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analog rockt Brettspielrezensionen

Runar

Der Artikel wurde von Björn geschrieben. 8 Minuten Lesezeit

oder wie ich beim Regellesen geistig Walhalla besucht habe

Hach ja, Ludus Magnus Studio… ich liebe diese Berserkertruppe ja. Ihre Spiele? Meistens episch wie eine nordische Geschichte am Lagerfeuer. Chamber of Wonders? Du… bist hier nicht gemeint. Aber auch die besten Schmiede haben manchmal eine schiefe Klinge – und bei Ludus Magnus ist’s halt immer wieder derselbe krumme Dolch: Die Anleitung.

Steckbrief

NameRunar
Erscheinungsjahr2025
Komplexität3.50 (mittel schwer)
BGG Rank7.47 (11863)
Anzahl Spielende1-4
AutorenDiego Fonseca
IllustratiorenEleonora Lisi and Giovanni Pirrotta
HerstellerLudus Magnus Studio and Czacha Games
Boardgamegeek-Plugin von Meeple Like Us

Bevor überhaupt der erste Schritt auf das Schlachtfeld gesetzt war, habe ich mich heldenhaft in die 44-seitige Regelwand geworfen – und ich hatte Hoffnung! Es sah anfangs sogar so aus, als hätten sie sich diesmal echt Mühe gegeben. Aber es war halt so in dieser „Wir probieren es ganz doll!“-Art, bei der am Ende nur noch mehr Text entsteht – und noch weniger Klarheit. Aber Traditionen sind wohl wichtig.

Du liest einen Absatz, dann noch einen, und plötzlich hat dein Hirn auf Ausloggen gedrückt – und du hörst nur noch den Windows-Runterfahr-Jingle.

Also ab zum Regelvideo! Danach nochmal gelesen. Und trotzdem saßen wir in der ersten Partie da wie frierende Wikinger in Sandalen und gingen Schritt für Schritt durch die Runden, als wären wir mit eben diesen Sandalen auf Glatteis unterwegs.
Und als wäre das nicht genug, gibt es auch noch Tutorial Regeln die sich von den echten Regeln unterscheiden. Als wir die zur Hilfe nehmen wollten, weil vier Augen ja mehr sehen als zwei, ging das also ganz schön nach hinten los…  Einer sagte die Karten werden offen gespielt, der andere sagte – ne die werden verdeckt gespielt. Kurz bevor wir auch in echt Köpfe einschlagen wollten, haben wir die Unterschiede bemerkt. Hatten auch nochmal die englische Anleitung konsultiert, aber die ist ebenfalls nicht besser. Ach, und hab ich schon erwähnt, dass es für das Tutorial extra Aktionsübersichtskarten gibt? Wir dachten es sind die normalen und wunderten uns warum dort nur von drei Schritten in einem Zug die Rede ist anstatt von sieben. Die richtigen sind so groß wie Tableaus und sind deshalb untergegangen, da wir ja die Spielmatten genutzt haben.

Aber dann – nach zwei Runden – hat sich der Nebel verzogen, und siehe da: Das Spiel… macht Laune!

In der Mitte treffen sich 3 Clans um Nettigkeiten auszutauschen.

Doch worum geht’s überhaupt?

Du übernimmst einen Clan, schickst drei wackere (frei wählbare) Helden auf eine mysteriöse Insel, auf der irgendwo der sagenumwobene Runar wartet. Oder das Runar? Die Runar? Keine Ahnung. Ich nenne ihn einfach Rudi. Jedenfalls: Du suchst Rudis Splitter, sammelst Punkte, haust anderen Nordleuten den Helm von der Birne und baust dabei auch noch eine riesige Statue, weil du ja zeigen musst, dass dein Clan nicht nur kloppen, sondern auch Kunst kann.

