Oh Junge, hab ich mich gefreut. Hype-Level über 9000. Band 1 des Manga von Berserk kam 2001 auf Deutsch raus und seitdem hab ich jeden neuen Band verschlungen, als wäre er ein frisch servierter Rollbraten. Die Zeichnungen? Krank gut. Das Thema? Erwachsen, düster und fleischig. Die Story? Frisst dich auf und spuckt nicht mal mehr den Helm aus. Der Schöpfer Kentaro Miura ist leider viel zu früh gegangen, aber sein Jugendfreund führt das Werk weiter. Das war ein kurzer Exkurs, aber nun weißt du warum ich auf die Brettspielumsetzung so heiß war. (Uhhh Vergangenheitsform – Spoiler)
Monolith kann Minis und dicke Spiele: Conan, Reichbusters, Solomon Kane, OrcQuest, Mythic Battles – das Portfolio ist wie eine Trophäenwand. Was soll da schon schiefgehen? Ok, paar sind noch aus Mythic Zeiten, aber das würde meine These jetzt nicht so stützen.
Berserk: The Board Game ist ein kooperativer, kampagnenbasierter Skirmisher. Du spielst Guts, Schierke, Farnese, Isidro, Serpico und ihre Verbündeten und haust dich durch bekannte Gegner aus dem Manga/Anime (Je nachdem was du kennst).
Diese Preview basiert auf einen Prototypen, der allerdings schon einen ziemlich fertigen Eindruck gemacht hat. Sogar die Figuren waren bereits aus Kunststoff, statt wie üblich aus Resin. Spielbar war nur Mission 6 von ca. 11. Wie stark die restlichen Szenarien variieren, kann ich daher nicht sagen – ich hatte also nur einen Probebiss aus dem Dämonenbüffet.

So spielt es sich
Du führst immer 8 Handkarten, die im Verlauf der Geschichte aufgewertet werden können. Zu Beginn deines Zugs spielst du 1–3 Karten übereinander. Nur die oberste liefert ihren Texteffekt; die darunterliegenden steuern Symbole für Angriffswürfel, Verteidigung und Bewegung bei. Ohne „Unterfütterung“ kommst du kaum vom Fleck also ist stapeln angesagt. Die Angriffswürfel gibt es in verschiedenen Farben mit jeweils unterschiedlicher Wahrscheinlichkeit für Treffer und maximal möglichen Wunden. Dazu noch mit Symbolen für Sondereffekte wie bluten oder betäubt. Am Rundenende bekommst du alle Karten zurück, außer Blitzkarten: die brennen dauerhaft weg (lassen sich aber mit bestimmten Effekten zurückholen).

Doch Björn, warum sollte ich denn dann nicht immer drei Karten spielen? Ja hier kommt das Ermüdungs/Fatigue-System ins Spiel. Überschreitest du deinen Ermüdungswert, kippst du erschöpft zusammen und bist raus. Eine Karte = 0 Müdigkeit, zwei Karten = 2, drei Karten = 4. Du siehst also bei drei Karten steigt die Ermüdung schon enorm und würdest du immer drei Karten spielen, hältst du nur 6 Runden durch. Ab bestimmten Schwellen hagelt’s Mali, die je nach Charakter an unterschiedlichen Zeitpunkten auf der Leiste auftreten. Isidro, der Frischling, ächzt schneller als die anderen – sehr thematisch, aber auch sehr bremsig.
Am Anfang fühlt sich das Puzzle nett an, danach werden die Rundenabläufe jedoch flott repetitiv. Die harte Bestrafung fürs „groß aufdrehen“ lädt nicht gerade zum Anime-Feuerwerk ein. Jeder Held hat zwar eine eigene Mechanik – Isidro sammelt durch das Töten von Monstern z. B. Selbstvertrauen für permanente Boni, kann’s per Karte kurzfristig boosten und sogar teilen – doch am Tisch herrscht trotzdem die bekannte Monolith-Formel: Hauptprotagonist ballert, Sidekicks fegen nochmal durch. Das passt zur Vorlage, fühlt sich aber spielerisch mau an: Guts haut 22 Schaden in einem Schlag raus, Isidro kratzt mit Ach und Krach an 9, wovon 7 am Schild des Bosses einfach verpuffen. Also Kleinvieh wegräumen und Nebenjobs erledigen? Blöd nur, dass du dadurch oft zu weit weg von den anderen stehst und viele Karten-Synergien verpuffen.
Verbündete darfst du frei bewegen und dann angreifen – nur in dieser Reihenfolge. Erst dreschen, dann wegrennen ist nicht. Etwas sehr starr geregelt. Naja – wenn alle fertig sind, kommen die Gegner zum Zug.

