Es ist wieder Zeit für eine neue #BG2Gether Frage. Mehrere bloggende Menschen stellen sich (in der Regel) Monat für Monat einer zentralen Frage von Christian (Spielstil) und beantworten diese. Am Ende verlinken wir uns gegenseitig und fördern so den gemeinsamen Austausch. Alle unsere Antworten auf alle Fragen findet ihr in der Übersicht zusammengestellt.
Die September-Frage lautet:
Sollten Brettspiele eine stärkere moralische oder politische Botschaft vermitteln oder sollte der Fokus rein auf Unterhaltung liegen?
Horsts Geschichte
Je länger ich über die Frage nachgedacht habe, desto mehr kam sie mir wie harter Tobak vor. Daher fange ich vielleicht erst einmal ganz anders an. Spiele leben bei mir sehr von dem Thema. Ich würde daher Spiele grundsätzlich meiden, die gegen meine persönliche Weltanschauung oder entgegen meiner politischen Ausrichtung verstoßen. Das steht schon mal fest.
Wechseln wir nun zu der allgemeinen Frage der Bildung. Fände ich es gut, wenn ein gewisses Maß an Bildung durch Spiele vermittelt wird? Das kann schon wie in etwa bei Hegemony (Giant Roc) das Verständnis von den Konflikten zwischen Staat, Arbeiterklasse, Mittelschicht und Kapitalisten sein. Aber ich finde es auch schön, wenn mich Spiele zur Recherche anleiten. Als ich für die Teilzeithelden zu Lacrimosa (Kosmos) eine Rezension verfasst habe, habe ich mich einige Stunden in Mozarts Leben verloren. In der Zeit konnte ich bei jeder neuen Runde den Menschen die wichtigsten Daten und Fakten herunterbeten und das gehört für mich ebenfalls zum Erlebnis Brettspiel. Also ein „Ja“ für die Bildung durch Brettspiele. Sei es durch den eigenen Antrieb oder durch das Spielerlebnis als solches.
Wenn ich nun als moralischen Kompass Spiele wie E-Mission (Schmidt Spiele) oder Gigawatt aufzählen würde, vermute ich, dass ich ein verständnisvolles Nicken bekommen würde. Hoffe sehr, dass uns allen unsere Umwelt am Herzen liegt und daher solche Themenbasierte Spiele als gesunde Aufklärung gelten. Eines meiner Lieblingsspiele ist immer noch Mombasa (Eggertspiele). Mombasa spielt zur Kolonialzeit. Das Cover zeigt im Hintergrund arbeitende schwarze Menschen. Ich kenne einige Menschen in meinem Kreis, die das Spiel genau aus diesem Grund nicht spielen würden. Tatsächlich hat mich der Passus im Regelheft im Gegenteil viel mehr dazu angeregt mich mit Kolonialisierung auseinanderzusetzen. Jetzt richtig verstehen: das ist für mich ein Teil der unrühmlichen Geschichte und ich verabscheue die Ausbeutung ebenso. Aber ich hätte mich wahrscheinlich nie mit dem Thema so intensiv auseinandergesetzt, wenn ich nicht dieses Spiel und die Einleitung im Regelheft gelesen hätte.

Ich finde es gut, wenn in Brettspielen kritische Punkte – sei es in Bezug auf Moral oder Politik – aufgenommen werden, aber eben auch mit der notwendigen Erläuterung, Abgrenzung oder Erläuterung. Wenn daraus auf ein Misstand (nach meinem Dafürhalten) aufmerksam gemacht werden kann, kann die Welt nur ein bisschen besser werden. Spiele sollen für mich aber keine (neue?) Plattform für radikalisierende Meinungen sein.
Bills Geschichte
Im Grunde kann ich mich mal wieder Horsts Meinung ganz und gar anschließen. Besonders seinem Fazit kann ich voll und ganz zustimmen. Den Vorrang haben für mich normalerweise Spiele, die mich thematisch abholen und daher die Fähigkeit besitzen mich tief in die damit zur Verfügung gegebene Umgebung eintauchen lassen. Wenn das Thema mich ganz und gar abstößt und damit natürlich auch gegen mein Weltbild und meine Moral verstößt, werde ich dieses sehr wahrscheinlich ablehnen.
