Einleitung
Ende März hatte ich die Gelegenheit online mit Marcel Straub zu plaudern. Marcel ist DER Mann hinter Strohmann Games. Der Verlag ist erst etwas über zwei Jahre jung. Bekannt dürfte Marcels Unternehmen spätestens mit den Fantastischen Reichen geworden sein. Die Fantastischen Reiche haben es 2021 auf die Nominierungsliste zum Kennerspiel des Jahres geschafft. Aber lest lieber selbst, was Marcel zu erzählen hat.
Interview
„Der Spaß steht aber weiterhin im Vordergrund.“
(analog-rockt/Horst) Wieviel spielst du noch selbst?
(Strohmann Games/Marcel) Tatsächlich hatte ich etwas Bedenken als ich das Unternehmen gegründet habe: Geht der Spaß verloren, wenn man das Hobby zum Beruf macht? Aber ich hatte und habe immer noch zwei Spielrunden, mit denen ich mich wöchentlich treffe. Wir spielen jetzt natürlich auch mehr Spiele, die wir vorher noch nicht kennen. Aber das erfolgt nicht wahllos. Ich suche Spiele aus, von denen ich denke, dass die ganz gut in unsere Gruppe passen oder interessant klingen. Der Fokus hat sich also etwas verändert. Eher neue und eher Englisch-sprachige Spiele. Der Spaß steht aber weiterhin im Vordergrund. Gerade letztens haben wir erst einen Prototyp gespielt und danach hat es auch noch für eine Runde Golem gereicht. Das hatte ich bis dato auch noch nicht gespielt.
Wie kommst Du eigentlich zu solchen neuen Spielen. Euer Konzept, wie ich es verstanden habe, ihr veröffentlicht Spiele von anderen Verlagen oder Spiele-Autoren?
Eine redaktionelle Begleitung von Autoren mache ich aktuell nicht. Ich habe großen Respekt davor bei einem neuen Spiel zusammen mit dem Autor Abläufe zu optimieren oder potentielle Schwachstellen zu besprechen, Testspiel-Runden aufzuziehen oder dem eventuell sogar einen neuen Hintergrund zu verschaffen. Das sind Dinge, die ich mir als Quereinsteiger noch nicht zutraue.
Ich veröffentliche Spiele von Verlagen, die bereits veröffentlicht sind oder bei denen eine Veröffentlichung über Kickstarter in Vorbereitung ist. Gerade die ersten Spiele von Strohmann Games sind vor ein paar Jahren erschienen und hatten bereits eine gewisse Reputation aufgebaut, wie zum Beispiel Fantastische Reiche oder jetzt auch Q.E.. Beyond the Sun hatte ich schon sehr früh auf dem Schirm. Da war ich so überzeugt von, da musste ich nicht erst auf die ersten Reviews warten und habe sofort Kontakt aufgenommen.
Ich schaue aber auch, welche Spiele gerade in anderen Sprachen wie beispielsweise Französisch herauskommen. Wenn mich da etwas anspricht, versuche ich auch da heranzukommen. Gleiches gilt für Kickstarter. Es muss also nicht zwingend bereits veröffentlicht sein. Eine bereits stattgefundene Veröffentlichung macht viele Dinge einfacher. Es gibt bereits eine definierte Produktion und eine gleichbleibende Qualität. Und man kauft dann auch nicht die Katze im Sack.
Wie wirst du auf die Spiele aufmerksam? Wen schreibst Du an?
Auf Boardgamegeek bin ich viel unterwegs und habe auch einige YouTuber und Blogger, insbesondere Internationale, abonniert und folge deren Veröffentlichungen. Wenn mir dann etwas positiv auffällt, schreibe ich direkt die Spiele-Verlage an. Es ist nicht immer so, dass man unbedingt eine Antwort bekommt. Gerade auf der Kickstarter-Ebene stehen oft einzelne Personen mit ihrer Idee dahinter. Denen ist es möglicherweise am Anfang auch noch zu viel gleich etwas Internationales draus machen zu wollen oder zu können. Ich muss aber auch überlegen, welche und wie viele Verlage ich anschreibe. Es ist leider auch immer ein zeitliches Thema.
„In Essen hat man ja auch einen Zugriff auf internationale Spiele und kommt da ins Gespräch und knüpft da Kontakte.“
Ist ja ein bisschen Kaltaquise, oder?
Ja, das ist es letztendlich auch. Zum Glück gibt es die vielen Messen, auf denen man Kontakte knüpfen kann. Gerade auf der Spiel in Essen hat man einen größeren Zugriff auf internationale Spiele und Verlage. Die größeren Verlage, die bereits von vorneherein internationale Partner suchen, informieren darüber hinaus proaktiv über ihre Neuheiten und Kataloge.