Jeder der drei von dir ausgesuchten Helden bringt zehn Aktionskarten mit, die zu deinem persönlichen Zugstapel zusammengemischt werden. Davon ziehst du drei, spielst eine, und nur der Held auf der Karte darf dann agieren und gibt dir Aktionssteine in verschiedenen Farben. Je nach Farbe dieses Steins kannst du unterschiedliche Aktionen machen. Mit einem grünen Stein kannst du dich zum Beispiel bewegen und mit einem blauen angreifen. So musst du auf dem Schlachtfeld ziemlich taktieren – Welche Aktionskarte spiele ich und hab ich dann die richtigen Aktionssteine für alles, was ich so machen will? Klingt einfach, ist aber ein hübsches kleines Taktikrätsel. So nach dem Motto: „Ich will hauen!“ – „Ja, aber du hast nur ’nen grünen Stein.“ – „Lauf ich halt elegant weg.“ Zusätzlich hat Jeder Held auch noch eine Spezialfähigkeit, die mit einen seiner Aktionskarten ausgelöst werden kann.

Schau an, ich bin auch dabei. Jeder Held kommt mit einer Miniatur, 10 Aktionskarten und einer Charakterkarte.

Und jetzt wird’s spannend: Wenn dein Held Schaden bekommt, dann kriegt er keine Wunden (weil Wunden sind was für Weichspühlwikinger), sondern du musst Aktionskarten abgeben. Und zwar an deinen Gegner. Der freut sich dann, wie bei einer Lieferung Gratis-Met, weil ihm das Siegpunkte bringt. Wenn du keine Karten mehr hast? Zack, Held ist KO, Ende Gelände.

Aber immer nur denselben zu verdreschen bringt nix – du brauchst Abwechslung auf deiner Wikinger-Stempelkarte, denn nur bei drei verschiedenen gibt es extra Punkte. Also ruhig mal taktisch durchrotieren, auch wenn du am liebsten einen Gegner schnell vom Feld haben willst.

Wenn man mal den Regel-Albtraum abzieht, läuft das Spiel angenehm flott – etwa 1–2 Stunden für ein Szenario. Die Kampagne kann jederzeit pausiert werden – also kein Stress, falls zwischendurch mal wieder der Langschiff-TÜV fällig ist.

Unboxing

Der typische Crowdfunding Boxenstapel

Wie es sich für ein ordentliches Crowdfunding-Projekt gehört, kommt Runar natürlich nicht in einer schlichten Box daher. Neben der Grundbox wartet eine Stretch-Goal-Kiste auf dich, gefüllt mit neuen Monstern, Helden, sechs Spielmatten und Token-Upgrades aus Holz – weil ein echter Jarl ja keine Pappmarker schiebt.

Dann gibt’s noch eine Jarl-Box für das Material, falls ihr zu fünft oder sechst losziehen wollt inkl. neuer mächtiger Jarl-Helden, eine Hel-Box mit mehr von allem und – weil’s einfach sein muss – eine Mini-Erweiterung mit einer riesigen Troll-Figur, falls du noch nicht genug Gegner hast.

Die Grundbox selbst ist zur Hälfte mit Miniaturen vollgestopft, das Plastik-Inlay lässt dabei sogar noch ein wenig Platz, um Karten aus anderen Erweiterungen unterzubringen.

Zwei beidseitig bedruckte Spielpläne liegen ebenfalls bei – denn Runar wäre nicht Runar, wenn es für jede Spielerzahl nicht gleich ein eigenes Brett gäbe. Dazu gibt’s natürlich die typischen Stanzbögen mit Pappmarkern und Gelände.

Für Aufwertungs-Fans: Ludus Magnus bietet die Geländeteile auch als STL-Dateien zum Selbstdrucken an. Falls du also deinen 3D-Drucker warm laufen lassen willst – das ist deine Gelegenheit, Runar in Deluxe-Ausgabe zu bringen. Aber auch die Pappaufsteller sehen ordentlich aus und machen ihren Job.

