Brettspiel ist für mich ein wunderbares Hobby. Ich lese viel zu dem Thema, schaue mir YouTube-Videos an, folge ein paar ausgewählten Menschen auf Instagram, habe einige Newsletter von Verlagen abonniert und so weiter. Das habe ich schon gemacht, bevor ich diesen Blog gestartet habe. Schließlich ist daraus die Idee entstanden, etwas an Dich zurückzugeben. Aber dafür ist es wichtig, mich besser zu kennen. Das wird natürlich nur bedingt gelingen können, aber ich kann erzählen, was ich für ein Spielertyp bin und warum ich Dinge so bewerte, wie ich sie bewerte. Ich erwarte nicht, dass ihr meine Bewertung unreflektiert übernehmen solltet. Vielmehr möchte ich Dir die Chance geben, hinter die Kulissen zu schauen und meine Bewertung für Dich besser einsortieren zu können.
Horst als Spieler
Wahrscheinlich müsste ich erst damit beginnen, wie oft ich spiele. Das ist stark unterschiedlich. Ich spiele nicht täglich, aber mindestens einmal die Woche. Ich habe unterschiedliche Spielgruppen, so dass die Spiele durch unterschiedliche Konstellationen erprobt werden. Zusätzlich kommt noch meine Frau dazu. Sie dient mir für ein erstes wie-erkläre-ich-die-Regeln. Außerdem darf sie für den ersten Eindruck ein Spiel zu zweit herhalten. In meiner Aufzählung habe ich keine Solo-Runden einbezogen. Überwiegend spiele ich tatsächlich jedes Spiel mindestens einmal Solo – unabhängig von einem eventuellen Solo-Modus. Damit erlerne ich selbst die Mechaniken und Regeln.
Am liebsten spiele ich Kenner- und/oder Expertenspiele. Kinderspiele kommen dank meines Sprösslings gerade erst dazu. In diesem Genre würde ich allenfalls ausgewählte Höhepunkte präsentieren.
Familienspiele stossen bei mir nur bedingt auf Interesse. Sind diese nah genug an dem Kennergenre, schaue ich sie mir gerne an. Aber ich möchte bei Spielen überlegen, Züge vorausplanen, das Spielgeschehen aktiv beeinflussen können. Bei Familienspielen vermisse ich das meist etwas. Zusätzlich sind diese oft von push-your-luck-Elemente durchzogen. Wenn die Glücksmechaniken einen großen Einfluß auf das Spielgeschehen haben, schreckt mich das meist von Spielen ab.
Es gibt noch ein weiteres, für mich wichtiges Kriterium. Das Auge isst mit. Das gilt für mich auch bei Brettspielen. Es sollte mich thematisch abholen. Dazu gehört neben einem guten Thema, dass auch das Artwork entsprechend ist. Allerdings finde ich, dass selbst die Spiel-Mechaniken grob dazu passen sollten oder zumindest nicht abwegig im Weg stehen sollten. Artwork ist natürlich sehr subjektiv!
Gibt es Lieblingsmechaniken? Hm … bestimmt. Ich ertappe mich dabei, kooperative Storytelling Spiele wie T.I.M.E Stories oder Die Abenteuer des Robin Hood zu spielen. Tatsächlich empfinde ich aber Kampagnenspiele à la Tainted Grail oder Gloomhaven eher zu sperrig. Das liegt aber eher daran, dass Pen-und-Paper ebenfalls Teil meines Hobbylebens ist. Brettspielen ist für mich der “Ausgleich” zu epischen Abenteuern und über Monate windende Plots. Für alle, die zu Pen-und-Paper keinen Zugang (oder Mitspieler*innen) finden, hier kurz meine Empfehlung: spielt Tainted Grail!
