Also – Es war ein dunkler, stürmischer Freitagabend (eigentlich war’s sonnig, aber das passt halt nicht zur Stimmung). Wir – drei ahnungslose Abenteurer – saßen vor einem Tisch, der aussah wie ein Ritualplatz für besonders komplexe Exorzismen. Vor uns: Dawn of Madness von Diemension Games.
Unsere erste Partie war die Story von Lynas, dem Priester, und dauerte zarte 12 ½ Stunden. Zwölf. Komma. Fünf. Das ist mehr Zeit, als ich in der Schulzeit für Mathe aufgebracht hab.
Nur einer kannte die Regeln. Ich.
Also war ich Spielleiter, Vorleser, Therapiestimme und der Mann, der in stillen Momenten sagte: „Warte, ich such das gerade im Regelbuch.“
Fun Fact: Am Ende konnte ich mehr Textpassagen auswendig als Bibelverse. Und das bei einem Priester-Charakter. Ironie?
Partie zwei: Claude, der Detektiv mit Mommy-Issues, Albträumen und einem Händchen für das Aufsammeln von psychischen Traumata.
10 Stunden lang taumelten wir durch Weltensplitter. Claude suchte Antworten. Wir suchten Snacks.
Story & Atmosphäre – Buchclub des Grauens
Willkommen in der textlastigsten Horrorsimulation des Jahrhunderts!
Du willst kämpfen? Erstmal lesen.
Du willst dich bewegen? Lies!
Du willst atmen? Na klar, lies vorher den passenden Abschnitt!
Das war die textlastigste Erfahrung meines Lebens. Ich hab in diesen zwei Tagen mehr gelesen als im gesamten Deutschunterricht der Oberstufe.
Egal was du machst, es wird viel gelesen. Und das sind keine kurzen Passagen wie „Du findest eine Tür“ – Es ist ein innerer Monolog über Schuld, Tod, Verlust, drei Metaphern mit Wasser und (kleiner Spoiler) jemand runzelt die Stirn.
Deswegen: Trinkspiel-Regel – immer, wenn jemand im Text die Stirn runzelt → einen Shot.
Aber hey – das Spiel ist fantastisch. Kein Witz! Die Storys sind spannend, die Atmosphäre ist dichter als der Nebel in Silent Hill, und man merkt richtig, wie der Wahnsinn Stück für Stück in die Gruppe kriecht. Und ich rede nicht vom Spielcharakter – ich meine uns.
Das Spiel belohnt hartnäckige Leseratten mit einer packenden Geschichte voller Twists, Horror und mindfuck-Momenten. Jeder Charakter hat vier verschiedene Enden, was für enormen Wiederspielwert sorgt – es sei denn, ihr habt Angst davor, erneut durch die Texte zu pflügen die ihr aus dem Run davor schon kennt. Skipping? Klar, kann man machen. Aber das ist ein bisschen so, als würde man ein Horrorfilm vorspulen. Spannungskiller.
Spielmechanik – Spannung, Frust und Gruppenumarmungen
Jeder Spieler schlüpft in die Rolle eines psychisch leicht… mitgenommenen Menschen, genannt Wanderer. Jeder Wanderer kommt mit:
5 Empfindungswerten – das sind bunte Attribute wie z.B. Wut (rot), Gelassenheit (blau), Bewusstsein (grün), Einfühlungsvermögen (gelb) und das Bizarre (lila).
(Auch bekannt als: “Wie fühlt sich mein Charakter heute? Antwort: Schlecht.”)
5 Domänen, also Ressourcensymbole: Hand, Auge, Gehirn, Schädel und Sphäre.
Die Tokens, die du sammelst, kommen in den Farben deiner Gefühle – emotionaler geht’s nicht mehr. Die Ressourcen kannst du für mächtige Spezialeffekte ausgeben. So kannst du Gehirn-Token ausgeben, um Aktionen zu machen, ohne deine Initiative zu senken. (Schnell, effektiv – quasi Espresso für deine Seele.)
Oder Hand Token, um Würfel der gleichen Farbe neu werfen zu können. (Sehr nützlich, wenn du mal wieder einen epischen Angriff mit drei Patzern gewürfelt hast.) Das großartige ist, die Spieler können sich jederzeit gegenseitig unterstützen, egal auf welchem Feld sie stehen.