Vergleich der Pappmarker zum selbstgedruckten (offiziell angebotenen) Material

Kleine Anmerkung für alle Materialfüchse:
Die Spielmatten, die du in der Stretch-Goal-Box findest, ersetzen übrigens die Spieler-Boards – und ich kann mir schon denken, warum Ludus Magnus das so gemacht hat: Wenn sowieso jeder Unterstützer die Stretch-Goal-Kiste bekommt, warum dann noch stabile Boards ins Grundspiel packen?

Tja, blöd nur: Im Basisspiel sind jetzt keine Double-Layer-Boards mehr drin, wie sie beim Prototyp noch gezeigt wurden, sondern nur noch extrem dünne Flachversionen ohne Slots für die Aktionssteine. Und leider sind auch die anderen Boards auf Diät gegangen – alles ist ein bisschen dünner, ein bisschen wackliger, was im Kontrast zur sonst hochwertigen Produktion schon auffällt.

Ist jetzt keine Ragnarök – aber wenn du so viele fette Minis auf dem Tisch stehen hast und alles andere hochwertig aussieht, dann hätten stabile Boards das Ganze nochmal rund gemacht.

Weil bei all den Minis auch ordentlich Luft im Karton war, hab ich schon angefangen, ein eigenes Insert zu basteln, in der Hoffnung, das ganze Material auf zwei Boxen zusammenschrumpfen zu können. Ob das klappt? Keine Ahnung. Aber Odin liebt die Tapferen – und wer sich durch die Anleitung kämpft, der scheitert auch nicht am Karton-Tetris.

Aktuelle Einschätzung

Runar hat mich zu Beginn echt genervt. Die Anleitung ist ein Nebel aus Absatzwänden, die Erstpartie eine Geisterfahrt durch alternative Realitäten. Aber wenn du durchhältst, dann bekommst du ein taktisch starkes, angenehm schnelles Skirmish-Spiel, das sich frisch anfühlt und bei der zweiten Partie gleich viel besser läuft. Ich freu mich jedenfalls auf weitere Runden.

Die Kombination aus Kartenmanagement, Aktionssteinen, klugen Angriffen und wie unterschiedlich sich die Helden spielen gefällt mir. Schön ist auch zu sehen, wie wichtig Teamplay ist – selbst, wenn du nur allein deinen Clan steuerst.

Die deutsche Übersetzung ist auch solide. Also mal abgesehen von der Verwirrung der Anleitung, das ja eher am Gesamtstil liegt und nicht an der Sprache, gab bisher keinerlei Verständnisprobleme der Kartentexte. Bei Björn konnten sie sich wohl nicht entscheiden ob mit oder ohne Punkte über dem O, aber das sind kleine verschmerzbare Details.

Die Ludus-Magnus-typische Modularität schlägt auch bei Runar voll zu wie ein zweihändiger Streithammer: Du bekommst nicht nur eine Vielzahl an Szenarien, sondern auch eine bunte Truppe aus Helden, haustierbegleiteten (ja, hier zieht sogar die Taube mit in die Schlacht) und mächtigen Jarls, die sich deinem Trupp als ehrenwerte Schlägerfreunde anschließen. Da ist für bis zu sechs Spieler mehr als genug Abwechslung geboten – und das auf einer Insel, auf der wir alle nur eins wollen: herausfinden wo Rudi ist.


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Am liebsten verliere ich mich in Kampagnenspielen mit Story, Drama und am besten noch moralischen Entscheidungen, die mich nachts wachhalten. Weil was ist schon Entspannung, wenn man auch Existenzkrisen simulieren kann?

Abseits von Kampagnen mag ich´s knackig: Leichte Spiele sind okay, aber mein Herz schlägt für Kenner- und Expertenspiele bei denen das Gehirn nicht einfach nur mitmacht, sondern sich zwischendurch abmeldet und Urlaub beantragt.

Aber: Ich bin auch nur ein Mensch. Wenn das Thema stimmt und die Optik knallt, bin ich sofort verzaubert. Mein Motto? "Theme is King!" – Und ich bin sein loyaler Untertan.

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