Wenn es ein Hobby gibt, dass mich immer begleitet hat, dann ist es am ehesten Pen-and-Paper. Das gute klassische Rollenspiel hatte mich bereits mit Das Schwarze Auge für sich eingenommen. Es gab unzählige Ausflüge in andere Systeme, Welten, One Shots, Kampagnen und ziemlich viel selbst ausgedachte Abenteuer mit coolen Plots und witzigen Geschichten. Fern ab von Bleistift und Papier hatte mich HeroQuest in seinen Bann gezogen. Ich habe mir übrigens die neu erschienene Version gekauft und die ersten Szenarien überlebt. Wobei das Wort “überlebt” hier heldenfaltig eingesetzt werden kann. Von Last-Hero-Standing bis hin zu “oh, ist das Spiel in die Jahre gekommen”. Nichtsdestotrotz ist es ein tolles Spiel voller nostalgischer Erinnerungen. Auf jeden Fall bin ich immer auf der Suche nach dem Rollenspiel-Erlebnis auf dem Brettspiel-Universum. Nach meiner Erfahrung gibt es mit Spielen wie Descent oder Tainted Grail gute Anwärter für ein Substitut. Tatsächlich ist es in erster Linie das gemeinsame Commitment. Beim Rollenspiel ist es klar: Man triffst sich mit mehreren Personen, baut Charaktere, denkt sich vielleicht noch überschneidende Hintergrundstories aus und dann geht eine phantastische Reise über mehrere Jahre los. Sowohl der eigene Charakter wächst einem ans Herz wie auch die Spielenden. Ich glaube ganz persönlich, dass darin meine Substitutsversuche in der Brettspiel-Welt gescheitert sind. Und dann kam Bill.
Bill, Rene und Sven haben mehrere Jahre Gloomhaven gemeinsam gespielt und sind nun in irgendeiner Erweiterung (irgendetwas mit Kreisen oder Ringen .. entschuldigt meine Ignoranz und bewusste Recherche-Faulheit) ziemlich am Ende. Wenn ich es richtig verstanden habe, spielen sie sogar nur noch irgendwelche Szenarien, die noch übrig sind. Auf jeden Fall hat mich Bill gefragt, ob ich nicht bei Frosthaven miteinsteigen möchte und wir zu viert uns dem Erlebnis widmen. Ein Commitment auf Jahre, Charakter-Entwicklung, Abenteuer erleben, tolle Miniaturen … konnte ich da wirklich nein sagen? Nein! Konnte ich nicht.
Mein Weg nach Gloomhaven
Dabei war mein Weg dahin alles andere als gelungen. Auf einer SPIEL wollten Chris und ich – zu der Zeit eher Rollenspiel-Fans als Brettspiel-Nerds – in das noch relativ frische Gloomhaven hinein schnuppern. An einem der vielen Testtische konnten wir uns mit viel Wartezeit (ein Tag später) mit zwei anderen Menschen von dem Spiel überzeugen lassen. Wahrscheinlich war es ein typisches Testspiel oder ein Szenario für die Messe. Die Aufgabe war klar: “Alle platt machen und überleben”. Wir hätten nicht enttäuschter sein können. Statt Würfel gibt es Karten mit Zahlen drauf. Statt komplexe Quests heißt die Aufgabe macht alle platt. Unser vielen Nachfragen zur Story-Entwicklung, Plots, Twists, möglichen Charakterentwicklungen stießen bei dem armen Messe-Menschen irgendwann auf ratlose Blicke. Was haben wir also mitgenommen? Ein Spiel mehr auf der Liste abgekreuzt und Chris hat sich Tainted Grail gekauft. Wie wir das Spiel wieder losgeworden sind, ist eine andere Story, die Chris hoffentlich noch einmal zum Besten geben wird. Kurz gesagt: Wir haben es nie zu Ende gespielt, weil wir uns vom Spiel an vielen Stellen zu sehr ge-gegangelt gefühlt haben und das dauernde Füttern der Menire mehr wie eine Strafe anfühlte. Übrigens soll das bei Tainted Grail Kings of Ruin (“TG KoR”)nicht mehr so sein. Ich glaube, dass ich bereits von der Story von uns vieren damals am begeisterten war. Auf jeden Fall habe ich TG KoR per Crowdfunding mitgemacht. Freue mich sehr, wenn Ende des Jahres (oder Anfang des nächsten Jahres) die deutsche Version bei mir eintrudelt. Ich werde es zur Not auch alleine beginnen.
Was erwartet euch
In mir findet ihr demnach keinen Gloomhaven-(Frosthaven-)Fanboy. Nein, ich kenne nicht mal die Rassen oder die Welt. Ich hätte gern mal auf Steam die Pranken des Löwen Solo gespielt, aber da dies käuflich nur mit Gloomhaven zu erwerben ist, bleibt es mir wahrscheinlich dauerhaft zu teuer. Die Pranken des Löwen würde ich mir eventuell für sehr schmales Geld zulegen, aber auch da hat sich noch keine passende Gelegenheit ergeben.