Die Kombination dieser bunten Gefühle und verstörenden Organsymbole ergibt dann das eigentliche Gameplay. Welcome to Emotional Dice Simulator 2025!

Wichtig: Deine Aktionen kosten Initiativepunkte. Das ist deine Zeitleiste im Spiel. Wer die höchste Initiative hat, ist dran. ABER: Wenn Monster gleich viel Initiative haben wie du – haha, Überraschung – sind sie zuerst dran. Und sie hassen dich. Vielen Dank für diesen sadistischen Designkniff.
Die Schattenseiten – Wahnsinn mit Nebenwirkungen
Zwei große Probleme gibt es trotzdem: Die Spielzeit und die Monsterverwechslungsgefahr.
Die Spielzeit… ist. Ein. Monster. Das sich nicht speichern lässt. 10 Stunden pro Durchgang? Klar. Abspeichern geht theoretisch mit 73 Fotos, 5 DIN-A4-Seiten Notizen und der Geduld eines Bibliothekars.
Aber willst du das?
Nein.
Willst du 10 Stunden durchzocken und dann leicht sabbernd auf deine Tokens starren?
JA.
Und das Spiel saugt dich rein. In eine andere Dimension. Eine, in der du um 3 Uhr nachts bemerkst, dass du seit Stunden mit einem Token redest, der aussieht wie ein abgerissener Finger mit Augen.
Die Moster. Bizarre albtraumhafte Gestalten, deren Miniaturen zwar geil aussehen, aber in ihrer surrealen Ästhetik kaum auseinanderzuhalten sind. „Ist das der Fleischmensch mit den 14 Augen oder der Gedärmbaum mit Tentakel-Schnurrbart?“ – ein häufiger Satz.
Tipp: Immer nur ein Monster pro Familie spawnen lassen. Sonst geht das große Rätselraten los. Oder man beschriftet sie einfach mit Post-its. „Hallo, ich bin Tentakel-Günther.“

Fazit aus dem Wahnsinn
Dawn of Madness ist eine Reise. Kein Spiel. Eine seelische Expedition mit Würfeln und Schreikrampf. Es ist ein Fest für Freunde düsterer Geschichten, taktischer Tiefe und literarischem Masochismus. Wer mit dem Genre nichts anfangen kann oder nach 3 Stunden schon nervös auf die Uhr schielt – der sollte sich besser in Sicherheit bringen.
Aber für uns? Ein Erlebnis. Ein unvergesslicher Ritt auf der Tentakelachterbahn durch das Unterbewusste.
Aber hey – das ist Dawn of Madness. Da ist der Wahnsinn inklusive.
„Dawn of Madness“ ist…
✅ Ein kranker Trip
✅ Ein Brettspiel mit echtem Storykino
✅ Ein Würfelfest mit Gefühl
✅ Der Grund, warum ich nachts Stimmen höre, die sagen: „Gib mir einen roten Gehirn-Token…“
Nicht für jedermann.
Aber wenn du auf düstere Geschichten, taktisches Geknobele und mentalen Verfall mit Freunden stehst – dann ist das hier dein Spiel.
Wertung?
10/10 verstörte Gefühle.
5/5 flackernde Taschenlampen.
∞/∞ Stirnrunzeln.
Ich liebe es. Und ich hasse es.
Aber vor allem will ich MEHR.
In 2 Wochen geht’s weiter. Ich bringe Würfel, du den Exorzisten. Bis dahin: Nicht zu tief in die Tokens schauen. Sie schauen zurück.
Am liebsten verliere ich mich in Kampagnenspielen mit Story, Drama und am besten noch moralischen Entscheidungen, die mich nachts wachhalten. Weil was ist schon Entspannung, wenn man auch Existenzkrisen simulieren kann?
Abseits von Kampagnen mag ich´s knackig: Leichte Spiele sind okay, aber mein Herz schlägt für Kenner- und Expertenspiele bei denen das Gehirn nicht einfach nur mitmacht, sondern sich zwischendurch abmeldet und Urlaub beantragt.
Aber: Ich bin auch nur ein Mensch. Wenn das Thema stimmt und die Optik knallt, bin ich sofort verzaubert. Mein Motto? "Theme is King!" – Und ich bin sein loyaler Untertan.