Thematisch haben mich aber auch immer wieder einige Spiele mit Themen abholen können, die mich im normalen Leben eher kalt lassen. Das schweift etwas von der Fragestellung ab, daher will ich nur kurz ein paar Beispiele nennen ohne auf das „Weshalb“ einzugehen: Eleven, Heat und Rallyman oder Obsession.
bei Bildung fällt mir da auch als einer der stärksten Vertreter Hegemony ein. Es ist schon eine beinahe wissenschaftliche Arbeit des Verlags, welsche überraschend kurzweilig und interessant verstanden haben Politik in einem Brettspiel zu verarbeiten. Dabei wird die Politik als Thema genutzt ohne die einzelnen Ausrichtungen zu bewerten, sondern eher die Konsequenzen wahrlich spüren zu lassen. Das ist in meinen Augen tatsächlich großes Kino mit Bildungswert! Der Nachfolger World Order ist daher ebenso interessant, auch wenn ich mich dabei Frage, wer moralisch gesehen die Russen oder auch die Amerikaner als Spieler vertreten möchte.
Das führt zum zweiten Thema „Moral“ und lässt hier und da ratlos zurück. Möchte ich bestimmte Themen am gesellschaftlichen Spielenachmittag auf dem Tisch angesprochen werden oder völlig unberührt die gemeinsame Zeit genießen können? Zur Fragestellung ob ich eine bestimmte Fraktion überhaupt in einem Spiel übernehmen oder erleben oder mit bestimmten Themen wie Umweltschutz, Klima, Tierschutz, Sklaverei, Krieg etc. berührt werden möchte ist nicht für alle gleich zu beantworten. Und wann auch nur eine spielende Person am Tisch damit Probleme hat, sollte man ein solches Spiel gleich zur Seite legen!
Ich persönlich finde solche Themen oft ansprechend. Sie regen zum Nachdenken an und führen vielleicht noch beim Spielen zu sehr interessanten und bewegenden Gesprächen. Ebenso schade finde ich es, wenn kritische Themen dogmatisch immer abgelehnt werden, weil sie vielleicht nicht mehr in das heutige Weltbild passen oder der beteiligten Person missfällt. Gerade Themen wie Kolonialisierung und Sklaverei können und sollten auch in der Anleitung angesprochen werden, so dass man die Thematik ggf. am Spieltisch verarbeitet und sich hinterher noch damit befassen kann (z.B. durch Internetrecherche).
Ein ebenfalls interessanter, sehr neuer Vertreter mit Bildung und Moral könnte Forestry vom tschechischen Verlag Pink Troubadour (lokalisiert von Pegasus Spiele) sein. Echte Förster und Forstwissenschaftler haben in diesem Spiel mitgearbeitet um die Thematik der Försterei und den damit verbundenen Umweltschutz möglichst realistisch darzustellen. Für mich bereits jetzt ein Kandidat diesen auf der Spiel 25 besonders zu beleuchten.
Insgesamt ist mein Fazit damit: Spiele dürfen gerne moralische und politische Botschaften vermitteln, sollten damit aber dem gesellschaftlichen Spielerlebnis, also der gemeinsamen Unterhaltung, nicht im Wege stehen. Es sei denn, es ist genau das Thema des Spiels und die Spielenden möchten dies ausdrücklich gemeinsam erleben (z.B. This War of Mine). Insgesamt sollte die Unterhaltung im Fokus bleiben und darf am Rande von wichtigen Inhalten angesprochen und unterstrichen werden. Am wichtigsten ist jedoch, dass alle am Tisch eine gute Zeit haben.
Die anderen Geschichten
Wie in der Einleitung geschrieben, ist dies kein Einzelwerk sondern ein gesamt Blog-Werk. Unterstützt die anderen Blogs und schaut mal rein, was die zu dem Thema für Gedanken mit euch teilen möchten (in alphabetischer Reihenfolge). Die Links führen direkt zu den passenden Artikeln der Kolleg*innen. Ich bin mir sicher, dass sie sich sehr über eure direkten Kommentare freuen. Natürlich würde ich das ebenfalls zu schätzen wissen.
In diesem Sinne danke an Christian von Spielstil und danke an all meine Mitstreiter*innen für den tollen Erfahrungsaustausch. Fröhliches Spielen zusammen.
Bilder & Grafiken Horst Brückner
Banner Bild von Robert diam from Pixabay – Das gewählte Hintergrundbild passt für mich perfekt, wenn es um Politik oder den eigenen moralischen Kompass geht.