EVE Online ist ein MMO-Urgestein. Kaum zu glauben, aber das Ding ist tatsächlich älter als World of Warcraft – und läuft immer noch, geschmiert geupdated und größer als je zuvor. Vier Imperien streiten um die Vorherrschaft im All, und wenn man sich auf YouTube mal die legendären Massenschlachten anschaut, bekommt man schnell eine Ahnung, warum dieses Universum bis heute fasziniert.
EVE: War for New Eden von TitanforgeGames ist nicht das erste Brettspiel, das versucht, diese Weltraum-Oper auf den Tisch zu bringen, aber zumindest das erste, das ich tatsächlich gespielt habe. Es will ein 4X-Spiel sein – wobei zwei der X groß und laut geschrieben werden: Expand (Ausbreiten) und Exterminate (Vernichten). Die anderen beiden – Explore und Exploit – stehen eher am Rand und winken schüchtern.
Eindruck von der Bühne
Jeder übernimmt eine der vier Fraktionen aus dem MMO und bekommt passendes Material: Schiffe, Marker und jede Menge galaktische Würfel. Die Modelle sind wunderschön gestaltet und fraktionsspezifisch – also genau das, was Miniaturenfreunde lieben. Leider führt das auch zu kleinen Problemen, aber dazu später mehr.
Galaktischer Aufbau und erste Erkundungen
Wie es sich für ein 4X-Spiel gehört, ist das Spielfeld modular aufgebaut – hexagonale Sektoren, verdeckt ausgelegt, damit man sie „erkunden“ kann.
In der Mitte liegt ein 3er-System, drum herum die 2er- und 1er-Zonen. So höher die Zahl, desto besser die Ressourcen dort. Wer das Zentrum kontrolliert, bekommt Extrapunkte. Und ja, natürlich führt das früher oder später zu einem epischen „Wer-hat-den-größten….Kreuzer“-Showdown.
Apropos Punkte: Wer zuerst 10 Siegpunkte erreicht, beendet das Spiel. Mit der Titanen-Erweiterung steigt das Ziel auf 12 Punkte, dafür gibt’s aber auch noch mehr Wege, diese zu bekommen und ein riesiges Titaneschiff.
Der Spielplan hat einen schönen Rahmen um all die Hexfelder im Zaum zu halten, der passt allerdings nur, wenn man zu viert spielt. Zu dritt bleiben Lücken, was etwas aussieht, als wäre die Ausbreitungs-Simulation des Alls fehlgeschlagen.
Ressourcen, Aktionen und das Leben als Admiral
Auf dem eigenen Tableau hast du verschiedene Aktionsfelder, die durch Cubes aktiviert werden. In jeder Runde darf man standardmäßig drei Aktionen durchführen. Gegen etwas intergalaktisches Kleingeld kann man sich bis zu zwei weitere Aktionen dazukaufen – denn mit Geld kommt man auch im ewigen nichts weiter.
Man kann sich bewegen, produzieren, forschen, kämpfen, bauen oder Rohstoffe sammeln. Die Übersicht auf dem Tableau ist erstaunlich klar, und die Aktionsfelder sind gut erklärt – keine rätselhaften Symbole à la „Was bedeutet nochmal der Strich mit den 3 Zacken?“, sondern einfach klarer Text.

Über dem Tableau liegen außerdem Forschungskarten. Jede Fraktion hat ein eigenes Set (wobei alle Sets gleich sind) und darf zu Beginn vier beliebige davon verdeckt auslegen. Jede Forschung kostet Punkte, die man in jeder Runde verteilt. Ist eine Forschung abgeschlossen, wird sie aufgedeckt und gewährt Vorteile – zum Beispiel bessere Schiffe, effizientere Wirtschaft oder passive Wege Einkommen zu genießen. Also komm in die Gruppe!
Die freie Forschungswahl ist cool, aber beim ersten Mal überfordernd – ich hab einfach vier Karten blind gezogen. Hat funktioniert. Vielleicht bin ich der wahre Pionier des Chaosforschungszweigs.
Der zähe Start und der große Knall
Der Beginn ist.. sagen wir – gemächlich. Jeder startet in seiner Ecke, erkundet Sektoren, baut Schiffe und Anlagen… und das war’s dann erstmal. Man schleicht durchs All wie eine gelangweilte Raumsonde ohne Ziel. Erst zur Mitte hin kommt Leben ins Spiel, wenn sich alle um das zentrale System prügeln, oder das bangen darum doch bitte nicht angegriffen zu werden.
Beim Erkunden passiert übrigens nichts Schlimmes – keine Piraten, keine schwarzen Löcher, keine bösen Überraschungen. Man deckt das Hexfeld auf, kassiert den Bonus und zieht weiter. Es ist, als würde man ein ganzes Universum erforschen und dabei feststellen, dass wirklich alles leer ist.
Die Schlachten
Wenn es dann endlich kracht, wird’s spannend – und aufwendig. Jeder Kampf bekommt ein eigenes Schlachtfeld mit drei Orbits: klein, mittel, groß. Die Schiffe werden vom Spielfeld auf das Schlachtfeld platziert, und dann geht’s los. Der kleine Orbit schießt zuerst mit weißen Würfeln (präzise, aber wenig Wumms), der große Orbit zuletzt mit schwarzen Würfeln (Wumms pur, aber trifft nix). Der mittlere Orbit bietet einen guten Kompromiss, da hier beide Würfel geworfen werden. Also kannst du vielleicht wirklich was treffen UND Schaden machen.
Dazu kommt eine Strategiekarte zu Beginn des Kampfes, die für zusätzliche taktische Würze sorgt. Klingt super – und ist es auch… wenn man kämpft.
Alle anderen Spieler können in der Zwischenzeit entspannt Kaffee trinken, das Raumlogbuch schreiben oder drigend irgendwo was liken. Kämpfe dauern. Und zwar so, dass man irgendwann vergisst, dass das Spiel vorher eigentlich flüssig war.

