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analog rockt Brettspielrezensionen

BG2Gether — Eine Frage der Gier

Der Artikel wurde von Christoph and Horst geschrieben. 8 Minuten Lesezeit

Es ist wieder Zeit für die #BG2Gether Frage. Mehrere Blogger*innen stellen sich Monat für Monat einer zentralen Frage von Christian (Spielstil) und beantworten diese. Am Ende verlinken wir uns gegenseitig und fördern so den gemeinsamen Austausch. Die Januar-Frage lautet:

Die Angst etwas zu verpassen (FOMO) hat viele von uns schon gepackt. Wie stark bist du davon betroffen? Bist du immer auf der Jagd das neueste Spiel zuerst zu besitzen? Welche Vor- und Nachteile siehst du darin. Hattest du die heiß ersehnte Neuhheit auch schon mal bereut?

Horsts Geschichte

FOMO fear of missing out – Die Angst etwas zu verpassen. Als ich wieder ins Hobby eingestiegen bin oder vielmehr entdeckt habe, dass es neben Monopoly und Siedler doch noch gute Spiele gibt, war die Gier nach allem extrem groß – insbesondere nachdem ich für mich die Crowdfounding-Plattformen entdeckt hatte. Diese Gier nach allem, was nur halbwegs cool erschien, hatte auch etwas Gute: nämlich die vielen Dämpfer.

Gerade im Crowdfounding-Bereich gibt es immer wieder mal Erlebnisse mit sehr, sehr viel späteren Auslieferungen, insolvente Verlagen, “unerwartete” Kosten (wie Steuern und Versand), Retail-Belieferung vor Backer und natürlich auch das ein oder andere schlechte Spiel. Es gibt immer noch ein Spiel, was es nicht auf meinen Spieltisch geschafft hat und ich glaube immer noch, dass es ein richtig geiles Ding sein wird: wenn alle viel Zeit haben und Lust haben auf viele Regeln Human Punishment: The Beginnging von Godot Games. Bitte nicht aus dem Zusammenhang reißen. Das Spiel war nicht schuld, dass mein FOMO-Nerv abgestorben ist. Es ist nur mein Mahnmahl für ein immer noch nicht gespieltes Spiel, wo ich immer noch mega Lust drauf habe und die Sekundärmarkt-Preise für das Spiel krass in den Keller gewandert sind.

Exklusive Versionen haben schon etwas: Hamlet und Human Punishment.

In Summe waren es aber eben die einleitend erwähnten Faktoren, die mich geheilt haben. Ich schaue immer noch gern auf den Crowdfounding-Plattformen nach, aber ich steige deutlich seltener mit ein. Gerade, wenn die Spiele noch in den normalen Handel kommen, sehe ich es gar nicht mehr ein. Das bedeutet auch, dass ich eh kaum noch angetriggert werde von der x-ten Spielfigur, freien Sleeves oder der nächsten Neoprenmatte.

Trotzdem wandern interessante Spiele einfach auf meine Beobachtungsliste. Eigentlich heißt die “want-to-play” und das sagt noch viel mehr aus. Ich versuche mir das Spielgefühl in einer der schönen Convention, Messen oder Spieleläden zu erarbeiten. Wenn es mir dann gefällt, bin ich gern bereit mir das Exemplar zu kaufen. So bleibt mehr Zeit auch die bestehenden Spiele in der Zwischenzeit zu spielen und die Anzahl an ungespielten Regalfängern deutlich zu reduzieren. Für mich ein guter Kompromiss.

Was mir übrigens auch sehr geholfen hat: Mich auf weniger Blogger und Vlogger zu konzentrieren. Nämlich diejenigen, die eher so ticken wie ich selbst. Das war und ist übrigens immer noch die Motivation für analog rockt. Ich hoffe sehr, dass mein Geschmack auch bei euch auf jemanden trifft, der mit meiner Meinung etwas anfangen kann. Ich bin gespannt, was Christoph zur FOMO-Experience sagt.


Chris’ Geschichte

FOMO (Fear of missing out – Die Angst etwas zu verpassen) kannte ich bisher nur aus anderem Kontext. Umso erstaunter war ich als ich das Thema für diesen Monat bei der #BG2GETHER las. Aber OK, macht natürlich auch bei unserem Lieblingshobby total Sinn! Mal schauen, was mir dazu einfällt.

Früher kauften die Eltern Klassiker wie Monopoly und Die Siedler von Catan oder pädagogisch wertvolle Spiele. Terraforming Mars war dann mein erstes „richtiges“ Brettspiel und ab diesem Zeitpunkt war ich fasziniert von der scheinbar endlosen Vielfalt in unserem lokalen Spielegeschäft dem Spielbrett. Zusammen mit der Frau, Freunden und vor allem Horst wurde das Chaos gelichtet. Erst planlos und seit etwa 1,5 Jahren auch zunehmends mit System.
Mir wurde klar, was für eine Industrie dahinter steckt und das meine ich nicht mal negativ. Aber ich konnte nun Familien-, Kenner- und Expertenspiel einordnen, hatten ein paar Messen und Cons besucht, wusste was ein Deckbuilder von einem Worker-Placement-Spiel unterscheidet und so weiter. Erst ab diesem Zeitpunkt etwa, kann man ja überhaupt die Sorge haben, etwas zu verpassen. Wer hin und wieder mal eine Partie zockt, ist sich der schieren Masse, dem potenziell Möglichen also meistens gar nicht bewusst. Vielleicht gar nicht so schlecht?!?