Direkt internationale Messen wie die UK Game Expo, die Origins USA oder auch die GenCon habe ich noch nicht besucht. Das muss ich mir noch überlegen. Ist auch eine Kostensache und es sollte sich dann natürlich auch lohnen.
„Zu Beginn wollte ich es bewusst so aufbauen, dass es möglich ist, es alleine zu stemmen.“
Bist Du eine One-Man-Show?
Strohmann Games ist tatsächlich weitestgehend eine One-Man-Show. Zu Beginn wollte ich es bewusst so aufbauen, dass es möglich ist, es alleine zu stemmen. Ich bin immer mal wieder am Überlegen, ob ich eine Unterstützung brauche. Das erhöht erstmal den administrativen Aufwand, aber dann könnte man eben auch mehr machen.
Ich arbeite darüber hinaus aber mit vielen externen Partnern zusammen. Zum Beispiel für die gesamte Logistik und Lagerhalterung habe ich Partner. Denen brauche ich nur die Aufträge zu zusenden und sie kümmern sich dann um den Versand und alles weitere.
Am Anfang habe ich alle Übersetzungen selbst gemacht. Kleinere Übersetzungen mach ich oft noch immer selber. Inzwischen habe ich eine Übersetzerin, mit der ich gerne zusammenarbeite und die, die aufwendigeren Sachen übernimmt.
Händler beliefere ich eigentlich nicht direkt. Dafür nutze ich die großen Distributoren-Netzwerke. Auf meiner Homepage biete ich die Spiele über einen kleinen Webshop zusätzlich noch direkt an.
„Ist im Original nicht drin und ist auch sehr wohlwollend aufgenommen worden.“
Wahnsinn und Du hast ja bereits etwas Output im Jahr. Wieviel Freiheiten hast Du bei der Lokalisierung
Bei mir ist es so, dass ich in der Regel das Grundspiel eins zu eins übernehme. Nicht jeder Verlag will natürlich auch, dass ein Spiel anders aussieht. Aus Kostengründen ist dies auch nicht im allgemeinen Interesse. Durch die unterschiedlichen Lokalisierungen kann der ursprüngliche Herausgeber seine Produktion besser ausnutzen und mehr Volumina produzieren. Damit wird die gesamte Produktion günstiger. Wenn ich etwas wie beispielsweise die Schachtelgröße oder Plättchen verändern würde, müsste ich mich um alle neuen Werkzeuge, Stanztteile und so weiter kümmern. Damit wäre es dann eine eigene Auflage. Das ist für einen kleinen Verlag nicht wirtschaftlich.
Aber eigentlich ist das für mich auch okay. Ich vertraue da dem ursprünglichen Verlag. Es gibt einen Grund, warum sie es so heraus gebraucht haben. Punktuell passe ich ein bisschen etwas an, um gegebenenfalls die Verständlichkeit zu verbessern. Bestes Beispiel bei Fantastischen Reiche: da gibt es Kartenverweise auf andere Karten und die habe ich in der deutschen Version in der zugehörigen Kartenfarbe unterstrichen. Jetzt ist erkennbar zu welcher Farbe das Schwert von Keth gehört. Ist im Original nicht drin und ist auch sehr wohlwollend aufgenommen worden.
Nach meinem ersten Übersetzungsentwurf recherchiere ich zusätzlich bei dem Verlag nach eventuellen Errata und bei Boardgamegeek im Forum. Welche Regelfragen tauchen auf, was scheint unklar zu sein oder welche Hilfen gibt es. Solche Sachen arbeite ich dann gegebenenfalls in meine Lokalisierung mit ein.
Wieviel testet du die Spiele vorher selbst
Normalerweise versuche ich ein Spiel mehrmals in der analogen Version zu spielen, bevor ich eine Entscheidung treffe. Notfalls auch über den Tabletop Simulator. Ich bin da aber persönlich nicht so der Freund von. Für mich fehlt die Übersicht und die Spielstimmung dabei. Es gibt aber auch Positivbeispiele. Das in diesem Jahr erscheinende Virtù beispielsweise habe ich nur einmal über den Tabletop Simulator mit einem Freund angespielt. Es hat uns direkt überzeugt. Auf einer Messe hätten wir es sofort mitgenommen.
Welche Spiele erregt deine Aufmerksamkeit. Was macht für dich ein Brettspiel interessant?
Ich persönlich mag Spiele mit geringen bis keinem Glücksfaktor. Das färbt natürlich auch in Teilen auf das Portfolio bei Strohmann Games ab. Viele moderne Spiele empfinde ich als solitäres Spielen mit wenig Interaktion. Interaktion ist mir daher genauso wichtig. Es muss nicht immer eine direkte Interaktion sein. Beispielsweise bei Workerplacement-Mechaniken ist diese eher passiv. Man nimmt anderen Spielern Ressourcen oder ähnliches weg. Es passiert also etwas zentral am Spieltisch und man spielt nicht so vor sich hin.