Mein größtes Problem: Die Schiffsmodelle sind wunderschön, aber verwirrend. Jedes Fraktionsdesign ist anders, aber die Werte identisch. Also beginnt jeder Kampf mit der rituellen Frage:
„Welches deiner Schiffe ist der Zerstörer?“ – „Das da?“ – „Nein, das ist meie Fregatte.“
Nach ein paar Partien kennt man sie vielleicht, aber bis dahin fühlt man sich, als würde man bei einem interstellaren Klassentreffen versuchen, Namen zuzuordnen.
Erweiterungen und galaktische Nebenwirkungen
Die Titanen-Erweiterung bringt gewaltige Großkampfschiffe ins Spiel. Der Bau dieser Giganten fühlt sich episch an – jedes Teil ein Triumph der Raumfahrt, jedes Segment ein Schritt Richtung Siegpunkt. Dumm nur, dass die Biester erst kurz vor Schluss fertig werden. Du fliegst gerade los und dann hat irgendwer gewonnen und das Spiel beendet. Enttäuschend.

Die Succession-Erweiterung macht die Fraktionen asymmetrisch und gibt ihnen individuelle Fähigkeiten und Forschungen. Damit bekommt der Anfang deutlich mehr Pep – und man fühlt sich nicht mehr wie vier identische Zivilisationen mit unterschiedlicher Lackierung.
Die Havoc-Erweiterung bringt Piraten für einen fünften Spieler ins Spiel, die Korruption verbreiten. Wenn sie genug Systeme korumpieren, gewinnen sie. Leider gibt’s keinen AI-Modus für die Piraten – schade, denn ein neutraler Ärgerfaktor hätte dem Spiel gutgetan.
Material, Design und Weltraumglanz
Die Box ist super. Alles passt, kein extra Insert nötig. Die Miniaturen sind ordentlich verstaut, das Material hochwertig, das Design top. Wenn man den Deckel öffnet, fühlt es sich an wie ein Neuwagen.
Optisch ist EVE: War for New Eden wohl einer der schönsten Vertreter seines Genres – ein echter Hingucker auf dem Tisch.
Groupie auf Tour
Tja, das war im Groben EVE: War for New Eden. Mich hat es leider nicht abgeholt. Ein Mitspieler hatte immerhin Spaß an den Kämpfen, aber für mich blieb das Universum ein bisschen leer.
Für ein 4X-Spiel ist es angenehm kurz mit rund zweieinhalb Stunden Spielzeit, aber irgendwie bleibt der Nachgeschmack: Wenn ich schon im Weltraum bin, will ich auch was erleben.
Die Ansätze sind gut, aber das gewisse Etwas fehlt. Würde mir jemand mehrere 4X-Spiele zur Auswahl geben, würde ich vermutlich jedes andere vorziehen. Schade, denn produktionstechnisch ist das Teil über jeden Zweifel erhaben. Es sieht toll aus, fühlt sich hochwertig an und hat echte Tischpräsenz. Leider ist es auch nur in englischer Sprache erschienen, was es einigen hierzulande wohl noch etwas unattraktiver machen.
Aber gute Grafik allein hat noch kein MMO gerettet – und kein Brettspiel.
Wer jedoch ein kompakteres Space-4X-Spiel mit taktischen Raumkämpfen sucht, könnte hier trotzdem glücklich werden. Es ist sicher nicht einfach, Komplexität und Spielzeit auszubalancieren – aber EVE schafft es zumindest, ein stabiles Sprungtor in die Galaxis der „netten, aber nicht unvergesslichen“ Spiele zu öffnen. Aktuell würde ich wohl nur einen Rocker vergeben. Die aktuellen 8,4 Punkte auf BGG kann ich mir nur durch Verdrängung der Tatsache erklären, viel Geld für wenig Spiel bezahlt zu haben.
Ich für meinen Teil docke jetzt ab und freue mich auf Master of Orion. Vielleicht gibt’s da endlich wieder ein bisschen mehr Weltraumwumms.
Fazit: Schöne Hülle, lahmer Hyperantrieb
Konzertmitschnitte




Am liebsten verliere ich mich in Kampagnenspielen mit Story, Drama und am besten noch moralischen Entscheidungen, die mich nachts wachhalten. Weil was ist schon Entspannung, wenn man auch Existenzkrisen simulieren kann?
Abseits von Kampagnen mag ich´s knackig: Leichte Spiele sind okay, aber mein Herz schlägt für Kenner- und Expertenspiele bei denen das Gehirn nicht einfach nur mitmacht, sondern sich zwischendurch abmeldet und Urlaub beantragt.
Aber: Ich bin auch nur ein Mensch. Wenn das Thema stimmt und die Optik knallt, bin ich sofort verzaubert. Mein Motto? "Theme is King!" – Und ich bin sein loyaler Untertan.