FOMO ist ein weit verbreitetes Phänomen in der heutigen Gesellschaft. Viele Menschen haben Angst, etwas zu verpassen oder nicht auf dem neuesten Stand zu sein, wenn es um bestimmte Hobbys oder Trends geht. Auch im Bereich der Brettspiele gibt es sicher dieses Gefühl, dass man immer auf dem Laufenden bleiben muss. Es gibt Tausende von verschiedenen Spielen auf dem Markt und es kann schwierig sein, sich zu entscheiden, was man kauft und vor allem was nicht. Ich persönlich sehe all das aber eher als eine Chance, verschiedene Spiele auszuprobieren und herauszufinden, welche mir am besten gefallen.

Dabei ist es mir im Grunde klar, dass ich auch etwas verpasse, ich sehe es aber eher so: “Es gibt so viele tolle Spiele, die werde ich selbst mit der Zeit, die ich für Brettspiele investiere, eh nie alle spielen können.” Daher probiere ich einfach die Spieleabende, Messebesuche und Gespräche mit tollen Spielen und Erlebnissen zu füllen und gut ist es. Mehr will ich gar nicht. Ich ärgere mich eher über einen Flop, der mich einen Spieleabend “gekostet” hat, als darüber, dass auf meiner Wishlist noch dutzende ungespielte Spiele warten und dazu hunderte Weitere da draußen in der großen, weiten Welt. So ist es eben, denn ich weiß auch, dass ich sonst mehr Zeit investieren müsste und das kann/will ich nicht.

Auch der Faktor Geld spielt in diesem Zusammenhang sicher eine Rolle. Ich könnte mir vorstellen, dass Vielspielende und Sammler*innen eher von FOMO betroffen sind. Für mich ist das Budget, was in dieses Hobby fließt ungefähr abgegrenzt. Mein shelfie hat ein Anfang und ein Ende und somit kommt circa ein Spiel pro Quartal zu meiner Sammlung hinzu. Wobei ich fairerweise sagen muss, dass durch diverse Freunde, mit denen ich das Hobby teile, es am Ende mehr als vier, fünf neue Spiele pro Jahr sind… Es bildet sich bei mir schon eher ein pile of shame der aus Titeln besteht, die so toll waren, dass ein, zwei Mal spielen diesen Titel nicht gerecht werden.

Ich glaube leider auch, dass sozialen Medien FOMO verstärken. Auf Plattformen wie Instagram und YouTube, auf denen man Einblicke in die neuesten Brettspiele und ihre Spielmechaniken bekommen kann, gibt es einfach so viele tolle Kanäle, dass wirklich für jeden etwas dabei ist. Wenn A jetzt sagt, Spiel B ist ganz toll und dazu ein fettes Video macht, dann will ich das haben. Dazu noch die Meinung von Kanal X, dass Spiel Y eine viel bessere Variante von Spiel Z ist, was ich ja total gerne gespielt habe, usw. Letztendlich entscheide ich aber selbst, ob ich einem Hype folgen will oder nicht. Hier ist ein gesunder, reflektierter Umgang mit den sozialen Medien genau so wichtig, wie sonst auch.

Ich habe drüber nachgedacht und am meisten FOMO, oder zumindest ein ähnliches Gefühl, kommt bei mir wohl bei Messebesuchen und Cons auf. Es fühlt sich nicht schlecht oder schlimm an, aber wenn Horst und ich Mitte Juli dieses Jahr zum Beispiel wieder nach Berlin zur BerlinCon fahren, kommt Freizeitstress auf. Die endlichen Stunden auf dem Ausstellungsgelände wollen ideal genutzt werden. Man bereitet sich vor, möchte möglichst viel, vielleicht sogar alles sehen. Man muss die Zeit irgendwie auf alle möglichen Ständen aufteilen, möchte hier mal schauen und dort mal Probespielen. Also entweder früh aufstehen, oder eben cool damit sein, am Ende nicht alles gesehen zu haben. Fällt mir in der Realität aber auch nicht so einfach, wie es hier mal eben aufzuschreiben.

In diesem Sinne freut es mich, dass ich wohl nicht so sehr von FOMO betroffen bin wie Andere. Vielleicht helfen Euch diese Zeilen ja ein bisschen meine Sichtweise zu verstehen und Euch nicht so sehr zu stressen. Denn Brettspielen bedeutet für mich auch, Neues und Unbekanntes zu entdecken und sich überraschen zu lassen.


Die anderen Geschichten

Wie in der Einleitung geschrieben, ist dies kein Einzelwerk sondern ein gesamt Blog-Werk. Unterstützt die anderen Blogs und schaut mal rein, was die zu dem Thema für Gedanken mit euch teilen möchten (in alphabetischer Reihenfolge). Die Links führen direkt zu den passenden Artikeln der Kolleg*innen. Ich bin mir sicher, dass sie sich sehr über eure direkten Kommentare freuen. Natürlich würde ich das ebenfalls zu schätzen wissen.

Spielstil
Abenteuer Brettspiele
Brett und Pad
Brettspielgalaxie
Brettspielmonster
Brettspiel Pott
Fjelfras
Spielenerds

In diesem Sinne danke an Christian von Spielstil und danke an all meine Mitstreiter*innen für den tollen Erfahrungsaustausch. Fröhliches Spielen zusammen.


Grafik(en) und Bild(er) von Horst Brückner, WOKANDAPIX (pixabay.com), Friedhelm Merz Verlag GmbH & Co KG

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Thematische, narrative und verzahnte Spiele ... hier geht mein Herz auf. Dazu eine stimmige Vinyl-Schallplatte (oder Playlist) und los geht das Abtauchen in die Spielwelt. Als Spielleiter und Spieler kann ich mich auch vortrefflich in Pen-und-Paper-Welten tummeln. Bei Videospielen bin ich raus. Ist mir meist zu schwer (einzige Ausnahme: Super Mario Kart).

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