Bewertung
Begrifflichkeit
Meine Bewertung führe ich anhand von fünf Begriffen durch. Dies bildet stets meine subjektive und persönliche Meinung wieder. Daher ist es hoffentlich für Euch auch interessant, was für ein Spieler ich bin (siehe oben). Um die Begriffe besser einsortieren zu können, stelle ich Euch dazu auch meine Fragen vor, die mich bewegen und garniere das ganze mit Beispielen.
Thema
Hat das Spiel ein nachvollziehbares Thema. Wie wird dieses Thema umgesetzt. Taucht das Thema mehrfach auf. Wie ist die Immersion (das Eintauchen) in das Thema möglich.
Mein Negativbeispiel ist Zirkadianer. Die Mechaniken sind klasse und machen wirklich Spaß. Aber die Story ist an den Haaren herbeigezogen. Man landet auf einem Planeten hochentwickelter Aliens und möchte mit denen ein Handelsabkommen schließen. Der beste Händler bekommt den Deal. Toller Vertreter ist meiner Meinung nach zum Beispiel Die Legenden von Arnak. Hier ist die Verpackung, das gesamte Material und die Story Teil des Gesamtpaketes. Stimmungstechnisch befinde ich mich mit dem Kopf bei Indiana Jones oder im Spiel Uncharted.
Mechanik
Welche und wie viele Mechaniken sind vorhanden. Wie greifen diese ineinander. Passen die Mechaniken zum Spiel. Sind sogar neue, innovative Ansätze dabei.
Die Love Letter-Reihe spielt sich in weniger als 15 Minuten durch. Die Mechanik beschränkt sich im Prinzip auf das Ziehen und das Ausspielen einer Karte. Der Reiz an dem Spiel steckt wahrscheinlich eher hinter den Lizenzen wie beispielsweise bei Star Wars: Jabbas Palace. Es gibt aber auch Spiele, die durch eine Vielzahl an unterschiedlichen, in sich greifenden Mechaniken punkten. Die Anzahl der Mechaniken hat keine Korrelation zu dem Spielspaß. Innovative Ansätze bietet unter anderem Die Rote Kathedrale.
Wiederspielwert
Legacy und Storytelling Spiele können ein einzigartiges Erlebnis darstellen. Insbesondere bei kooperativen Spielen entsteht unter den Spieler*innen unvergessliche Anekdoten. Aber diese Spiele lassen sich in der Regel nur einmal durchspielen. Das heißt nicht, dass das keine tollen Spiele sein können und sie ihr Geld trotzdem wert sind und eine Menge Spielspaß hervorrufen.
Das bereits zitierte T.I.M.E Stories ist ein großartiges Spiel und meiner Meinung nach jeden Cent Wert. Die unterschiedlichen Abenteuer wird man allerdings nur einmal ganz durchspielen. Das schreckt eventuell einige Spieler*innen ab. Taktischen Spiele wie Arche Nova laden förmlich zum Entdecken, Ausprobieren und Strategien anpassen ein. Die reine Anzahl an unterschiedlichen Karten, Puzzle-Möglichkeiten, Auslagen und so weiter machen jedes Spiel einzigartig.
Strategie
Benötigt man mehr Glück als Verstand. Muss man ein ausgefeilter Taktik-Fuchs sein und Züge im Voraus planen.
Bei 5-Minute-Dungeon gibt es kaum Gelegenheit, eine echte Strategie im Voraus zu planen. Vielleicht gibt es ein paar taktische Kniffe, wann die Heilige Handgranate zum Einsatz kommen wird. In den Spielzügen von Merw: Das Herz der Seidenstraße kann man sich sicherlich einfach mitreißen lassen. Aber gewinnen wird man nur, wenn die Züge geplant werden und die Wege der Mitspieler*innen verbaut werden.
Qualität
Wie ist das Artwork. Wie ist das Inlay ausgestattet. Welches Material wird verwendet. Ist eventuell sogar an Nachhaltigkeit gedacht. Wie ist die Haptik.