Ich habe auch keine Lust auf die Regeln für Frosthaven im Detail darzustellen. Wenn das jemand fehlen sollte, dann meldet euch gerne und ich ziehe das nach. Aber dazu gibt es genügend Videos und diese Artikel-Reihe soll keine Rezension werden. Es soll ein Kampagnenbericht gepaart mit Eindrücken von “außen” sein. Klar, werde ich immer tiefer in den Sog gezogen … so hoffe ich zumindest. Aber starten möchte ich mit frisch und freiem Mundwerk. Keine Ahnung wie lange ich das mache und ob es ein finales Ende für die Serie geben wird. Ich fang einfach mal an.
Tag 1 – Szenario 0 und Szenario 1
Die drei Vollprofis waren so nett und haben mit mir noch das Einstiegsszenario 0 gespielt. Aber bevor es losgehen sollte, mussten wir erst einmal zu unseren Charakteren kommen. Ich hatte mir schon die spärliche Erläuterung der sechs Start-Charaktere durchgelesen. Anders als aus Rollenspiel-Regelwerken keine seitenlange Abhandlung über die Rassen und Klassen. Im Gegenteil: Die Bannerspeer in etwa kommt mit folgender Beschreibung aus.
- Niedere Komplexität
- Führt und beschützt die Gruppe aus strategischen Positionen heraus mit mächtigen Angriffen
Ja, das war es. Für “Gloomis” wahrscheinlich schon genügend Informationen. Zumindest gab es am Tisch bei der ein oder anderen Beschreibung Gefachsimpelei und mutige Blicke in die Zukunft, wofür der Charakter wohl stehen könne. Am Ende ist es so gelaufen:
- Rene aka Bunkó – der Wanderer
- Sven aka Shizo und Phreno – die Doppelseele
- Bill aka Kashera – die Todeswandlerin
- Horst aka Axara – die Knochenformerin
Mir hatte es bereits beim Durchlesen die Knochenformerin angetan. Mittlere Komplexität und sie “beschwört Untote und opfert die eigene Gesundheit, um Verbündete zu erschaffen und zu heilen”. Yeah, wir W20-Würfler sagen dazu Nekromantin. Die Rasse (bei mir Aesther) scheint nicht so wichtig zu sein, zumindest gibt es keine Auswahl und dementsprechend auch keine Zusatzattribute.
Das Szenario 0 richtet sich insbesondere an Neulinge in dem Frosthaven-Universium. Der recht stimmungsvolle Text erklärt, dass wir unter argen Wetterbedienungen eine Karawane begleiten, um den Außenposten Frosthaven zu erreichen als wir plötzlich ein Heulen aus naher Distanz ausmachen konnten. Sven aka Shizo hat es vortrefflich zusammengefasst: “Fängt nicht so jedes Spiel an? Wölfe!”. Okay, ich glaube es waren Grimmwölfe, aber der Name ändert nichts an der Sache. Alle platt machen.
Renes Charakter ist offenbar der Kämpfer der Truppe. Er hatte tolle aktive Karten, die sowohl die Bewegung als auch den Angriff Runde für Runde stärken und dabei gleich noch Erfahrungspunkte generieren. Ich muss schon sagen, dass da etwas Neid aufkam bei den Sätzen und ich bekomme dafür noch einen Erfahrungspunkt.
Die Doppelseele hat zwei Figuren; die eine ist für den Nahkampf, während die zweite Figur für den Fernkampf ausgelegt ist. Jeder Charakter hat nur sieben Handkarten (sind die Handkarten abgespielt, passiert was blödes .. ich glaube man stirbt .. hatten wir noch nicht) und Sven muss mit Karten zwischen den Charakteren aktiv wechseln. Das war schon ziemlich geil anzusehen. Da gab es tolle Züge mit Phreno (Fernkampf) angreifen, dann den Gegner zu sich ziehen und zu Shizo (Nahkampf) werden. Geile Kombination. Nur blöd, wenn der Gegner beim nächsten Mal vor einem dran ist, aber hey, man kann nicht alles haben.
Über Bills Charakter kann ich noch nicht allzu viel schreiben. Außer, dass sowohl seine Todeswandlerin als auch meine Knochenformerin dasselbe Element Dunkel benötigen. In jeder Runde spielt man zwei Fertigkeit-Karten aus der Hand aus. Diese sind immer in einen oberen und einen unteren Bereich unterteilt. Von den ausgelegten zwei Karten darf man insgesamt nur einmal den oberen und einmal den unteren Bereich in der eigenen Runde nutzen. Neben den immer wählbaren Standardaktionen (Angriff, oben; Bewegen unten) sind es genau diese Aktionen, die so richtig krasse Sachen machen. Unter anderem eben ein Element generieren. Meist hat einer von uns diese Element generiert, während der andere Charakter das direkt verwenden konnte. Das war ziemlich cool.