(Lacht) Kann ich gut behaupten, wo Glow und Fantastic Factories eigentlich genau das nicht machen. Aber bei den beiden Spielen gibt es andere Anreize. Ich mag beispielsweise, dass dieser Solo-Part parallel von allen Spielern abgehandelt wird. Das reduziert die Downtime.
Ich bin da auch nicht ganz schwarz-weiß unterwegs. Wenn ein Spiel einen geringen Glücksanteil und gute Interaktionen aufweist, schaue ich es mir aber gern genauer an.
„Gleich mein erstes Spiel Fantastische Reiche wurde grade zum Kennerspiel des Jahres nominiert.“
Gibt es was worauf du Stolz bist
(Überlegt) Man kann eigentlich auf nichts stolz sein, für das man nichts kann. Gleich mein erstes Spiel Fantastische Reiche wurde grade zum Kennerspiel des Jahres nominiert. Bin ich da stolz drauf? In gewisser Weise schon. Wieviel kann ich dafür? (Zuckt die Achseln)
Etwas stolz bin ich auf Flotilla. Das ist vom Umfang schon ein großes Spiel mit den komplexen Regeln. Als ich damals dazu mit WizKids Games auf der Messe in Nürnberg in Kontakt war, hatte ich das Gefühl, dass sie mir zum Start eher erst mal nur ein kleineres Spiel wie Fantasy Realms (Fantastische Reiche) empfohlen hätten. Das fand ich zwar auch sofort gut, aber ich habe letztendlich für beide die Lokalisierung übernommen. Und für so ein großes Spiel wie Flotilla hat das meines Erachtens ziemlich gut geklappt.
Wie laufen die Vertrags- oder Preis-Verhandlungen ab? Was passiert bei einem Nachdruck? Ist das ein neuer Vertrag?
Der Preis richtet sich dann natürlich nach der gewählten Auflage. Du bestellst und kaufst bei dem Verlag also quasi das deutsche Produkt in einer gewissen Auflage. Dann übersetzt du die Dateien, schickst es ihm zu und er lässt beispielsweise deine 2.000 Exemplare zu dem vereinbarten Preis produzieren. Normalerweise sind Produktions- und Lizenzkosten dann in dem Preis mit drin.
Manchmal sind die Spiele im Urverlag nicht mehr so groß nachgefragt. Dann kann es auch sein, dass man eine reine Lizenz pro Spiel kauft. Diese ist dann auch nicht mehr an ein Volumen gekoppelt. Aber auch hier ist meist vorgegeben, wo produziert wird. Einfach auch, um die gleichbleibende Produktqualität zu gewährleisten. Nachdrucke werden unter anderem wegen den sich verändernden Rohstoffpreisen und den Produktionskosten jeweils neu verhandelt.
Hat die Nominierung zum Kennerspiel des Jahres einen Boom ausgelöst?
Auf jeden Fall. Wenn du auf der Empfehlungsliste bist, hat das angeblich noch keinen allzu relevanten Effekt. Wenn du nominiert wirst, verkauft man dann schon deutlich mehr. Für den Gewinner ist das dann richtig spürbar, während die Nachfrage bei den anderen Nominierten dann nach der Preisvergabe wieder leicht zu sinken beginnt.
Durch meine Distributoren Asmodee, Pegasus und Spieldirekt konnte ich bereits eine steigende Nachfrage während der Nominierung ausmachen. Für kleine Verlage ist das Distributionsnetzwerk von Vorteil. Die öffnen dir die Tore in Handelsbereiche wie zum Beispiel Thalia oder Müller, die vorher so einen kleinen Verlag nicht gesehen hätten. Auch wenn ich Fantastische Reiche jetzt bei Müller noch nicht gesehen habe (lacht).
Hat die Pandemie etwas für dich verändert?
Kann ich gar nicht beurteilen, weil ich meinen Verlag erst während der Pandemie gegründet hatte. Anfang 2020 war ich erstmalig in Nürnberg auf der Messe. Da habe ich dann bei WizKids Fantastische Reiche und Flotilla an Land gezogen. In Nürnberg begann es gerade mit der Pandemie. Da waren schon alle hypernervös. Ich kenne die Brettspielwelt aus Verlagssicht erst seitdem. Was ich natürlich auch mitgemacht habe: Die Frachtkosten steigen in der letzten Zeit schon deutlich an. Alle Kosten haben sich während der Pandemie generell laufend und teilweise drastisch erhöht.