Terraforming Mars ist ein tolles Spiel. Allerdings bestehen die Spieler*innenboards in den Grundversionen aus dünnen Pappbrettchen. Ein Stoß gegen den Tisch reicht, um die Ressourcen-Einnahmen zu verschieben. Sehr gelungene Beispiele sind Die Tavernen im Tiefen Thal, Brass:Birmingham oder auch Radlands. Hochwertige und haptisch anspruchsvolle Boards und Gegenstände machen das Spielen schnell zu einem Genuss.
Nüchterne Zahlen
Als Zahlenskala nehme ich 1–5. Das finde ich selbst fast etwas feige, da ich im normalen beruflichen Alltag lieber die Tendenz hätte ist es mehr „2“ oder mehr „4“. Die drei ist also feige. Ein Rating bis 10 oder 100 empfinde ich allerdings zu breit. Die Zahlen entstehen mehr oder weniger aus dem Bauchgefühl. Ungefähr bilden sie folgendes Schema wieder:
- Kaum oder gar nicht vorhanden.
- Mehr oder weniger vorhanden, hat mich aber enttäuscht.
- Nicht ganz schlecht, nicht ganz gut. Oder anders: da fehlt noch das Gewisse etwas.
- Auf dem richtigen Weg. Es macht schon viel Spaß, aber Kleinigkeiten stören noch.
- Hier bleibt fast kein Wunsch mehr offen.
Das Bewertungsdilemma
Nimmt man nun Begriffe und die Zahlenwert zusammen, ergibt sich eine neue Herausforderung. Selbst das beste Legancy-Spiel oder ein ansonsten fantastisches Glücksspiel kann in meiner Bewertung nur eine 4,2 bekommen. Mir ist deswegen auch die Gesamtpunktzahl gar nicht so wichtig, sondern ich lege ein Augenmerk auf die Einzelrubriken. Die Glücksspieler*innen von Euch werden wahrscheinlich bei einer 1 bei Taktik verfügt in die Hände schlagen. Die Epic-Spieler*innen werden ein niedriger Wert bei dem Wiederspielwert eher gelassen gegenüberstehen.
Unter dem Strich landen bei mir nur Spiele mit drei oder höher überhaupt wieder auf dem Spieletisch (siehe dazu auch das nächste Kapitel). Spiele mit weniger als drei Punkten sind aus meiner Sicht ein Reinfall gewesen. Wie schon gesagt. Ganz subjektiv und es wird bestimmt Spieler*innen gefallen.
Wiederholungstäter
Neben den nüchternen Zahlen und den genannten Kriterien darf der Spielspaß nicht zu kurz kommen. Wie drückt sich Spielspaß am ehesten aus? Das Spiel kommt wieder auf den Tisch. Daher stell ich mir die Frage, bleibt es eher bei einer Einzelsession oder werde ich bei dem Spiel zum Wiederholungstäter.
Einsteiger-freundlich
In meinem Freundeskreis sind (noch) nicht alle infizierte Brettspieler*innen. Vielleicht ist das auch gut so. Wenn aber doch jemand Interesse hat, stelle ich mir die Frage „mit welchem Spiel fangen wir an“. Eine mehrere Monate andauernde Reise durch einen Dungeon mag für eingefleischte Pen-und-Paper-Spieler*innen als angemessene Erfahrung wirken. Die Monopoly-Spielenden werden eher abgeschreckt sein. Für die Zielgruppe Omas/Opas und die Nicht-Spieler*innen versuche ich Einsteiger-freundliche Spiele hervorzuheben.
Thematische, narrative und verzahnte Spiele ... hier geht mein Herz auf. Dazu eine stimmige Vinyl-Schallplatte (oder Playlist) und los geht das Abtauchen in die Spielwelt. Als Spielleiter und Spieler kann ich mich auch vortrefflich in Pen-und-Paper-Welten tummeln. Bei Videospielen bin ich raus. Ist mir meist zu schwer (einzige Ausnahme: Super Mario Kart).