Meine Spezialität ist es, Untote zu beschwören. Hier musste ich in den ersten beiden Szenarien erstmal lernen, dass meine eigenen Beschworenen vor mir an der Reihe sind und sich dann auch wie dumme Monster verhalten. Ist niemand zum Bekämpfen da, hängen sie um mich herum ab (und ich kann sie nicht bewegen), ist jemand zum Bekämpfen da, greifen sie stumpf den nächst möglichen Gegner an. Ich hatte auch einige Male Situationen, wo ich mir den Weg selbst mit meinen Beschworenen zugebaut hatte und mit extrem viel Bewegung (= wichtige Karte unnütz ausgespielt) überholen musste. Wenn ich noch dran denke, werde ich beim nächsten Mal erst bei etwas mehr Luft Kreaturen beschwören.
Die Beschwörung hat direkt Spaß gemacht. Als waschechte Nekromantin braucht es da keinen Firlefanz wie Mana, sondern es reicht das eigene Blut. Ein Skelettkrieger auf das Spielfeld zu platzieren, beraubt mich direkt zwei von nur sechs Lebenspunkten. Klingt wie eine Einschränkung, hat mir aber Spaß gemacht.
Axara kann Verbündete heilen. Eine Kartenkombination hat hier ebenfalls den Programmiernerd in mir hervorgerufen. Wie für einen Tank nicht anders zu erwarten, hat Renes Charakter massenweise Prügel eingesteckt. Zum Beginn des Szenario 1 wurde er von feindlichen Bogenschützen gelähmt und war ein gefundenes Fressen für eine ganze Reihe an Angriffen. Unglücklicherweise hat Rene uns just vorher erst die neue Dungeonkarte eröffnet und stand mutterseelenallein da. Bis wir dran war, waren die üppigen zehn Lebenspunkte auf einen Rest zusammengeschrumpft. Zusätzlich musste erst sich sogar mit weiteren Machenschaften des sicheren Todes erwehren. Da kam meine Aktion gerade richtig. Mit einem Schnitt in mein eigenes Fleisch, konnte ich ihm 5 Lebenspunkte wieder widmen und habe selbst dadurch zwei verloren. Mit der zweiten Aktion konnte ich dann je Beschworener Kreatur einen Lebenspunkt plus eins wieder regenerieren. Zu dem Zeitpunkt hatte ich zwei Kreaturen auf dem Spielfeld. Heile fünf, bekomme selbst ein Leben. Gute Bilanz.
Erstes Fazit (Spoiler)
Es ist schon ein bisschen Rollenspiel-Feeling. Karawane begleiten und von Wölfen angegriffen zu werden. Im Szenario 1 haben wir den Außenposten Frosthaven von Belagern geschützt und zum Glück auch alle Stadtwachen heile nach Hause gebracht. Im Spiel wurden dann die Regeln für den Ausbau des Außenpostens erklärt. Das wird sicherlich noch krass werden. Mit dem ganzen Loot lassen sich nämlich die Gebäude in Frosthaven erbauen respektive ausbauen. Sim City im wilden Norden. Immer wenn wir zu dem Ort nach unseren Szenarien zurückkehren, gibt es (eine Chance?) auf Angriffe. Daher heißt es, dass wir den Ort schützen müssen. Sonst werden die neugebauten Gebäude gleich wieder abgerissen und können nicht mehr produzieren. Darüber bekommen wir aber unter anderem bessere Ausrüstungsgegenstände. Das finde ich schon geil. Ich befürchte allerdings auch, dass das Management von dem Posten viel Zeit fressen wird. Mal sehen, ob wir das irgendwann delegieren und nicht immer zu viert erleben müssen.
Mit meiner Knochenwandlerin bin ich sehr zufrieden. Ich kann zwar nicht wirklich so viele Erfahrungspunkte generieren und sollte mich auch aus direkten Angriffen eher Fernhalten. Aber eine Horde Untote zu beschwören oder mit der ein oder anderen Kombi irre Effekte oder Heilzauber zu wirken, finde ich ganz gut.
In ein paar Wochen geht es in die nächste Runde. Hat euch der Ausflug Spaß gemacht? Was wünscht ihr euch mehr oder weniger? Freue mich über eure Kommentare.
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(c) Feuerland Spiele
Bilder/Fotos von Horst Brückner
Thematische, narrative und verzahnte Spiele ... hier geht mein Herz auf. Dazu eine stimmige Vinyl-Schallplatte (oder Playlist) und los geht das Abtauchen in die Spielwelt. Als Spielleiter und Spieler kann ich mich auch vortrefflich in Pen-und-Paper-Welten tummeln. Bei Videospielen bin ich raus. Ist mir meist zu schwer (einzige Ausnahme: Super Mario Kart).