„Das hat mich damals als ich es in Essen gesehen habe, komplett geflashed.“
Welches sind Deine Lieblingsspiele?
Mein Alltime-Favorit, der sicherlich noch aus der Vergangenheit verklärt ist, ist das ursprüngliche Caylus. Auch wenn ich das schon ewig nicht mehr gespielt habe. Das hat mich damals als ich es in Essen gesehen habe, komplett geflashed und war für mich ein Eye-opener. Das ist das einzige Spiel, was ich auf Boardgamegeek mit einer zehn bewertet habe. Was ich ebenfalls großartig finde ist Hansa Teutonica. Es hat mich sehr gefreut, dass eine Big Box dazu herausgekommen ist. Damit hat das Spiel wieder mehr Aufmerksamkeit bekommen. Wenn ich nur noch ein Spiel haben dürfte … das wäre ein heißer Kandidat. Gerade die Interaktionen und Abläufe mit einfachen Regeln finde ich sehr faszinierend. Das sind so die zwei Klassiker, die ich gerne nenne. Aber es gibt da natürlich noch mehr gute Spiele.
Von den eigenen Spielen finde ich Flotilla sehr gut. Gerade der Seiten-Wechsel bringt eine ordentliche Interaktion mit sich. Die Spieldauer ist zwar recht lange, aber wenn man die Zeit und die richtige Gruppe hat, ist es einfach ein tolles Spielerlebnis. Beyond the Sun ist natürlich auch eines meiner eigenen Lieblinge. Die beiden Spiele würde ich aus meinem eigenen Verlag nennen.
Möchtest du anteasern, was demnächst rauskommt?
Besondere Überraschungen gibt es gar nicht. Die zwei bekannten Sachen Q.E. und Virtù sind beide bereits angekündigt. Q.E. ist eines der ersten Spiele, das ich überhaupt versucht habe zu bekommen.
Bei einigen Spielen bin ich gerade in Gesprächen und Testen. Da ist in vielen Ebenen noch nichts spruchreif. Was ich anteasern kann: Fantastische Reiche Star Trek Missions. Ich habe gestern den Vertrag unterschrieben. Da wird wohl nichts mehr dazwischenkommen.
Nachtrag: Ganz neu wird auch Age of Rome (gerade abgeschlossene Kickstarter-Kampagne) durch Strohmann Games lokalisiert. Das Spiel wird 2023 erscheinen.
Wo kann man dich das nächste Mal treffen und sehen?
Ganz aktuell nächste Veranstaltung Herne Spielewahnsinn (13.05. bis 15.05.2022). Dann sind wir im Juli auf der Spiel Doch! in Duisburg (01.07. bis 03.07.2022). Zwei Wochen später auf der BerlinCon (15.07. bis 17.07.2022) und logischerweise die Spiel in Essen (06.10. bis 09.10.2022) und das war es bis jetzt.
Marcel, vielen Dank für deine Zeit und das Interview mit Dir
(Das Interview hat Horst mit Marcel am 25. März 2022 geführt)
Links zu den erwähnten Produkten und Verlagen
Strohmann Games
- Die Homepage als solche mit dem dazugehörigen Web-Shop.
- Eines von Marcel eigenen Lieblingsspielen ist Flotilla ..
- .. und Beyond the Sun.
- Wir haben selbstverständlich über Fantastische Reiche und das recht neue Spiel Glow gesprochen.
- Vorbestellen kann man das Expertenspiel Virtù oder auch das Familienspiel Q.E. – übrigens das erste Spiel, dass Marcel veröffentlichen wollte.
Sonstiges
- Rezension auf analog-rockt zu Fantastische Reiche
- Messe Herne Spielewahnsinn in Deutschland
- Messe Spiel Doch! in Duisburg in Deutschland
- Messe BerlinCon in Deutschland
- Messe Spiel in Deutschland
- Messe Game Expo in UK
- Messe Origins in den USA
- Messe GenCon in den USA
- Distributor Asmodee
- Distributor Pegasus
- Großhändler/Genossenschaft Spieldirekt
- Internationaler Spiele-Verlag WizKids Games
- Spiel Golem (Asmodee)
- Spiel Caylus (Huch!)
- Spiel Hansa Teutonica Big Box (Pegasus)
Thematische, narrative und verzahnte Spiele ... hier geht mein Herz auf. Dazu eine stimmige Vinyl-Schallplatte (oder Playlist) und los geht das Abtauchen in die Spielwelt. Als Spielleiter und Spieler kann ich mich auch vortrefflich in Pen-und-Paper-Welten tummeln. Bei Videospielen bin ich raus. Ist mir meist zu schwer (einzige Ausnahme: Super Mario Kart).