Gegner-KI und Events
Oh Boy, ist das platt. Die Gegner laufen simpel auf den nächsten Helden zu und würfeln stumpf ihren Angriff. Ereignisse können für eine Aktivierung eine andere Zielpriorität setzen („Greife den Helden mit den wenigsten Schilden an“), danach schaltet der Boss wieder in Kartoffelbetrieb. Ergebnis: Er wankt einmal zu Schierke, dreht dann doch auf halbem Weg ab, weil Guts näher steht. Das wirkt… sagen wir mal nicht nach „Griffith-4D-Schach“, sondern mehr nach „Oger sucht Schlafplatz“.
Die Gegner haben auch eine Fähigkeit. Der eine zum wurde schlechter, wenn nur ein Charakter an ihm stand und beim anderen mussten mehrere drum rumstehen, um ihn schlechter zu machen. Aufregend… Auch die anderen Gegnerfähigkeiten waren nicht so spannend. z.B. +2 Verteidigung wenn er sich in der Nähe eines bestimmten Bosses aufhält.

Ereignisse werden immer durch bestimmte Dinge getriggert (Erreiche Punkt A, besiege diesen Gegner, etc.), bis das Finale Ereignis aufgedeckt wurde und dir sagt, wie du gewinnen kannst. Begleitet durch einen kleinen Flufftext, der den Flow jetzt nicht ewig unterbricht.
Positiv find ich das die Gegner keine reinen HP-Schwämme sind. One-Hit-Kills bei Normalos sind drin, Bosse halten mehr aus, kippen aber mit etwas Glück nach ein paar satten Treffern. In unserem Szenario haben sich besiegte Bosse zu einer größeren Form gemausert (plötzlich 70 HP). Ich dachte schon: „Na toll, doch Schwamm.“ Aber das Szenarioziel verlangte nur, beide auf 50 Wunden runterzuprügeln – völlig okay, dadurch spielte es sich angenehm schnell. Wir haben ca. 90 Minuten gebraucht. Später in der Kampagne musst du sie vermutlich auch mal komplett runterhauen – hoffentlich mit passenden Rahmenbedingungen.
Übrigens haben wir das Szenario tatsächlich mit der aller letzten Aktion bestanden. Falls der Wurf nicht geglückt wäre, wären wir alle KO gewesen. Das war ganz cool, aber wer die Mission schon kennt, kommt wesentlich einfacher durch.
Aufbau & Optik
Das Spielfeld wird nach dem Szenario aus verschiedenen Spielfeldern zusammengestellt. Darauf gibt es rote Felder die vollständigen Blockaden sind und weiße Felder, die nur die Bewegung blockieren, aber nicht die Sichtlinie. Spawn- und Interaktionspunkte in Form von Token werden vom Szenario noch zusätzlich platziert. Dann noch die Gegner auf die Startpositionen setzen und es kann auch losgehen. Der Aufbau ist schnell gemacht.

