spiele
Grafik(en) und Bild(er) von Horst Brückner
Bannerbild von vined mind auf Pixabay
Das Spiel ist ein Rezensionsexemplar. Diese Rezension ist unentgeltlich durchgeführt worden und spiegelt meine persönliche Meinung wider.














Thematische, narrative und verzahnte Spiele ... hier geht mein Herz auf. Dazu eine stimmige Vinyl-Schallplatte (oder Playlist) und los geht das Abtauchen in die Spielwelt. Als Spielleiter und Spieler kann ich mich auch vortrefflich in Pen-und-Paper-Welten tummeln. Bei Videospielen bin ich raus. Ist mir meist zu schwer (einzige Ausnahme: Super Mario Kart).