Optisch macht es richtig was her. Besonders hervorzuheben ist sind die magnetisierten Teile. So lassen sich zum Beispiel Flügel oder Waffen der Gegner austauschen. Erst dachte ich, dass ist nur für den Prototypen so, aber das wird wohl auch in der finalen Version so sein. Die Würfel sind auch richtig schön und haben so einen matten frosted Effekt.
Im gleichen Zug kann ich aber schonmal folgendes anmerken. Falls du das Spiel backen willst und es irgendwann als Add-on zusätzliche Würfel angeboten werden: Nimm die gleich mit dazu, denn oft muss du mehr Würfel werfen, also da sind. Ein weiteres Set schadet nicht. In den Regeln steht die super Regel, dass man sich das Ergebnis aufschreiben soll, bevor ein Würfel erneut geworfen wird. Für ganz vergessliche. Ist jetzt schon zum Running Gag geworden.

Anspielfazit
Berserk: The Board Game ist ein einfach gestrickter Skirmisher mit tollen Minis und ordentlicher Produktion. Vielleicht spielerisch ein etwas umfangreicheres Zombicide. Vielleicht hab ich zu viel erwartet, vielleicht braucht’s mehr Szenarien, um die Stärken zu zeigen – aber nach meiner Probemission trägt das Fatigue-System das Spiel nicht über längere Zeit. Die Karten-Upgrades geben kein „Ich werde besser“-Gefühl, es gibt kein Cooldown: Du bekommst am Ende jeder Runde schlicht alles zurück und kannst theoretisch ständig dieselbe Kombo drücken. Das ist schnell, aber wenig spannend – und nach knapp 30 Minuten fühlte sich vieles schon nach Replay an.
Kurz: Wenn du die Vorlage liebst, findest du hier stimmige Bilder und einen Hauch vom Berserk-Schweiß. Wenn du auf taktische Tiefe hoffst, triffst du eher auf eine hohle Rüstung. Ich bin froh es vorher gespielt zu haben – der Kaufhype ist mir damit erspart geblieben.
Pro
- Look & Atmosphäre: Düstere Optik, starke Artworks, magnetisierte Minis. Berserk-Feeling am Tisch.
- Schneller Aufbau & flotter Ablauf: Boards auslegen, paar Marker und Minis drauf, los. Runden gehen fix von der Hand.
- Gegner sind keine HP-Schwämme): Normale Gegner fallen zügig, Bosse je nach Szenario – Tempo bleibt hoch.
- Charakter-Flavor: Eigenständige Mini-Mechaniken transportieren die Vorlage gut.
- Kooperativ, kampagnenbasiert: Niedrige Einstiegshürde für Gruppen, die „gemeinsam draufhauen“ wollen.
Contra
- Wenig Entwicklung: Karten-Upgrades wirken klein, kein Cooldown – du bekommst jede Runde alles zurück, Kombos wiederholen sich schnell.
- Fatigue bremst: Das Erschöpfungssystem bestraft große Züge stark.
- Protagonisten-Gefälle: Guts räumt massiv ab und alle anderen fühlen sich oft wie Statisten.
- Einfache Gegner-KI: Zielwahl/Ereignisse wirken kurzzeitig clever, kippen dann in „Kartoffelmodus“.
- Langzeitreiz unklar: Nach einer Mission schon deutliche Wiederholung – ob die Kampagne genug Varianz liefert, bleibt offen.

Am liebsten verliere ich mich in Kampagnenspielen mit Story, Drama und am besten noch moralischen Entscheidungen, die mich nachts wachhalten. Weil was ist schon Entspannung, wenn man auch Existenzkrisen simulieren kann?
Abseits von Kampagnen mag ich´s knackig: Leichte Spiele sind okay, aber mein Herz schlägt für Kenner- und Expertenspiele bei denen das Gehirn nicht einfach nur mitmacht, sondern sich zwischendurch abmeldet und Urlaub beantragt.
Aber: Ich bin auch nur ein Mensch. Wenn das Thema stimmt und die Optik knallt, bin ich sofort verzaubert. Mein Motto? "Theme is King!" – Und ich bin sein loyaler Untertan.